Alle, die jetzt den Eindruck erwecken wollen, dass das in den letzten Monaten aus der Not heraus zum Thema geworden ist, will ich darauf hinweisen, ich habe in der „Rheinpfalz“ im Jahr 1992 einen Namensartikel veröffentlicht mit dem Plädoyer, die Lebensarbeitszeit in Deutschland zu erhöhen.
Ich bin für diesen Vorschlag, wie für manch anderen, windelweich geprügelt worden – Sonderseiten auf den Leserbriefspalten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es bleibt richtig. Wir müssen die Lebensarbeitszeit erhöhen – das ist überhaupt keine Frage –, wobei das mit dem Erhöhen natürlich eine schwierige Form ulierung ist.
Wir müssen darauf achten, dass immer mehr oder ein paar mehr sich wieder mit ihrer Lebensarbeitszeit dem Datum annähern, das nach wie vor gesetzlich als Lebensarbeitszeit bestimmt ist, nämlich dem 65. Lebensjahr.
Ich spekuliere nicht über 67 oder 68 Jahre in 500 Jahren, wenn sich die Demographie in Deutschland verändert hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nein, wir müssen mehr darauf achten, dass wieder mehr Menschen in Deutschland sich der Grenze annähern, die nach wie vor die gesetzlich festgelegte Grenze ist: 65 Jahre. – In dem Sinn: Erhöhung der Lebensarbeitszeit.
Wer hat denn Schindluder mit der Frühverrentung betrieben? Nicht der Mittelstand, sondern viele Große, für die das ein existenzieller Teil eines Sanierungsprogramms ihres aktiengesellschaftsgeführten Unternehmens war. Die haben sich in den letzten Jahren dieser Frühverrentungsgeschichte bedient. Das war im Wesentlichen nicht die Politik.
Das ist das eine. Ich will das ausdrücklich sagen, weil sonst die Diskussion nicht ehrlich geführt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist etwas ganz anderes, ob ich mit der Einlösung dieser Einsicht ausgerechnet bei den Schichtdienstbeamten der Polizei beginne. Das ist etwas ganz anderes.
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass dieser Entscheidung auch ein falsches Bild von der Arbeit unserer Polizei zugrunde liegt. Ich sage das ganz ohne jeden Vorwurf.
Ich gebe offen zu, seitdem wir regelmäßig zwei- oder dreimal im Jahr diese Nachtschicht mitmachen, hat sich auch mein Bild ein wenig verändert, obwohl die Inspektionen so opulent besetzt sind, wie man das überhaupt nicht glauben will.
Wenn wir dort hinkommen, treten sie sich quasi auf die Füße, so viele Beamte sind in dieser einen Nacht anwesend. Sie sind aber so ehrlich zu sagen, dass sie nur in dieser einen Nacht anwesend sind und in einer norm alen Nacht die Präsenz anders aussieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Job geht auf die Knochen. Ich weiß, dass der Ministerpräs ident vor gar nicht allzu langer Zeit einmal geäußert hat, wenn es um die Lebensarbeitszeit geht – eine Formulierung, die mir sehr eingeleuchtet hat –, dann bin ich dafür – sinngemäßes Zitat –: Beginnen wir nicht bei den Stahlkochern. –
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr für diese Formulierung: Dann beginnen wir nicht bei den Stahlkochern. Dann beginnen wir nicht bei denen, denen der Job wirklich auf die Knochen geht. Deswegen sind wir dagegen, gerade bei ihnen anzufangen.
(Ministerpräsident Beck: Das stimmt alles nicht! Das ist ganz schön dünn, was Sie jetzt machen! – Kramer, CDU: Weil es Ihnen nicht passt!)
Gesetzlich bis 65! Was glauben Sie denn, was faktisch passiert, wenn Sie bei der Polizei die Lebensarbeitszeit erhöhen? – Keiner von Ihnen, die Sie hier sitzen, hat die Vorstellung, dass dann in Zukunft die Polizeibeamten bis zu dem Tag im Dienst sind, bis zu dem Sie das gesetzlich bestimmen. Keiner von Ihnen hat diese Vorstellung!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe davon gesprochen, nach Maßgabe der Finanzkraft und auch nach Maßgabe der Praktikabilität. Wenn wir über Überstunden bei der Polizei diskutieren, wenn wir darüber diskutieren, was alles weggesteckt wird, wenn man sozusagen nur einen Streifenwagen in einer rheinland
pfälzischen Mittelstadt in der Nacht von Samstag auf Sonntag hat, und was, wenn es der Zufall blöd meint, in einer Nacht alles auf diesen einen Streifenwagen zukommt, dann darf ich den Polizeibeamten nicht die Motivation nehmen, die allein dazu führt, dass die Sache noch glimpflich abläuft. Dann erweise ich der Sache einen Bärendienst, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch deswegen sind wir dagegen.
Ich komme nun zu einem dritten und letzten Punkt, weil uns die Frage natürlich weiter beschäftigen wird. Ich sagte zu Beginn, im Grunde beginnen wir in diesen Tagen mit der Debatte über den neu aufzustellenden Doppelhaushalt. Wir beginnen jetzt mit der Debatte, auf welchem Weg das Sparen wie möglich ist. Jenseits aller Polemik und aller Zuspitzung: Ich tue mich mit dieser Frage sehr schwer. Ich tue mich nicht deshalb schwer damit, weil es sozusagen nicht der Job einer Opposition ist, Sparprogramme zu verkünden. Das ist noch einmal ein anderes Problem. Ich tue mich mit dieser Frage genauso schwer wie all diejenigen, die sie auf der Regierungsbank beantworten müssen. Sie ist auch nicht leicht zu beantworten. Sie ist ungeheuer schwer zu beantworten.
