Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Sie tun aber nicht so, als würden Sie die Konnexität bereits anwenden. Es ist absolut nicht der Fall, dass Sie so tun, als wenn die Konnexität schon Anwendung fände. Sie haben zwar eine Reihe von Beispielen genannt, aber der Begriff „Konnexität“ trifft für Ihre Finanzierungsmodelle absolut nicht zu; denn Sie übertragen Aufgaben an die Kommunen, ohne diese zu finanzieren. Das widerspricht fundamental dem Gedanken der Konnexität. (Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Herr Ministerpräsident Beck, im Zusammenhang mit dem Verfassungsgericht höre ich dann den Begriff „Prellwand“ von Ihnen, die sich in diesem Zusammenhang auftue.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe davor gewarnt!)

Sie haben davor gewarnt, Herr Ministerpräsident. Ein Recht, sei es das Recht der Kommunen, ihre Eigenständigkeit zu sichern, muss eine Durchsetzungsmöglichkeit haben.

Diese Durchsetzungsmöglichkeit haben wir nicht. Die Verankerung des Konnexitätsprinzips führt natürlich zu Durchsetzungsmöglichkeiten. Diese Durchsetzungsmöglichkeiten werden zur Not, wenn wir das als Gesetzgeber nicht berücksichtigen, vom Verfassungsgericht realisiert werden. Das ist aber ein selbstverständlicher rechtsstaatlicher Grundsatz. Ich halte es für etwas mehr als ungehörig, den auch nur warnend als Prellwand an die Wand zu malen.

(Ministerpräsident Beck: Das ist schon eine böswillige Verfälschung dessen, was ich gesagt habe!)

Herr Ministerpräsident, das geht so nicht.

(Ministerpräsident Beck: Es ist böswillig, so etwas zu sagen!)

Das nützt uns nichts in Bezug auf eine sachliche Politik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Kommunen muss unsere Sorge gelten. Ich bezweifle, ob wir mit grundlegenden Schritten, die notwendig sind, noch ein paar Jahre warten können. Ich bezweifle das, aber ich lasse mich gern, wenn es gute Argumente in der Sache und in Details gibt, eines Besseren belehren. Wo wären wir denn, wenn das nicht möglich wäre?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf ein weiteres Feld lenken.

(Schweitzer, SPD: Kommen Sie zum Schluss!)

Herr Kollege Schweitzer, wann ich zum Schluss komme, entscheide immer noch ich und im Zweifelsfall die Frau Präsidentin, aber erst dann, wenn meine Uhr abgelaufen ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schweitzer, SPD: Die müsste schon längst abgelaufen sein!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Haushaltsberatungen – der Herr Präsident hat gestern davon gesprochen, und der Herr Ministerpräsident hat heute darüber gesprochen – finden natürlich auch im Zeichen des Kriegs statt. Ich will mich aber jetzt einer zweifellos reizvollen Bewertung des Kriegs und seiner Umstände enthalten und Ihre Aufmerksamkeit auf unsere direkte Verantwortung hier leiten. Wenn wir uns Äußerungen aus der amerikanischen Administration nicht nur hinsichtlich der Achse des Bösen, sondern auch hinsichtlich weiterer möglicher Operationsfelder anhören und lesen und wenn wir sehen, dass sich der Krieg nicht so entwickelt, wie sich die Initiatoren das gedacht haben, und wenn wir uns die Entwicklung in den Nachbarländern des Iraks ansehen – da können wir destabilisierende Entwicklungen beobachten –, haben wir auch in Rheinland-Pfalz eine besondere Verantwortung für Flüchtlinge aus diesen Ländern, die bei uns sind.

Es reicht in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach nicht aus, einen Abschiebestopp in Richtung Irak zu verhängen. Ich bin der Meinung, wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass auch in die Nachbarländer, insbesondere in den Iran, in absehbarer Zeit nicht mehr abgeschoben werden darf. Das ist meiner Meinung nach eine humanitäre Pflicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden über den Haushalt und damit natürlich auch über Geld, da das der Kern des Haushalts ist. Im Zusammenhang mit dem Umgang mit Flüchtlingen kann ich Ihnen das Stichwort „Ausreisezentrum“ nicht ersparen. Da wird nicht nur Geld verschwendet, sondern da wird ideologisch motiviert Geld auf dem Rücken von Betroffenen verschwendet. Ich will Ihnen einmal sagen, was das für Betroffene sind. „Ausreisezentrum“ ist ein Euphemismus. Es handelt sich um eine Institution, über die erreicht werden soll, dass Menschen „freiwillig“ ausreisen. Nach meiner Kenntnis der Dinge und nach meiner Anschauung werden sie dabei gehörig unter Druck gesetzt.

