Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

Es gibt nicht nur Anfragen von Frau Thomas, sondern auch von uns. Entschuldigung, wir fühlen uns – ich sage es jetzt einmal ganz vornehm – auch düpiert. Wir haben nämlich damals die Diskussion um unseren Gesetzentwurf zurückgestellt, weil wir uns darauf verlassen haben, dass der Entwurf der Landesregierung zur Änderung des POG etwas schneller kommt und wir das dann gemeinsam in einem Thema aufarbeiten können. Deshalb ist der Vorstoß der GRÜNEN überhaupt nicht zu kritisieren.

Es ist legitim, dass Sie natürlich auch einen Bereich aufgreifen, der zu Ihren Schwerpunktthemen passt.

Herr Pörksen, Sie haben darauf hingewiesen, dass es einmal eine gemeinsame Entschließung zu diesem Thema gegeben hat, die auch von der CDU, von der Frau Kollegin Granold, die jetzt im Bundestag sitzt, wesentlich angestoßen wurde. Es würde meiner Meinung nach der Sache gut tun, wenn wir bei der Diskussion über die gesetzliche Regelung einmal versuchen würden, eine gemeinsame Formulierung zu finden, mit der wir alle ein Stück weit leben können.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Meine Damen und Herren, es sind noch andere Fragen offen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen, wären Sie bei diesem Gesetz doch genauso schnell gewesen wie beim nächsten Tagesordnungspunkt, bei dem es um Haushaltseinsparungen geht. Da haben sich die Fraktionen sehr schnell zusammengefunden und etwas niedergeschrieben.

(Kuhn, FDP: Haben Sie etwas dagegen?)

Da sind die unglaublichsten Dinge sehr schnell zu Papier gebracht worden. Wenn es Ihnen zu lang gedauert hätte, hätten Sie auch einmal diesen Weg beschreiten können.

Wir sind schon gespannt, woran es hängt, dass die beiden Ministerien offensichtlich nicht zu Rande kommen. Oder liegt das vielleicht an den Fraktionen? Eigentlich sind das Themen, die wir politisch bundesweit ausdiskutiert haben. Seit dem 11. September 2001 sind schon fast anderthalb Jahre vergangen, aber es tut sich überhaupt nichts bei diesen Fragen.

Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zu inhaltlichen Dingen dieses Gesetzentwurfs machen. Herr Mertes, Sie haben vorhin bei Frau Thomas in Bezug auf Frauen und Männer und Täter und Opfer einen Zwischenruf gemacht. Herr Pörksen hatte diesen Punkt auch aufgegriffen.

Es ist meiner Meinung nach notwendig, dass wir sagen, dass es nicht nur um Frauen als Opfer und um Männer als Täter geht, sondern das wir es mit einer sehr diffusen Lage zu tun haben, der wir gerecht werden sollten. Frau Thomas, deshalb ist es schwierig, das Sie sich gleich im ersten Satz, anders als im Gewaltschutzgesetz des Bundes, nur auf die Frauen einlassen.

Ich habe vorher draußen mit Polizeibeamten gesprochen. Sie haben mir gesagt, dass sie schon die ersten Fälle aus gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften hatten. Es gibt da also ganz interessante Gemengelagen.

Das Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene – das dürfen wir auch nicht ganz außer Acht lassen – bezieht sich auch auf Gewaltverhältnisse zwischen Eltern und Kindern. Meiner Meinung nach sollte man die gesamte Palette der Themen berücksichtigen.

In Übereinstimmung mit meiner Fraktion bin ich der Meinung, dass wir auch die Kinder mehr in das Blickfeld dieser gesetzlichen Regelung rücken sollten.

(Beifall der CDU)

Es sind die Kinder, die sich in diesen Fragen nicht outen können und die nicht die Polizei rufen können, wenn zu Hause so etwas passiert. Es sind vor allem die Kinder, die in einer solchen Atmosphäre, in einem solchen sozialen Umfeld aufwachsen. Wir alle wissen aus den unterschiedlichsten Diskussionen, dass sich solche Schädigungen in der Kindheit auf das ganze Leben auswirken und solche Dinge wahrscheinlich nie mehr in Ordnung zu bringen sind. Wir sehen eine Generation aufwachsen, die uns später in allen möglichen Bereichen große Probleme bereiten könnte. Deshalb war es mir wichtig, diese Gruppe deutlich anzusprechen.

Frau Thomas, es gibt in diesem Zusammenhang einige rechtliche Probleme. Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Regelung bis hin zum Verfassungsrecht der Freizügigkeit reicht. In Baden-Württemberg hat man, als man vor über einem Jahr einen Modellversuch durchgeführt hat, dieses Problem auch gesehen. Die Gerichte haben damit keine Probleme gehabt, als Widersprüche gegen die Verfügungen eingelegt wurden.

Es ist aber doch wohl besser, über die Generalklausel hinaus eine entsprechende Regelung in das Polizeigesetz aufzunehmen. Wir sind auch der Meinung, dass dies zu regeln ist. Etwas anderes kann ich mir auch nicht vorstellen.

