Protokoll der Sitzung vom 06.06.2001

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Stärkung mittelständischer, verbrauchernaher Herstellungs- und Vermarktungsstrukturen im Getränkebereich – Einführung eines Pfandes auf Getränkedosen und Einwegflaschen – keine Pfandregelung für Weinflaschen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/8 –

Die Fraktionen haben im Ältestenrat eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart.

Für die antragstellende Fraktion spricht Herr Dr. Braun.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unser Antrag lautet: Stärkung mittelständischer, verbrauchernaher Herstellungs- und Vermarktungsstrukturen im Getränkebereich – Einführung eines Pfandes auf Getränkedosen und Einwegflaschen – keine Pfandregelung für Weinflaschen.

Meine Damen und Herren, diese Regelung, die wir heute diskutieren, wurde vom Bundestag mit rotgrüner Mehrheit am 18. Mai dieses Jahres verabschiedet. Da bisher Verpflichtungen der Industrie nicht eingehalten wurden, der Anteil der Mehrwegverpackungen stetig zurück ging und der Anteil der Einwegverpackungen stetig stieg, sieht sie vor, ab jetzt ein Pfand einzuführen,

um eine weitere Entwicklung gegen Mehrweg-, für Einwegverpackungen, gegen Umweltverschmutzung und für Umweltschutz für den Mittelstand auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren, das Land Rheinland-Pfalz stimmt gegen diesen Vorschlag der Bundesregierung und des Bundesparlaments mit Begründungen, die kaum noch nachvollziehbar sind. Diese Begründungen wird Frau Martini wahrscheinlich später vortragen. Hierbei handelt es sich um Begründungen, die alle an den Haaren herbeigezogen sind und nicht von denjenigen argumentativ nachvollzogen werden können, die betroffen sind.

Noch vor zwei oder drei Jahren hat Frau Martini darauf beharrt, ein Zwangspfand einzuführen. Das „Handelsblatt“ schreibt am 4. November 1997 die Überschrift „Martini beharrt auf einem Zwangspfand“. Wir finden, das ist eine sehr vernünftige Position, die damals auch eindeutig erklärt wurde. Hier heißt es: „Ein bundesweit gültiges Zwangspfand auf alle Getränkeverpackungen fordert die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) für den Fall, dass der Anteil der Mehrwegverpackungen weiter sinkt.“ Auf der Konferenz der Umweltminister in dieser Woche in Erfurt soll über die Novellierung der Verpackungsverordnung entschieden werden.

Frau Martini, damals hatten Sie die Unterstützung der jetzigen Verordnung gegeben, die im Bundestag verabschiedet wurde. Sie haben inzwischen Ihre Meinung geändert. Man kann seine Meinung ändern. Das ist kein Armbruch. Man muss aber deutlich sehen, dass man natürlich neue Argumente braucht, wenn man seine Meinung ändert. Sie sind nicht bereit, diese Argumente zu liefern. Die haben Sie bisher weder hier noch im Bundesrat liefern können.

Unser Antrag geht dahin, dass es ein Dosenpfand geben soll, damit die Mehrwegverpackung geschützt wird und der Anteil der Mehrwegverpackung auf 72 % bleiben kann. Natürlich wollen wir eine Vereinfachung der Regelung, die der damalige Umweltminister Töpfer vorgeschlagen hat, der früher CDU-Abgeordneter in diesem Landtag und Minister in dieser Landesregierung war.

(Schmitt, CDU: Das waren noch Zeiten!)

Diese Verpackungsverordnung wurde damals auf Bundesebene in Zusammenarbeit mit der FDP beschlossen. Sie sah vor, dass es eine Pfandpflicht geben soll, wenn der Mehrweganteil unter 72 % sinkt. Nun soll diese Pfandpflicht auch umgesetzt werden. Wir sagen, dass es eine Vereinfachung dieser Pfandpflicht geben muss, die früher sehr kompliziert vorgesehen war. Würde dieser Vorschlag der Bundesregierung so nicht umgesetzt und weiterhin von der Landesregierung in Rheinland-Pfalz torpediert werden, wäre es kaum zu verhindern, dass es ein Pfand auf Weinflaschen gibt.