Das führt dann dazu, dass im Ausreisezentrum schon seit Jahren beispielsweise eine chinesische Familie mit mehreren Kindern einsitzt, denen China wegen seines bevölkerungspolitischen Programms die Einreise verweigert, die also, selbst wenn sie wollten, keine Chance hätten einzureisen. Trotzdem sitzen sie dort ein. Das ist nicht nur kurios, sondern das ist eine völlig sinnlose Maßnahme, die auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen wird.

Das Projekt „Ausreisezentrum“ ist meiner Meinung nach nicht nur ein teures Projekt, sondern es ist auch ein unsinniges und inhumanes Projekt. Ich fordere Sie auf, dieses Projekt aufgrund vielerlei Interessen endlich zu beenden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch so genannte Konsensgespräche, die natürlich auch ich begrüße, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es politische Unterschiede in diesem Haus gibt. Die Konsensgespräche sollen darüber auch nicht hinwegtäuschen, auch wenn gelegentlich in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird – nicht von Personen, die in diesem Landtag sitzen, da will ich einmal alle in Schutz nehmen, aber von anderen –, als müssten sich Politiker einfach nur alle einig werden, damit es vorangehen könne. Das bezweifle ich ganz stark. Wir haben unterschiedliche politische Angebote zu machen. Wir haben uns da zu einigen, wo wir uns einigen können, aber wir müssen auch den politischen Streit pflegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben Vorschläge gemacht. Einige dieser Vorschläge konnten wir im Rahmen dieser Gespräche durchsetzen, aber viele unserer Vorschläge konnten wir in der politischen Auseinandersetzung nicht durchsetzen. Unsere Vorschläge sind von großer sozialer Verantwortung geprägt. Wir wollen die soziale Schieflage verhindern, die Ihr Haushalt nach unserer Auffassung aufweist. Wir wollen bildungspolitisch nicht handlungsunfähig werden. Uns treibt in immer größerem Maß die Sorge um die Kommunen dieses Landes als die kleinste Einheit der Demokratie um. So haben wir unsere Haushaltsdebatte im Wesentlichen geführt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zurück auf die Rede von Frau Thomas von heute Vormittag. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie heute Morgen Herrn Kollegen Mertes mindestens den dritten Heiratsantrag mit der charmanten Zeile

aus „Casablanca“ gemacht, es wäre der Beginn einer wunderschönen Freundschaft.

(Unruhe im Hause)

Ich habe mir das vor Augen geführt und mir dann überlegt, wenn Herr Kollege Mertes mit Ihnen spricht – ich verwende jetzt auch einen Filmtitel, nämlich „Komm‘ zur Sache, Schätzchen“ –, bin ich mir sicher, wenn ich an den Straßenbau, die Wirtschaftspolitik, die Finanzpolitik, die Innenpolitik, die Umweltpolitik usw. denke, dass er am Schluss nicht sagen wird – auch jetzt verwende ich wieder „Casablanca“ –: Schau mir in die Augen, Kleines. – Davon bin ich überzeugt, Frau Kollegin. Deshalb sind wir immer ganz ruhig, wenn Sie öffentlich Heiratsanträge machen.

Herr Kollege Marz hat das wieder unter Beweis gestellt.

(Rösch, SPD: Der wird kein Trauzeuge!)

Wenn Sie in der Sache diskutieren würden, wären die Differenzen so groß, dass wir da ganz beruhigt sein können.

(Ministerpräsident Beck: Immer die üblichen Verdächtigen!)

Ich möchte auch noch eine Anmerkung zu Herrn Kollegen Böhr machen, der jetzt nicht anwesend ist. Er hat heute Morgen einen neuen Begriff mit den „guten“ und den „bösen“ Schulden geprägt. Er hat gesagt, wenn jemand Schulden macht, um nach Mallorca zu fahren, seien das „böse“ Schulden. Wenn er sich ein Auto kaufe, seien das „gute“ Schulden. Auch da liegt ein Denkfehler vor. Das Auto ist auch ein Verbrauchsgut. Der Verbrauch dauert nur etwas länger. Ich kann dem Kollegen und Philosophen Böhr nur sagen: Schulden können Sie nur dann machen, wenn denen Einnahmen gegenüberstehen. Das ist eine alte Weisheit. Wenn man betriebswirtschaftlich denkt, könnte man nach dem LeverageEffekt sogar noch mehr Schulden machen , solange die Eigenkapitalrendite größer ist. Sie könnten sich also unendlich verschulden. Ich kann also nur vor den „guten“ und „bösen“ Schulden, die uns Herr Kollege Böhr heute Morgen dargestellt hat, warnen.