Bei den Ausschussberatungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf oder auch im Rahmen der Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung müssen wir sicherlich darüber sprechen, in welcher Form wir die Beratung von Institutionen, die sich um Opfer, Familienprobleme und andere Dinge kümmern – Sie haben das auch erwähnt –, einbeziehen. Wir müssen darüber sprechen, ob wir das verpflichtend machen, wie wir die Adressen weitergeben, wie wir die Menschen, die sich um nachhaltige und wirksame Lösungen für diese Gewaltprobleme befassen, einbeziehen können. Es ist auch klar – da hat meiner Meinung nach der Weiße Ring in diesem Bereich hervorragende Vorarbeit geleistet –, dass man es sehr oft mit Familienverhältnissen zu tun hat, in denen dies keine Einmaltat ist, sondern in denen sich über Jahre hinweg etwas aufgebaut hat.

Es kommt immer wieder vor. Wir müssen dafür sorgen, dass das nicht nur einmal durch die Polizei geregelt wird, sondern überlegen, wie wir die Beratung und Behandlung dieser Menschen so in den Griff bekommen, dass wir die Gewalt auf Dauer in dem einen oder anderen Fall aus den häuslichen Verhältnissen eliminieren können. Die Herausgeberin der Zeitschrift „Weißer Ring“ hat auch die Opfer in dieser Frage mit einbezogen und unter anderem gesagt – ich zitiere –: „Die Opfer müssen lernen, dass ein Partner, der einmal zugeschlagen hat, es immer wieder tut.“ – Sie müssen sich auch dieser Situation stellen.

Es handelt sich auch um ein soziales Problem. Wir brauchen die Polizei. Die Polizisten vor Ort, mit denen

man das besprechen kann, bestätigen, dass es sich um bestimmte soziale Schichten handelt, die besonders betroffen sind. In anderen Bereichen ist es einfacher, weil man zum Beispiel einen Anwalt anrufen kann. In den Bereichen, wo das nicht zum Handwerkszeug gehört, braucht man die Polizei. Sie wird auch gerufen. Viele Polizisten kennen ihre Pappenheimer schon. Deswegen ist es wichtig, dass wir darauf ein Augenmerk werfen.

Die Frage ist, wie die Polizei damit umgeht. Es wird sicher einer bestimmten Kompetenz bedürfen, um solche Probleme zu lösen. Die Baden-Württemberger haben gezeigt, dass das geht. Im Schulungsbereich wird schon sehr viel getan. Das muss ein Teil der Ausbildung sein. Es wird vermutlich nicht zu mehr Fällen führen, weil natürlich jeder, der die Polizei ruft, weiß, dass auch mit stärkeren Konsequenzen bis hin zur zivilrechtlichen Geschichte aus dem Gewaltschutzgesetz gerechnet werden muss. Im Übrigen wird auch die Staatsanwaltschaft in dem einen oder anderen Fall eingreifen müssen.

Das Gleiche gilt für das Familiengericht, wenn es um das Sorgerecht und andere Dinge geht. Die Problematik wird auf dem gleichen Stand bleiben. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass es natürlich eine weitere Aufgabe ist, um die sich die Polizei verstärkt kümmern muss. Wir haben das Problem, dass die Aufgaben in Zukunft nicht weniger werden.

Zusammenfassend stelle ich fest: Es ist richtig, dass jetzt noch einmal der Anstoß kommt. Ich denke, der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN soll zumindest eine Diskussionsgrundlage für das sein, was die Landesregierung eventuell in dem Bereich irgendwann vorlegt.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hohn.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Landtagsfraktion hat sich bereits frühzeitig für die Einführung des so genannten Platzverweises ausgesprochen, mit dem häusliche Gewalttäter von der Polizei im wahrsten Sinn des Wortes vor die Tür gesetzt werden können.

Frau Thomas, hierbei handelt es sich um alle häuslichen Gewalttäter, nicht nur um Männer. Das wurde auch von der Vorrednerin gesagt. Es gibt auch umgekehrte Fälle, aber in einem anderen Verhältnis.

Gerade die durchweg positiven Erfahrungen des Nachbarlands Baden-Württemberg, das dieses Mittel der Gefahrenabwehr in einem einjährigen Modellversuch erprobt hat, waren für uns derart überzeugend, dass wir

die Einführung auch in unserem Bundesland als zwingend erachten.

Meine Damen und Herren, der Platzverweis ist eine notwendige Maßnahme, häuslicher Gewalt entschieden entgegenzutreten und diese wirksam zu bekämpfen. Deshalb wird Rheinland-Pfalz die Wegweisung, die eine passende Ergänzung zu dem auf Bundesebene in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz ist, landesweit einführen.

Hierfür ist eine Änderung bzw. Novellierung des Polizeiund Ordnungsbehördengesetzes vorgesehen. Gleichwohl soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Innenministerkonferenz im Mai letzten Jahres beschlossen hat, dass aufgrund des Gewaltschutzgesetzes gerade kein Anlass besteht, die Polizeigesetze der Länder zu ändern.

