Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren! Herr Billen, Sie haben es zum Schluss selbst gesagt: Es kann sein, dass diese Maßnahme etwas vorgezogen wurde. Die Perspektive ist doch, dass das, was die Amerikaner jetzt machen, der Abbau von Zivilarbeitsplätzen, etwas ist, was in einer langen Tradition der letzten zehn Jahre steht und auch noch weitergehen wird.

Die Zivilarbeitsplätze an US-Militärstandorten – ich will dies in Zahlen sagen – sind in zwölf Jahren, also von 1990 bis 2002, von 19.329 Zivilbeschäftigten auf 8.311 zurückgegangen. Diese sind übrig geblieben.

Meine Damen und Herren – dies ist auch an die Landesregierung gerichtet –, die letzten Wochen und Monate haben nur deutlich gezeigt, dass dieser Abbau weitergeht und wir noch nicht am Ende sind.

Meine Damen und Herren, darum sage ich noch einmal deutlich, auch an Sie, Herr Beck, wer jetzt darauf baut,

dass eine Region durch zivile Arbeitsplätze beim Militär entwickelt werden kann, der hat auf Sand gebaut.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einmal die einzelnen Punkte sagen. Es sind nicht nur die Gerüchte.

(Zuruf von der SPD)

Nein, ich halte es für sehr entscheidend, eine langfristige Perspektive für die Regionen zu entwickeln.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Da gibt es natürlich die Gerüchte, dass es in Deutschland von 70.000 auf 10.000 amerikanische Soldatinnen reduziert werden soll. Da gibt es die umfassenden Standortschließungen in Hessen. Wer weiß, wer in Rheinland-Pfalz in nächster Zeit davon betroffen sein wird?

Aber es sind die vielen weniger spektakulären Maßnahmen, wie sie Frau Leppla heute schon angeführt hat. Das ist einmal, dass immer mehr deutsche Zivilbeschäftigte durch amerikanische ersetzt wurden.

Herr Billen, Ihr Engagement in allen Ehren. Natürlich ist es wichtig, für die einzelne Person etwas zu machen. Ich denke aber, ein zukunftsfähiger Arbeitsplatz ist nicht beim Militär zu schaffen.

Meine Damen und Herren, es gibt noch weitere Dinge. Nun wird alles stärker auf Standorte konzentriert. Darüber hinaus werden Arbeitsplätze nach Amerika verlegt. 240 zivile Arbeitsplätze sind gerade in Kaiserslautern weggefallen.

Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich die Pläne der amerikanischen Regierung und des NATOOberbefehlshabers Jones ernst nehmen. Auch hier müssen Kosten reduziert werden. Die Anzahl der Soldaten soll sich auf eine Minibesetzung in den meisten Standorten reduzieren. Das heißt, dass hierbei alle zivilen Arbeitsplätze für deutsche Zivilbeschäftigte verloren gehen. An den großen Militärbasen – es kann gut sein, dass Ramstein zu den großen Militärbasen Europas gehört, die noch erhalten bleiben – sollen die Soldatinnen und Soldaten nur noch für einen kurzen Zeitraum über drei, vier oder vielleicht sechs Monate ohne ihre Familien anwesend sein.

(Zurufe aus dem Hause)

Das muss doch alles in die Perspektive einbezogen werden. Dadurch verlieren natürlich Hotels, Restaurants usw. ihre Möglichkeiten. Außerdem gehen Arbeitsplätze und die Möglichkeiten für diejenigen verloren, die Häuser vermieten.

Meine Damen und Herren, das sind Perspektiven, denen man sich stellen muss und denen sich auch eine Landesregierung stellen muss.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird Sie natürlich nicht wundern, dass wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Entwicklung nicht als Bedrohung, sondern vor allen Dingen als Chance begreifen, als Chance für die Region. Ich weise darauf hin, dass diese Regionen, um die es geht, Eifel, Hunsrück und Westpfalz, jahrhundertelang vom Militär in ihrer Entwicklung eingeschnürt worden sind.

(Böhr, CDU: Eifel?)

Natürlich auch die Eifel, und zwar nicht erst durch die Besetzung der Amerikaner vor 60 Jahren. Hier hat es immer Kriege und kriegerische Einrichtungen gegeben,

(Dr. Weiland, CDU: Das ist ja unglaublich!)

die die Entwicklung eingeschnürt haben.

(Böhr, CDU: Peinlich, was Sie abliefern!)

Deshalb ist es wichtig, diesen leidgeprüften Regionen andere Perspektiven als militärische Perspektiven zu bieten; denn das ist keine Zukunftsperspektive für diese Regionen. (Dr. Altherr, CDU: Welche haben Sie denn? – Dr. Weiland, CDU: Sie haben doch gar keine!)