Frau Kollegin Thomas und Herr Kollege Marz, nun werde ich Ihnen einmal sagen, weshalb wir uns unterscheiden. (Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das weiß ich!)

Ich will Ihnen auch nachweisen, dass Sie einen Denkfehler gemacht haben, der dem Land 20,9 Milliarden Euro Mehrverschuldung bringen würde.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat mit der Haushaltsvorlage für den Nachtragshaushalt 2003 mutige Entscheidungen getroffen, die durch ihre längerfristig wirkenden Strukturveränderungen nachhaltig zu einer Haushaltskonsolidierung beitragen werden. Zahlreiche Ausgabenansätze wurden reduziert und somit Einsparungen in Höhe von 353 Millionen Euro erzielt, um die voraussichtlichen Steuerausfälle von 580 Millionen Euro ausgleichen zu können.

Ob diese Einsparmaßnahmen allerdings ausreichen, um die Nettokreditaufnahme auf etwa eine Milliarde Euro zu begrenzen, muss aus heutiger Sicht mit einem großen Fragezeichen versehen werden, weil nicht absehbar ist, welches Wirtschaftswachstum im Jahr 2003 in der Bundesrepublik erzielt werden kann. Geringeres Wirtschaftswachstum – das Land Rheinland-Pfalz ging bei seinen Steuereinnahmenerwartungen von einem Wirtschaftswachstum von 0,9 % aus – bedeutet auch geringere Steuereinnahmen und ceteris paribus eine höhere Neuverschuldung. Dies bedeutet, dass auch in Zukunft äußerste Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist. Die Landesregierung muss auf dem Weg der Strukturveränderungen mutig weitergehen; denn nur durch Strukturveränderungen lassen sich Ausgabeneinsparungen in der Zukunft erzielen.

Ich sehe noch ein hohes Einsparpotenzial in der Kons olidierung des IT-Bereichs, in der Restrukturierung der Verwaltungsabläufe durch die Einführung von EGovernment sowie in der weiteren Durchforstung aller Maßnahmen quer durch alle Einzelhaushalte.

Frau Kolleginn Thomas, wir scheuen uns nicht – ich sage das öffentlich – auch in Zukunft alles auf den Prüfstand zu stellen. Das haben wir in der Vergangenheit getan, auch was das Wirtschaftsministerium betrifft. Wir fordern Sie auf, auch weiterhin Einsparmaßnahmen – aber nicht solche, wie Sie es jetzt getan haben – mit uns zu überlegen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur Geduld. Ich werde es gleich sagen.

Meine Damen und Herren, es muss nach wie vor das oberste Ziel der Landesregierung sein, die in der Finanzplanung bis zum Jahr 2008 vorgesehene Neuverschuldung auf null zurückzufahren, um weiteren Spielraum für Investitionen in die Zukunft zu gewinnen. Wenn die Zinsquote beim Nachtragshaushalt heute fast 10 % der bereinigten Gesamtausgaben beträgt und damit fast die gleiche Höhe wie die Investitionsquote erreicht, müssen auch im nächsten Doppelhaushalt verschiedene gestaltbare Ausgaben kritisch hinterfragt werden, um die Zinsquote zu vermindern und die Investitionsquote erhöhen zu können.

Ob dazu allerdings die Vorschläge der CDU-Opposition und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brauchbare Instrumente sind, darf bezweifelt werden. Die stereotype Begründung der CDU-Landtagsfraktion bei Ausgabenstreichungen lautete – ich zitiere –: „Keine Verschlechterung zu verantworten“ oder „Orientierung an der bisherigen Haushaltsentwicklung“.

Dabei hat man es sich nach Auffassung der FDPLandtagsfraktion vonseiten der CDU-Opposition etwas zu leicht gemacht. Es ist doch etwas zu einfach, fast 11 Millionen Euro bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mit der Begründung zu streichen – ich zitiere –: „Die Maßnahmen bedürfen einer grundsätzlichen Kritik und Neukonzeption hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Effektivität. Dies sollte nicht zuletzt vor dem Hintergrund entsprechender Überlegungen des BA-Vorstandsvor

sitzenden Florian Gerster auch auf Landesebene geboten und akzeptabel sein.“ – Mehr Substanz bei der Begründung wäre hier vonnöten. Man kann sich nicht einfach auf Herrn Gerster beziehen, nur weil er einmal Chef des Sozialministeriums war.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Creutzmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Rosenbauer?