Meine Damen und Herren, ein entsprechender Entwurf der Landesregierung zur Änderung des hiesigen Polizeigesetzes befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung und wird in Kürze parlamentarisch zu beraten sein. Dies hat die Landesregierung auf Nachfrage in den betreffenden Ausschüssen immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht.

Frau Thomas, insofern verstehe ich Ihre Hektik nicht ganz.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden immer über ein Geistergesetz, was es von der Landesregierung nicht gibt!)

Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass es sich in der Ressortabstimmung befindet. Wir werden auch im Ausschuss noch Gelegenheit haben, darüber ausführlich zu beraten.

Meine Damen und Herren, das Instrument des Platzverweises greift massiv in grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter ein. Deshalb muss ein solcher sorgfältig und gewissenhaft geprüft werden, um letztendlich für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte absolute Rechtssicherheit zu garantieren. Eine derartige sorgfältige Prüfung bedarf allerdings Zeit. Diese Zeit nimmt sich unsere Landesregierung. Sie hätte es sich auch wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einfach machen können und bestehende Regelungen eines anderen Bundeslands wort- und inhaltsgleich bis auf das letzte Komma abschreiben und für Rheinland-Pfalz übernehmen können. Genau das wollen wir nicht tun.

(Zuruf der Frau Abg. Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob dies allerdings den durch häusliche Gewalt Betroffenen dienlich gewesen wäre, möchte ich dahin gestellt sein lassen.

Meine Damen und Herren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründen ihren Gesetzesaktionismus damit, dass ein zeitlich lückenloser Schutz vom Einschreiten der Polizei bis zum Erwirken einer gerichtlichen Schutzanordnung

nach der geltenden Fassung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) in der Regel nicht gewährt werden kann.

Meine Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugrunde liegende Schutzlücke vermag sicherlich in einigen wenigen Fällen zu greifen. Dessen ist sich unsere Fraktion auch bewusst. Trotzdem ist uns aber seit In-Kraft-Treten des Gewaltschutzgesetzes kein Fall bekannt geworden, in dem die derzeit geltende Fassung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes zur Verschlechterung der Position gefährdeter Personen geführt hätte. Mit dem Instrumentarium des Platzverweises können gewalttätige Personen jederzeit auch bereits vor einer gerichtlichen Verfügung zumindest vorübergehend aus der ehelichen Wohnung verwiesen werden. Von dieser Möglichkeit wird täglich gerade in s ozialen Brennpunkten Gebrauch gemacht.

Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Anwendung des Gewaltschutzgesetzes sind zunächst die Gerichte gefordert. Deshalb ist auch das Argument der Opposition, die Landesregierung verhindere derzeit die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes, schlicht und einfach falsch. Dies stimmt nicht. Ich vermag zwar immer nur für unser Bundesland zu sprechen, aber nach meinem Kenntnisstand kann ich sagen, dass seit dem In-Kraft-Treten des Gewaltschutzgesetzes auf Bundesebene die rheinland-pfälzischen Zivilgerichte entsprechende Verfügungen gegen gewalttätige Personen im häuslichen Bereich erlassen und somit das Gewaltschutzgesetz des Bundes 1 zu 1 umsetzen.

Meine Damen und Herren, ich erwähnte bereits eingangs, dass die Landesregierung derzeit dabei ist, das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz insgesamt und umfänglich zu ändern und zu novellieren. Gewalt im häuslichen Bereich ist dabei nur ein Aspekt des umfangreichen Gesetzeswerks. Insbesondere die Ereignisse des 11. September sowie die Rasterfahndung haben jedoch bislang zu Verzögerungen geführt. Meines Erachtens ist es zu kurz gedacht, den einzelnen Aspekt, nämlich die Regelung des Platzverweises bei häuslicher Gewalt, herauszulösen, gesondert zu debattieren und letztendlich auch zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns nicht dem Irrglauben hingeben, allein mit der Intervention der Polizei bei häuslicher Gewalt seien die umfangreichen Probleme in diesem Bereich zu lösen. Der Schwerpunkt der erforderlichen Veränderung zum verbesserten Schutz der Opfer muss über die polizeilichen Maßnahmen hinausgehen; denn sie allein können die gewünschten Verbesserungen nicht erzielen. Der polizeilichen Erstintervention müssen geeignete Maßnahmen anderer Stellen, wie privater Institutionen und Einrichtungen, folgen.

Meine Damen und Herren, diese Notwendigkeit wurde in Rheinland-Pfalz frühzeitig erkannt. Beispielhaft möchte ich das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen erwähnen, das – kurz – RIGG genannt wird.

Gemeinsam mit den Koordinationsstellen hat dieses Projekt bislang wesentliche Grundlagen zur Interventi

onsmaßnahme bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen und deren Umsetzungen erarbeitet.

(Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)