Wenn wir diese Perspektive ändern und den Blick frei machen und das Geld frei machen für eine zivile Perspektive dieser betroffenen Regionen, dann werden wir meines Erachtens zu alternativen zivilen Arbeitsplätzen kommen; denn auch wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen uns für eine positive wirtschaftliche Entwicklung und für mehr Arbeitsplätze in Eifel, Hunsrück und Westpfalz ein. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, wie sehr wir die Konversionsprojekte unterstützt haben, sei es in Bitburg, in Zweibrücken oder in Pirmasens. Das ist für uns wichtig. Wir wollen, dass die Arbeitsplätze in diesen Regionen zukunftsfest und nicht auf Sand gebaut sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste begrüße ich Mitglieder des Einschulungsjahrgangs 1945 aus Bellheim. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht nun Frau Staatsministerin Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Billen, das, was Sie behaupten, ist einfach nicht wahr. Es wird auch nicht dadurch wahrer, dass wir es immer wieder – sozusagen wöchentlich – hören.

Man muss die Geschichte unseres Landes betrachten und zur Kenntnis nehmen, dass in Rheinland-Pfalz seit Ende des Kalten Krieges Truppen der alliierten Streitkräfte und der Bundeswehr abgebaut werden: 80.900 Soldaten einschließlich der Bundeswehr und 24.320 Zivilbeschäftigte einschließlich der Bundeswehr. Wenn irgendetwas an Ihrer Argumentation wahr sein sollte, dann erklären Sie mir doch bitte, mit welchem angeblichen politischen Fehlverhalten der damaligen KohlRegierung es zusammenhing, dass wir einen dramatischen Rückgang der Zahl der Zivilbeschäftigten bei den US-Streitkräften zu verzeichnen haben.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP – Zurufe von der CDU – Ministerpräsident Beck: Das ist genau die Logik, die Ihr aufgebaut habt! – Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis für eine temperamentvolle Auseinandersetzung erinnere ich daran, dass wir nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen.

(Beifall der SPD)

Man verstärkt Argumente nicht dadurch, indem man brüllt.

(Beifall der SPD)

Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Herr Abgeordneter Billen, es ist übrigens nicht wahr, dass sich die US-Streitkräfte im Bereich der Investitionen zurückziehen. Auch das wurde seitens der Landesregierung immer wieder richtig gestellt. Herr Abgeordneter Dr. Schmitz hat Gott sei Dank darauf hingewiesen, dass in Ramstein alles nach Plan läuft. Die Amerikaner investieren mehr als ursprünglich geplant. Das sind Fakten, die man in diesem Zusammenhang endlich zur Kenntnis nehmen sollte.

Strategische Überlegungen waren es selbstverständlich, die dazu geführt haben, dass Rheinland-Pfalz seit diesem Zeitpunkt, den ich vorhin genannt habe, immer wieder von Maßnahmen des Personalabbaus betroffen war. Das ist auch völlig logisch, und das hat Herr Dr. Schmitz bereits dargestellt. Die Welt verändert sich. Dementsprechend werden strategische Planungen im militärischen Bereich vorgenommen. Darauf haben Sie als Abgeordnete, die Landesregierung und auch die Bundesregierung relativ wenig Einfluss.

Nach der Osterweiterung der NATO und einer grundsätzlichen Reorganisation der amerikanischen Streitkräfte weltweit ist zu erwarten, dass es in Zukunft zu

weiteren Truppenverlagerungen und Umstrukturierungen auch in Europa kommen wird. Zuletzt wurde dies in Zeitungsberichten vom 29. April 2003 aus dem Pentagon dargestellt. Natürlich müssen wir uns darauf einstellen. In Europa befinden sich derzeit noch 499 amerikanische Standorte, die danach um 20 % reduziert werden sollen. Dadurch wird deutlich, dass es in den nächsten zwei Jahren sicherlich zu weiteren Truppenverlegungen in Europa kommen wird.

Ich möchte noch kurz auf den Wortbeitrag von Frau Abgeordneter Grützmacher eingehen. Selbstverständlich müssen wir uns in Zukunft wie bereits in der Vergangenheit darauf einstellen, dass es weitere Entscheidungen seitens der US-Streitkräfte geben wird, die sich möglicherweise negativ auf die Zivilbeschäftigten in Deutschland auswirken. Dennoch ist es unsere allererste Pflicht, zu versuchen, die Arbeitsplätze in diesem Bereich zu sichern.

(Beifall bei SPD und FDP)

In diesem Zusammenhang erinnere ich an den Kaiserslauterner Bereich, zum Beispiel an das General Support Center Europe, wo immerhin noch 1.200 Menschen beschäftigt sind. Natürlich muss es unser Interesse sein, dass diese noch möglichst lang dort beschäftigt sind.

(Beifall bei SPD und FDP)

Unabhängig davon müssen wir natürlich gemeinsam mit den Kommunen vor Ort Strategien entwickeln für den Fall, dass Zivilbeschäftigte ihre Arbeit verlieren. Ich denke, Kaiserslautern ist auch hierfür ein gutes Beispiel. Dabei erinnere ich an ein Konversionsprojekt in diesem Bereich, nämlich an die ehemalige Holtzendorfkaserne. Ich denke, dass wir dabei sehr gute Akzente gemeinsam setzen konnten und Alternativen geschaffen haben.

(Beifall bei SPD und FDP)