Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Lieber Herr Kollege Rosenbauer, ich habe Ihnen keine Ratschläge zu erteilen, wie man eine Aktuelle Stunde aufzieht. Ich kann mir aber die Bemerkung nicht verkneifen, dass das schon reichlich dünn war, dünner als das, was wir sonst so erleben, und das soll schon einiges heißen.
In dieser Magerkeit war es auch noch besonders dreist. Ich könnte mir – nein, ich tue es nicht –, ich erspare mir nicht den Hinweis, dass Ihre Partei über Jahre, man kann fast sagen, über Jahrzehnte, die Verantwortung für die Gesundheitspolitik in diesem Land nicht wahrgenommen hat, Sie mit mehreren Reformversuchen kläglich gescheitert sind und wir heute noch daran zu knabbern haben, was Sie insbesondere in den 90er-Jahren zuwege bzw. nicht zuwege gebracht haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nicht so weit zurückgehen. Was wir heute erleben, was wir heute von Ihnen erlebt haben, was wir bundesweit von der CDU erleben, ist nur die oppositionelle Fortsetzung der regierungsamtlichen Unfähigkeit mit anderen Mitteln. Was machen Sie heute? Warum reden Sie nicht mit Ihrem Parteifreund Roland Koch auf der anderen Rheinseite. Was macht der? Bei jeder Veränderung knickt er vor der Pharmalobby ein und versucht, jede Veränderung zu blockieren, wenn es darum geht, die Kosten für Arzneimittel einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Wir brauchen nicht in die 90er-Jahre zurückgehen und auch nicht zum Kollegen Koch nach Hessen. Wir können uns auch beim Kollegen Rosenbauer aufhalten.
Da gibt es den Vorschlag, die Kassenärztlichen Vereinigungen zusammenzulegen. Wir haben in RheinlandPfalz vier bei bundesweit insgesamt 16. Da kann man sagen, wir sind Spitze. Aber, bitte. Es gibt den sinnvollen Vorschlag, da etwas zu tun. Was macht Herr Kollege Rosenbauer? Er jammert herum und führt das Arbeitsplatzargument an. Sie jammern.
Ich will aber nicht meine ganze Zeit für Sie verwenden, sondern noch einige grundsätzliche Anmerkungen zur Reform machen. Wir werden gleich noch erleben, wie es die Landesregierung hält. Das wissen wir noch gar nicht.
Ich will zunächst einmal grundsätzlich festhalten: Es nützt dem Gesundheitssystem nichts, immer mehr Geld hineinzupumpen. Es nützt dem Gesundheitssystem aber auch nichts, ihm einfach nur Geld zu entziehen. Das
Problem ist, dass wir strukturelle Mängel im Gesundheitssystem haben, die wir erst einmal beseitigen müssen. Dann können wir auch über Geld reden.
Ein Mangel – den haben Sie grandios mit zu verantworten – ist, dass wir in unserem Gesundheitssystem für alle Beteiligten fast keine Anreize haben, sich wirtschaftlich zu verhalten. Für alle Beteiligten, die im Gesundheitssystem involviert sind, gibt es kaum Anreize, sich im Sinn des Systems wirtschaftlich zu verhalten.
Das Thema „Prävention“ hat einen wesentlich zu geringen Stellenwert. Es findet zu wenig Steuerung in der Therapie statt. Es gibt zu viele versicherungsfremde Leistungen bzw. allgemeine gesellschaftspolitische Aufgaben, die auf die Krankenversicherungen abgewälzt werden.
Es gibt noch viele andere Mängel, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung versucht zurzeit, diesen Mängeln endlich Herr zu werden, indem sie Anreize für wirtschaftliches Handeln schafft, indem Boni-Systeme für Patienten eingeführt werden, indem Patienten mehr Rechte eingeräumt werden und indem mehr Transparenz geschaffen wird. Das ist ein Ansatz, mit dem sich nicht nur Geld sparen lässt, sondern wodurch Strukturen verändert werden können.
Wir machen das nicht nur, weil uns die Kosten unendlich davonzulaufen drohen, sondern weil wir eine Verantwortung für die Arbeitsplätze – nicht nur für die Arbeitsplätze der Kassenärztlichen Vereinigungen in RheinlandPfalz – insgesamt haben. Deshalb müssen wir die Lohnnebenkosten senken, meine Damen und Herren. Wenn wir das wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Beiträge für die Krankenversicherung nicht ins Astronomische steigen.