Herr Beck, ich erinnere Sie, dass Sie als Ministerpräsident und als SPD-Vorsitzender vehement gegen die Einführung eines Weinflaschenpfandes gekämpft haben. Nun kommt der Vorschlag – hierbei handelt es sich um

einen vernünftigen Vorschlag – vom Bundesumweltministerium und vom Bundesparlament.

Nun kämpfen Sie gegen diesen vernünftigen Vorschlag. Das ist weder für die Winzer- und Bauernverbände nachvollziehbar, die entsprechende Stellungnahmen abgegeben haben, noch für die Bevölkerung, die ganz deutlich sieht – bei Umfragen sprechen sich mehr als 70 % für ein Dosenpfand aus –, dass die Landschaft immer mehr vermüllt wird. Gegen die Vermüllung der Landschaft können wir tatsächlich nur mit einem Dosenpfand angehen. Frau Martini, alle Aufforderungen, die Sie bisher an die Bevölkerung gerichtet haben, wie beispielsweise Ihre Werbung gegen die Vermüllung der Landschaft oder Knöllchenverteilung durch die kommunale Polizei,

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gute Idee!)

die ohnehin schon überfordert ist, nützen nichts. Das sind Heftpflaster auf eine stark blutende Wunde. So können Sie diese Sache nicht in den Griff bekommen. Das wissen im Grunde auch Sie, Frau Martini.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, die Landesregierung ist sich der Tragweite der Entscheidungen nicht bewusst. Was für uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Mittelpunkt steht, ist die Tatsache, dass im Mittelstand Arbeitsplätze zerstört werden, wenn das Dosenpfand nicht eingeführt wird. Dies betrifft den Mittelstand in Rheinland-Pfalz und den Mittelstand bundesweit.

(Zurufe von CDU und FDP)

Man schätzt, dass bundesweit 250.000 Arbeitsplätze gefährdet sind, wenn das Dosenpfand nicht eingeführt wird.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Das sagen die Getränkehersteller, Herr Creutzmann. Es wäre schön, Sie würden sich einmal informieren und einmal mit den Verbänden reden, die betroffen sind. Es wäre gut, Sie würden einmal mit dem Mittelstand sprechen und nicht in Ihrer Fantasie vorgeben, was der Mittelstand angeblich will, Herr Creutzmann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Creutzmann, FDP: Das sollten Sie auch einmal tun!)

Die mittelständischen Brauereien und Getränkehersteller sowie der Getränkefachhandel sagen ganz eindeutig: Kommt das Dosenpfand nicht, werden massiv Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Herr Creutzmann, das sind bedeutend mehr, als durch eine Freigabe der Einwegsysteme aufgebaut werden können, wie Sie dies in Ihrer Rechnung immer darstellen.

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung betreibt eine klare Politik gegen den Umweltschutz, gegen den Mittelstand und gegen die Bauern und Winzer in

Rheinland-Pfalz. Sie argumentieren damit, dass Sie sich für Umweltschutz und Mittelstand einsetzen, und stoßen den Betroffenen ein Messer in den Rücken.

(Creutzmann, FDP: Oje, oje!)

Meine Damen und Herren, die Arbeitsplätze, die abgebaut werden, falls das Pfand auf Getränkedosen nicht eingeführt wird, sind Arbeitsplätze, die auf Ihre Initiative hin abgebaut werden. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Die Vermüllung der Landschaft, die fortschreiten wird, wenn dieses Dosenpfand nicht kommt, liegt in Ihrer Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der FDP: Staatswirtschaftler! – Im Plenarsaal klingelt ein Handy)

Wir wissen, dass die Mehrheit des Bundestages sehr ausgiebig darüber diskutiert hat und sich sehr ausgiebig darüber informiert hat, bevor sie dem Vorschlag, ein Dosenpfand einzuführen, zugestimmt hat. Wenn nun die Landesregierung in Rheinland-Pfalz dieser Initiative der rotgrünen Bundesregierung in Berlin in den Rücken fällt, hat dies natürlich nicht nur inhaltliche Konsequenzen, sondern dann geht dies natürlich auch – das muss man klar sehen – gegen die Bundesregierung, die im Umweltschutzbereich sowie im Bereich des Arbeitsplatzerhalts durchaus vernünftige Vorschläge gemacht hat und dafür auch die Zustimmung des Parlaments bekommen hat.

