Einem Presse-Info des Landesarbeitsamts RheinlandPfalz von gestern zufolge sind bis Ende März 11,2 % weniger Ausbildungsplätze gemeldet worden als im
Vorjahr. Für einen rein rechnerischen Ausgleich zwischen Ausbildungsplatzangebot und Nachfrage fehlen noch 9.600 Ausbildungsplätze in unserem Bundesland.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, alle jungen Menschen in Rheinland-Pfalz, die das wollen, haben nach Abschluss der allgemein bildenden Schule ein Recht auf berufliche Ausbildung.
Die Partner im dualen System der beruflichen Ausbildung, also die Wirtschaft und die öffentliche Hand, sind verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen den jungen Menschen anzubieten und den Unterricht an den berufsbildenden Schulen zu gewährleisten.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Angebot an Ausbildungsplätzen darf und kann sich nicht einfach nach jährlichen Konjunkturschwankungen entwickeln, nämlich ein System, das jährlich weit mehr als die Hälfte aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger aufnimmt, ist gerade darauf angelegt, dass es jedes Jahr zuverlässig genügend Ausbildungsplatzangebote bietet. Das müssen die Partner gemeinsam gewährleisten. Darauf haben die jungen Menschen einen Anspruch.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor einer Woche hat der DGB Rheinland-Pfalz vor der bevorstehenden Ausbildungskatastrophe gewarnt. Der DGB-Landesvorsitzende, Herr Muscheid, hat auf den Rückgang der Ausbildungsplatzangebote bereits im Vorjahr hingewiesen und noch einmal – meiner Meinung nach absolut zu Recht – dargestellt, dass auch in Rheinland-Pfalz die Hälfte der Unternehmen, die die Ausbildereignungsverordnung erfüllen, das heißt, die, die ausbilden könnten, keinen einzigen Ausbildungsplatz anbietet. Also ist bereits jetzt für dieses Ausbildungsjahr festzustellen, dass ein Partner des dualen Systems, nämlich die Wirtschaft, seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Ob er es nicht will oder nicht kann, sei erst einmal dahingestellt.
Meine Damen und Herren, es muss oberstes Prinzip und oberstes Ziel der Politik auch in diesem Land sein, dem Recht auf Bildung und Ausbildung Geltung zu verschaffen.
Für die Jugendlichen des Ausbildungsjahrgangs 2003/2004 besteht die akute Gefahr, von der Politik wegen defizitärer öffentlicher Haushalte und eben auch von der Wirtschaft wegen der zugegebenermaßen etwas schwierigen konjunkturellen Lage im Stich gelassen zu werden.
Allein zaghafte Appelle an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, können kein ausreichendes Mittel mehr sein. All die guten Worte nützen nichts. Jetzt müssen wir endlich reagieren. Jetzt müssen Taten her.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist es uns, den Druck auf die Betriebe zu erhöhen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten.
Wir müssen auf Anreize für Ausbildungsbetriebe drängen, die auch – dies sage ich ganz bewusst – von den nicht ausbildenden Betrieben mitgetragen und mitfinanziert werden.
Über die Kostenverteilung im dualen System muss, wenn es nicht anders geht, neu geredet werden. Das können wir der Wirtschaft und den Unternehmen nicht ersparen. Ziel müssen mehr betriebliche Ausbildungsplätze sein.
Wir müssen ehrlich sein: Die wirtschaftsfördernden und die betriebsunterstützenden Programme und Maßnahmen der Landesregierung reichen erkennbar nicht aus, um auch nur annähernd genügend Ausbildungsplätze zu schaffen.
Während die rotgrüne Bundesregierung auf die dramatische Entwicklung mit einer neuen Ausbildungsplatzoffensive reagiert, hat die Landesregierung im gleichen Zeitraum die Mittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation im Nachtragshaushalt um 2 Millionen Euro gekürzt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die aktuelle Situation am Ausbildungsmarkt ist ohne Zweifel Anlass zu großer Sorge. Über 13 % weniger Ausbildungsplätze allein im vergangenen Monat – Herr Kollege Wiechmann hat darauf hingewiesen – und wahrscheinlich über 100.000 fehlende Ausbildungsplätze überhaupt stellen ein Problem dar.
Dies mit der schlechten Konjunktur und den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu begründen, wäre sichtlich zu kurz gegriffen und falsch. Es ist aber nicht nur ein politisches Problem, das mit politischen Vorgaben beseitigt werden kann. Vielmehr ist es ein gesellschaftspolitisches Problem, an dem alle beteiligt sind,
insbesondere die Unternehmen, die eigentlich im Eigeninteresse handeln müssten. Die Politik kann hierzu nur Rahmenbedingungen vorgeben.
Deshalb begrüßen wir die Ankündigung der Bundesregierung, eine Ausbildungsplatzoffensive zu starten, um mehr Unternehmen zu gewinnen, damit jungen Menschen Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Auch Hartz zeigt Reformen auf, um in Problemzentren sowie bei benachteiligten Gruppen Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Reform der Berufsausbildung ist sicherlich dringender denn je.
Ziele müssen dabei sein, Ausbildung unabhängig von der wirtschaftlichen Lage zu gewähren, weiteren Ausbau der Verbundausbildung zu betreiben und neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Ausbildungsstätten und berufsbildende Schulen müssen weiter verbessert werden, die Ausbildung muss europatauglich ausgerichtet werden, und regionale Kooperation und Verantwortung vor Ort ist zu stärken.
Meine Damen und Herren, deshalb apellieren wir mit Nachdruck an Unternehmen und Verbände, ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachzukommen. Die Zusagen des Bündnis für Arbeit sind einzulösen. Es muss endlich dazu kommen, dass jedem jungen Menschen, der kann und will, ein Ausbildungsplatzangebot gemacht werden kann.
Nur noch 30 % der Unternehmen bilden heute aus. Das ist zu wenig und auch unverständlich; denn es ist zu ergründen, weshalb sich rund 47 % der ausbildungsberechtigten Betriebe von der Ausbildung zurückziehen. Im Eigeninteresse müssten sie dieses verstärken. Allein in Rheinland-Pfalz gehen auf diese Weise bei rund 30.000 Betrieben Ausbildungsplätze verloren.
Eine weitere große Gefahr besteht für unsere berufsbildenden Schulen. Die Abgänger müssen natürlich weiter
in unseren berufsbildenden Schulen beschult werden. Das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundschuljahr werden derart überfordert werden, dass sie den Rahmen des Bisherigen sprengen werden.
Wenn diese Maßnahmen nicht von den Unternehmen mit verbessert werden, dann muss die Politik Maßnahmen ergreifen, um zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen zu können.
Welche Instrumentarien die richtigen sind – beispielsweise eine Ausbildungplatzabgabe oder eine Steuer –, ist sorgfältig zu prüfen, damit das nicht konträr zu den Zielen geschieht, die wir anstreben.
Meine Damen und Herren, die Reform der Berufsausbildung ist dringend notwendig. Sie wird eines der zentralen bildungspolitischen Projekte der kommenden Monate sein. Die SPD in Rheinland-Pfalz wird das ausdrücklich unterstützen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder junge Mensch, der kann und will, erhält einen Ausbildungsplatz. – So lautete die Aussage der Wirtschaftsverbände und der Bundesregierung. Fakt ist, dass nach den aktuellen Zahlen bundesweit etwa 190.000 offenen Lehrstellen rund 330.000 Bewerber gegenüber stehen. Schon jetzt sind unter den Arbeitslosen in RheinlandPfalz etwa 13,6 % unter 25 Jahre alt.