Natürlich beinhaltet dieser Doppelhaushalt auch nach den Beschlüssen, die heute über den Nachtrag gefasst werden, noch das eine oder andere Potenzial, wo man noch ein bisschen etwas wegnehmen kann. Man kann ein paar Programme kippen – das kann man alles noch machen –, aber die Größenordnung, die am Ende zusammenkommt, wird nicht reichen. Ich denke, die Diskussion der letzten Wochen hat gezeigt, dass die Größenordnung, die auf dem Wege des herkömmlichen Sparens zusammenkommt, am Ende nicht ausreichen wird, um den Sparbetrag zusammenzubekommen, der erforderlich ist, um den Haushalt einigermaßen im Lot zu halten. Deswegen komme ich immer mehr zu dem Ergebnis, dass wir dies nur durch Entscheidungen mit einem mittel- und langfristigen Sanierungserfolg schaffen werden.
Wenn wir über mittel- und langfristige Sanierungserfolge reden, reden wir in Wahrheit über ein Thema, nämlich über die Personalkosten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mehr als 40 % unseres Landeshaushalts sind festgelegt durch Personalkosten. Die Frage ist, wie man an diesen Kostenblock herankommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesen Kostenblock kann man auch nur sehr begrenzt herangehen. Wenn man den im Dienst befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer mehr Aufgaben aufbrummt, ist diese Ressource sozusagen irgendwann auch erschöpft. Wenn wir ernsthaft an den Personalkostenblock herangehen wollen – ich denke, dazu gibt es keine andere Alternative –, wird es uns, auch wenn das aus der Regierung niemand gern hört, nicht erspart bleiben, über eine Verwaltungsreform oder eine Behör
denstruktur zu diskutieren, die es möglich macht, dass mit weniger Personal mindestens die gleiche Leistung erbracht wird.
Das klingt nun ein bisschen wie die Quadratur des Kreises, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Kollege Pörksen, das kann aber nur derjenige sagen, der sich mit dieser Frage noch nie beschäftigt hat; denn es ist nicht die Quadratur des Kreises, sondern es ist eine lösbare Aufgabe.
(Ministerpräsident Beck: Nichts Konkretes! – Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU – Zurufe aus dem Hause)
Ich bin gern bereit, einen Moment zu unterbrechen, aber dann darf das auf meine Redezeit nicht angerechnet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, von diesen 580 Millionen Euro bereinigen wir 300 Millionen durch Einmaleffekte. Sie stehen uns nicht mehr zur Verfügung. Ich weiß gar nicht, ob ich das kritisieren soll. Aber ich will darauf hinweisen, das nächste Mal wird das nicht mehr gehen. Dann ist das erschöpft; denn alles, was wir jetzt verkauft haben, ist verkauft. Da müssen wir uns schon etwas anderes einfallen lassen. Deswegen komme ich immer wieder auf diesen Punkt zu sprechen; denn ich sehe gar keinen anderen Ausweg, als dass wir über eine deutliche Veränderung unserer Behördenstruktur an die Personalkosten herangehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet, dass uns Strukturveränderungen nicht erspart bleiben.
Ich nenne nur Stichworte. Wir werden dazu als CDU unseren Beitrag leisten, indem wir uns in den Sommermonaten dieses Jahres mit diesen Fragen im rheinlandpfälzischen Landtag etwas intensiver auseinander setzen.
Standardöffnungsgesetz. – Meine sehr verehrten Damen und Herrn, wenn ich es richtig sehe, ist die mehrheitliche Vorstellung der Landesregierung etwas anderes. Sie möchte bei dem Gesetz, auf das wir nun schon seit vielen Monaten warten und das offenbar nur sehr schwierig zustande kommt, nicht die Standards öffnen, sondern sie möchte die Standards vereinfachen. Manch einer meint, das sei dasselbe. Es liegen aber Welten dazwischen. Wenn ich Standards vereinfache, gebe ich als Gesetz- oder Verordnungsgeber sozusagen einen neuen verbindlichen, vielleicht reduzierten Standard vor. Wenn ich Standards öffne, tue ich etwas grundlegend anderes. Wenn ich Standards öffne, delegiere ich die
Deswegen bin ich gar nicht so sehr für Standardvereinfachung, sondern für Standardöffnung. Wir sollten den Leuten zutrauen, selbst in eigener Verantwortung zu entscheiden, was sie für notwendig halten und was nicht.
Ich bin sicher, dass wir auf den Gesetzentwurf der Landesregierung nicht zuletzt deshalb so ewig lange warten, weil der Versuch unternommen wird, Standards zu vereinfachen. Das wird wenig bringen. Der Ertrag wird sehr gering sein.
Ich denke an die gesetzlichen Vorgaben, an die Landespflege, an Mehrfachzuständigkeiten in unserer Behördenstruktur, ein sehr wichtiges und großes Thema, wo die Akten verschoben werden. Es ist kein böser Wille, dass dies entstanden ist. Natürlich gab es für jede einzelne dieser Entscheidungen irgendwann in den letzten 500 Jahren einmal gute Gründe. Aber die Zeit heute ist eine andere, und wir müssen uns überlegen, was wir uns an Aufwand leisten.
Ich nenne das Stichwort „Rückverlagerung von Entscheidungen nach unten“. Ich denke, es gibt keinen anderen Weg, um wieder politische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.