Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

(Kuhn, FDP: Genau!)

Wir werden eine deutliche Zunahme der Hochbetagten haben und damit einhergehend eine Zunahme Pflegebedürftiger und – wie wir eben gesagt haben – Demenzkranker oder Alzheimerkranker. Wir werden eine Zunahme Alleinlebender haben. Die Familienstrukturen ändern sich. Also müssen zu dem Thema, wer nachher noch pflegt, Fragen gestellt werden und auch wirklich Antworten gegeben werden. Heute können wir wirklich nur die Fragen anreißen. Das Thema wird nicht nur sein, wie wir das finanzieren, sondern das ganz wichtige Thema wird sein, wer noch die Pflegeleistungen erbringt. Ein Euro hat keine Hände, um Menschen zu waschen und zu pflegen.

(Beifall bei der CDU)

Die Sorge ist für mich viel bedrängender, dass das später einmal, so wie das heute zum Teil schon in Japan erfolgt, über Roboter und Computer geschehen soll. Ich hoffe, da werden wir hier zusammen, und zwar mit mehr Zeit und in verantwortlicher Weise, Wege finden, wie wir das vernünftig klären können. Dann will ich auch über eine Greencard für Pflegekräfte diskutieren können, ohne dass einem das direkt wieder mit dem Thema „Zuwanderungsgesetz“ um die Ohren gehauen wird. Wir müssen bereit sein, in alle Richtungen nachzudenken,

um den Menschen zu helfen. Das werden auch einige derer sein, die heute hier sitzen.

Vielen Dank. (Beifall der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Dröscher.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch ganz kurz auf die Finanzierung eingehen. Zunächst noch einmal eine Klarstellung: Von Anfang an war klar, dass die Arbeitseinkommen zwar belastet werden, aber die Arbeitgeber aus dieser Belastung draußen bleiben. Wir haben dafür den Buß- und Bettag abgeschafft.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Man muss deutlich sagen, wer die Belastung dieser Pflegeversicherung trägt.

(Kramer, CDU: Sehr gut!)

Von Anfang an war auch klar – ich habe hier das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“ von 1994 –, dass das Pflegeversicherungsgesetz auch ein politisches Experiment in Sachen Kostendämpfung war, dessen Ausgang damals offen gesehen wurde.

(Kramer, CDU: Genau!)

Es wurde damals deutlich gesagt, die Versicherung deckt nur einen Teil der Kosten. Die finanzielle Auseinandersetzung wird uns nicht erspart werden.

Ich will aber noch einen anderen Punkt ansprechen. Die Pflegeversicherung hat auch die Qualität der Diskussion verändert.

Ich erinnere mich, dass die Ärzte vor zehn Jahren sich nur sehr wenig in diese Diskussion einbinden ließen, Pflegebedürftigkeit möglichst nichts mit Krankheit zu tun haben sollte und auf die Familien geschoben wurde. Das hat sich erheblich verändert. Wir diskutieren heute sehr viel qualifizierter über diese Dinge.

Es gelingt uns, auch darüber nachzudenken – wenn wir an eine Neujustierung, die qualitativen Anforderungen und an die Pflegeversicherung denken –, ob es so sein muss, dass mehr ältere Menschen unbedingt auch viel mehr Pflegebedürftigkeit bedeuten. Ich bin der Meinung, wir müssen durch Prävention und Rehabilitation, die wir wieder mehr in den Mittelpunkt stellen, mehr tun und einiges bewegen, dass wir Menschen in ihrer Selbstständigkeit stärken und dafür sorgen, dass Pflegebedürftigkeit nicht der automatische Preis für die längere Lebensdauer ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich glaube, das ist ein wesentlicher Teil unserer Bem ühungen. Das muss die finanziellen Überlegungen, denen wir uns mit Sicherheit stellen müssen, zumindest ergänzen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich sehe da sogar den Hauptansatz.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Marz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schmitz, wenn Sie schon nichts mehr als Fragen zustande bringen, dann sollten Sie wenigstens zuhören können. Ich habe natürlich nicht die Aktualität des Themas in irgendeiner Weise infrage gestellt. Ich habe nur eingefordert, dass es wenigstens ein Mindes tmaß an sachlicher Tiefe der Diskussion gibt, zu der Sie allerdings absolut und überhaupt nichts beigetragen haben, noch nicht einmal mit Ihren Fragen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Ihre Fragen waren keinesfalls anspruchsvoller als vielleicht die Frage nach der Uhrzeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben darüber hinaus auch keine eigenen Vorstellungen in die Diskussion eingebracht, nur ein paar Andeutungen.

(Kramer, CDU: Genau!)

Warum haben Sie das nicht getan? Denn die Vorstellungen existieren. Ich weiß nicht, ob sie bei Ihnen existieren. Aber zumindest in Ihrer Partei existieren sie. Sie haben es nicht getan, weil Sie mit allen Vorschlägen, die aus Ihrer Partei kommen, die sich mit dem sozialen Sicherungssystem beschäftigen, versuchen, die Axt an die solidarischen Versicherungssysteme zu legen. Dass Sie das mit diesem Koalitionspartner nicht können und ihm das zu weh tut, wissen Sie auch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Deshalb müssen Sie sich hier in Allgemeinplätzen ergehen.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Dann müssen Sie auch noch falsche Behauptungen aufstellen.

Die Abschaffung des Buß- und Bettags im Zuge der Einführung der Pflegeversicherung ist nicht das „Ver

dienst“ der FDP, sondern es war das Zugeständnis der Gewerkschaften im Zuge dieser Reform zur Kostendeckung und zum Ausgleich von Kosten für den Faktor Arbeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist mehr als zynisch, sich heute acht Jahre später diesen Kompromiss selbst an das Revers zu heften.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, erlauben Sie mir einen letzten Satz.

Natürlich haben wir in dieser Frage der Zukunft der Pflege nicht alle Zeit der Welt. Selbstverständlich drängen die Probleme. Aber wir müssen uns schon etwas Zeit lassen, um seriöse Konzepte für die Zukunft entwickeln zu können und nicht mit irgendwelchen nichts sagenden Schnellschüssen sich das Thema ans Revers heften, aber ansonsten in der Sache nicht weiterkommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe nun das zweite Thema der

AKTUELLEN STUNDE

auf:

„Drohender Ausbildungsplatzkatastrophe in Rheinland-Pfalz entgegenwirken“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2098 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem entscheidenden Einbruch auf dem Ausbildungsplatzmarkt Mitte der 90er-Jahre hat die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Öffentlichkeit und in sehr vielen parlamentarischen Initiativen immer wieder auf den ständigen Mangel an Ausbildungsplatzangeboten hingewiesen.

Die Lehrstellensituation droht gerade und ganz besonders extrem auch in diesem Sommer zu einer echten Katastrophe zu werden. Im Moment gehen sogar die Arbeitgeberverbände von bundesweit bis zu 100.000 fehlenden Lehrstellen aus.

Einem Presse-Info des Landesarbeitsamts RheinlandPfalz von gestern zufolge sind bis Ende März 11,2 % weniger Ausbildungsplätze gemeldet worden als im