Meine Damen und Herren, Ihre Politik in Rheinland-Pfalz zur Ablehnung des Dosenpfands ist nicht nachvollziehbar. Alles, was Sie bisher im Bundesrat vorgeschlagen haben, bedeutet einen höheren Anteil an Einwegverpackungen, einen höheren Anteil der Landschaftsvermüllung und einen Arbeitsplatzabbau. Wir fordern die Fraktionen im Parlament deswegen auf, unserem Antrag zuzustimmen, damit die Landesregierung ihre Blockadepolitik in Berlin aufgibt.

Dem Bayerischen Landtag ist es beispielsweise gelungen, eine solche Initiative zu ergreifen. Auch dort wollte die Landesregierung der Einführung des Pfands auf Dosen nicht zustimmen. Der Landtag hat sie aber verpflichtet, dieser Initiative zuzustimmen.

(Ministerpräsident Beck: Der Landtag kann die Landesregierung nicht verpflichten!)

Ähnliches geschah auch in Niedersachsen. Auch dort wollte die Landesregierung dem Dosenpfand nicht zustimmen. Nun hat aber die SPD es geschafft, ihre Landesregierung zumindest so weit auf Kurs zu bringen, dass sie ihre Blockadehaltung gegenüber dem Dosenpfand aufgibt.

Meine Damen und Herren, wir haben heute die Chance – am 22. Juni soll abgestimmt werden –, für die Umwelt, für die mittelständischen Arbeitsplätze und für die Bauern und Winzer in Rheinland-Pfalz ein positives Zeichen zu setzen und für das Dosenpfand zu stimmen. Deswe

gen fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sehe mich veranlasst, in dieser Wahlperiode erstmals darauf hinzuweisen, dass Handys vor Betreten des Plenarsaals auszuschalten sind. Das gilt nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die Vertreter der Presse sowie für die Gäste im Landtag.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Stretz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Braun, ich war vor 30, 32 Jahren einmal zu Besuch im Bundestag in Bonn und durfte dort eine Rede des Kollegen Mischnick anhören, der damals unter Anspielung auf seinen Vorredner von der CDU aus Kaiserslautern gesagt hat: Horror muss sein, wenn Todenhöfer spricht. Ähnliches kommt mir manchmal in den Sinn, wenn Sie den Einstieg in ein Thema vorbereiten.

(Beifall der FDP – Heiterkeit bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zwei Anmerkungen. Mein Vorgänger, der Kollege Nagel, hat es geliebt, Beispiele aus der Praxis zu bringen. Das erlaube ich mir heute auch einmal.

Ich war gestern Abend am Rhein zu einem kleinen Spaziergang. Das kann ich grundsätzlich empfehlen. Vor mir gingen zwei jüngere Männer, von denen jeder eine Bierdose in der Hand hatte. Nachdem sie die Dosen ausgetrunken hatten, haben sie sie in den Rhein geworfen.

Ich habe mir angemaßt, diese Männer einmal anzusprechen und habe sie gefragt: Würdet ihr die Dosen auch wegwerfen, wenn ihr 50 Pfennig Pfand darauf zahlen müsstet? – Daraufhin haben sie gesagt: „Wege dene paar Penning trage ma die Bichs‘ doch nimmi zurück!“ So viel zu dem, was draußen ankommt.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine repräsentative Umfrage, Herr Stretz!)

Ich komme zu meiner zweiten Anmerkung. Am Montag gab es eine Werbebroschüre einer Handelskette, in der die Dose Cola für 38 Pfennig angeboten wurde. Nun

stelle ich mir vor, auf diese 38 Pfennig würde zusätzlich ein Dosenpfand von 50 Pfennig kommen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das fänden wir gut!)