Natürlich erhalten wir in diesem Zusammenhang die solidarische Krankenversicherung. Das ist ein zentraler Punkt unseres Handelns, aber wir trauen uns endlich, Strukturen zu verändern, statt uns in Lobbyinteressen zu ergehen und blindwütig allen möglichen Interessen zu folgen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kramer hat bereits für die meisten nicht hörbar deutlich gemacht, dass jetzt die Wahrheit kommt. Herr Kramer, ich danke Ihnen. Ich danke auch Herrn Rosenbauer,
dass er das Thema auf die Tagesordnung hat setzen lassen. Wir haben vor 14 Tagen in unserer Fraktionssitzung darüber diskutiert und waren uns sicher, dass Herr Rosenbauer das macht.
Herr Rosenbauer, ich bin Ihnen herzlich verbunden, dass Sie uns die Gelegenheit geben, auf die wesentlichen Punkte einzugehen. Ich stehe für jedes Detail zur Verfügung. Wir fühlen uns als FDP bei diesem Thema so sattelfest und sicher, gerade weil man uns 20 Jahre lang nicht zugehört hat. Deshalb bin ich dankbar für jede Detailfrage. Sie erlauben mir aber, dass ich nicht auf kleine Petitessen eingehe, sondern versuche, den großen Bogen zu schlagen.
Meine Damen und Herren, das Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen: schwierige demographische Situation, bedauernswert hohe Massenarbeitslosigkeit, die sich nicht nur verfestigt, sondern verschlechtert und verschlimmert, und medizinischer Fortschritt, für den wir zwar dankbar sein müssen, weil er die durchschnittliche Lebenserwartung in hoher Gesundheit verbessert und erhält, der aber sehr viel Geld kostet.
In den bisherigen Redebeiträgen ist aber nicht darauf eingegangen worden, was in diesem Gesundheitssystem an sich steckt. Bei vier Millionen Arbeitslosen bedeutet das eine Jobmaschine ohne Ende. Das könnte einer der attraktivsten Dienstleistungssektoren sein, der dabei hilft, unsere Wirtschaft aus der Krise zu führen. Wir leisten es uns nach wie vor, Subventionen in alte Industrien zu stecken und die Bereiche, die reüssieren könnten und in denen sehr viel Potenzial steckt, abzuwürgen, weil wir uns aus unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Ansätzen heraus nicht in der Lage sehen, dieses System zu einem echten Wettbewerbssystem umzubauen.
Meine Damen und Herren, ich bin nicht bereit, mich auf die Diskussion einzulassen, wer in der Vergangenheit was zu verantworten hat und wer welche Details verbockt hat. Als ein Beispiel nenne ich die Positivliste. Herr Rosenbauer, Sie als Fachmann wissen doch, dass die Positivliste von der CDU aufs Tapet gebracht wurde, aber nicht durchsetzbar war. Das war doch keine Erfindung der SPD.
Sie erwähnten ein erstes zartes marktwirtschaftlich orientiertes Wettbewerbspflänzlein, das die CDU mit uns damals anerkennenswerterweise unter Minister Seehofer auf den Weg gebracht hat: Kostenerstattung im Zahnersatzbereich. – Das war den Kollegen von der Sozialdemokratie damals nicht recht. Da haben Sie Recht. Wer hat aber dieses Thema im Wahlkampf fallen lassen wie eine heiße Kartoffel? Das war Ihr Parteifreund Seehofer.
fünf Gesundheitsminister verschlissen hat – wer erinnert sich noch an Frau Lehr und Frau Hasselfeld –, ohne mit den gleichen oder ähnlichen untauglichen Versuchen, wie wir sie jetzt wieder erleben, Erfolg zu haben, der muss bei seinen Attacken sehr vorsichtig und bereit sein, auf die Punkte – – –
Herr Kollege Keller, ich kann es Ihnen erklären. Es wäre aber einfacher, wenn Sie Ihre pädagogischen Möglichkeiten des Zuhörens und Lesens nutzen würden. Wer diese Dinge wissen will – – –
Auf den ausdrücklichen Wunsch von Herrn Kollegen Keller hin sage ich es noch einmal. Repetitio est mater studiorum, Herr Kollege Keller.
Wir wollen eine medizinische Grundsicherung plus privater Ausbaustufen plus Sozialschutz. Wir wollen Kostenerstattung statt Sachleistung, falls Sie mit dem Term etwas anfangen können. Wir wollen echte Patientenrechte. Wir wollen den Erhalt der Freiberuflichkeit statt staatlicher Ambulatorien. Wir wollen die Abschaffung der Budgets, aber wir wollen einen Systemwechsel, den die Union bisher nicht wollte. Den wollte sie auch nicht in der Vergangenheit. Wir können nun über den Grundsatz des Systems oder über Details in der Ausprägung diskutieren. (Glocke des Präsidenten)
Wenn Sie noch etwas dazu wissen wollen, wo wir stehen, dann lesen Sie in der Koalitionsvereinbarung nach. Dort steht nämlich:
Ich erwarte, dass ich die Chance im zweiten Durchgang habe. Herr Kollege Keller, ich werde das dann verlesen.