Protokoll der Sitzung vom 21.06.2001

Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Jahren mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, insbesondere als die Verhandlungen konkreter wurden, dass MülheimKärlich in die Konsensgespräche mit einbezogen wurde; denn nur im Rahmen der Konsensverhandlungen bestand die Chance für eine einvernehmliche Lösung. Nur im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung war es möglich, einen sachgerechten Interessenausgleich durchzuführen. Dies ist gelungen. Darauf sind wir stolz.

(Beifall der SPD und der FDP)

RWE hat im Atomkonsens unterschrieben, die Schadensersatzklage wegen der rechtswidrigen Erteilung der Ersten Teilgenehmigung von 1975 zurückzunehmen. Das Land Rheinland-Pfalz ist auch noch vom Rest der Schadensersatzklage befreit, die noch am Oberlandesgericht anhängig ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle nochmals der Bundesregierung danken, insbesondere auch unserem Bundeskanzler, dass dieses Ergebnis in zähen Verhandlungen erreicht werden konnte.

Meine Damen und Herren, die Stilllegung des Kernkraftwerks führt zu einer Verkleinerung der Betriebsmannschaft. Es kann mit großer Zufriedenheit festgestellt werden, dass das RWE die bereits seit fast zwei Jahren laufende sukzessive Reduzierung der Belegschaft durch zahlreiche Maßnahmen – auch finanziell großzügige Maßnahmen – regelt. Die Arbeitsplätze der

verbleibenden Betriebsmannschaft sind langfristig gesichert. Die Belegschaft wird noch viele Jahre mit der Stilllegung und mit dem Rückbau der Anlage beschäftigt sein. Darüber hinaus werden im Rahmen der Rückbauarbeiten auch zahlreiche Firmen außerhalb der RWE mit verschiedenen Aufträgen beschäftigt, sodass auch dort Arbeitsplätze in der Region erhalten, geschaffen und gesichert werden können.

Meine Damen und Herren, nachdem der Konsens nun unterzeichnet ist, der es möglich macht, einen Umbau der Energieversorgung in Deutschland über die Zeit der Restlaufzeiten der Kraftwerke zu organisieren und hierfür sowohl die wissenschaftlichen als auch die wirtschaftlichen Mittel zu erarbeiten, die für einen solchen Umbau notwendig sind, sind wir ausgesprochen dankbar, dass das Szenario, das von Herrn Kollegen Licht aufgezeigt wurde, dass wir darauf vertrauten, der Strom käme aus der Steckdose, völlig unzutreffend ist. Die Mainzer Thesen zum Atomausstieg empfehle ich nochmals zur Lektüre. Diese gehen genau auf diese Bedenken ein.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Deswegen sind wir sehr froh, dass der Konsens so zustande kam, wie er zustande gekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Atomgesetz wird RWE den Antrag auf Erteilung einer neuen Ersten Teilgenehmigung und einer Dauerbetriebsgenehmigung zurücknehmen. Nach dem In-Kraft-Treten dieser Gesetzesnovelle wird es das Schadensersatzverfahren beenden, sodass die Landesregierung ein sehr hohes Interesse daran hat, dass das Gesetzgebungsverfahren zur Atomgesetznovelle rasch und zügig abgeschlossen wird.

Gleichwohl beginnen wir bereits jetzt mit der Bearbeitung des vorliegenden Stilllegungsantrags für das Kraftwerk. Ich darf einiges skizzieren, wie sich dieser Ablauf darstellen wird. Nach den Planungen der Kraftwerksbetreiberin soll der Rückbau in drei großen Abschnitten erfolgen. Im ersten Schritt soll vor allem Folgendes genehmigt werden:

1. Entlassung aller atomrechtlich genehmigten nicht nuklearen Systeme und Einrichtungen aus der atomrechtlichen Aufsicht.

2. Genehmigung des für die Stilllegung und den Rückbau erforderlichen so genannten Restbetriebs der Anlage.

3. Festlegung der Kriterien für die Freigabe von Anlageteilen und Gebäuden sowie von Reststoffen.

4. Abbau bestimmter nicht radioaktiver beaufschlagter Systeme und Komponenten des Sekundärkreislaufs und der Reaktorhilfsanlagen.

In einem zweiten Schritt sollen dann vor allem der Abbau der Komponenten des allgemeinen Primärkreislaufs, also Reaktordruckbehälter, Dampferzeuger, Hauptkühl

mittelpumpen beantragt und durchgeführt werden. Im dritten Schritt wird der Abbau aller restlichen Systeme und Anlageteile sowie die Dekontamination und Freigabe der Gebäude des Geländes aus der atomrechtlichen Aufsicht erfolgen. Der Abriss der dann freigegebenen und, wie gesagt, aus der atomrechtlichen Aufsicht entlassenen Gebäudeteile erfolgt dann nach den entsprechenden baurechtlichen Genehmigungen.

Dieses atomrechtliche Genehmigungsverfahren mit den genannten Schritten wird ungefähr zwei Jahre dauern. Die Landesregierung hat auch dafür Vorkehrungen getroffen, dieses Genehmigungsverfahren so rasch und zügig wie irgendwie möglich durchzuführen. Dieses Interesse hat im Übrigen auch der Antragsteller. Wie ich mit Freude vernommen habe, gilt dies auch für diesen Landtag. Dann dürften wir keine Probleme bekommen. Aufgrund der UVP-Änderungsrichtlinien der Europäischen Union wird in diesem Genehmigungsverfahren auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sein, die sich auf die gesamten Planungen für den Rückbau des Kraftwerks erstrecken wird. Damit betreten wir rechtliches Neuland. Wir werden die Ersten in Rheinland-Pfalz sein, die in Deutschland eine Umweltverträglichkeitsprüfung beim Abbau eines Kernkraftwerks durchführen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Genehmigungsverfahrens wird die Beteiligung der Öffentlichkeit sein. Hier wird es jetzt um die Machbarkeit – auch des Gesamtkonzepts – gehen, Strahlenschutz, radiologische Überwachung, Störfallanalyse und Ähnliches werden auf den Prüfstand zu stellen sein.

Voraussetzung für den Beginn des Rückbaus ist selbs tverständlich der Abtransport der noch in der Anlage befindlichen Brennelemente. Die noch im Kraftwerk lagernden 209 bestrahlten Brennelemente sollen ab Juli 2001 zur Wiederaufarbeitung zur COGEMA nach La Hague transportiert werden. Zwei französische Transportbehälter stehen zur Verfügung. Ein Behälter kann zwölf Brennelemente aufnehmen. Es sind somit 18 Einzel- oder neun Doppeltransporte von Mülheim-Kärlich zur Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague notwendig. Diese Transporte werden voraussichtlich in einem Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt werden. Die derzeit vorliegende Transportgenehmigung gilt bis Ende dieses Jahres. Sie lässt die Transporte von maximal 120 Brennelementen zu. Die im Kraftwerk lagernden 42 unbestrahlten Brennelemente sollen in eine Brennelementefabrik nach Belgien transportiert werden.

Nach dem Abschluss dieser Transporte und nach Erteilung der Stilllegungs- und ersten Abbaugenehmigung will dann die Betreiberin sofort mit dem Rückbau der Anlage beginnen. Dieses Verfahren – inklusive der Durchführung und Erledigung – wird dann ca. zehn Jahre ab Genehmigungserstellung dauern.

Meine Damen und Herren, es wird eine Vielzahl von Materialien auszubauen und zu transportieren sein, und es wird eine Vielzahl von Arbeiten vor Ort stattfinden. Ich darf alle diejenigen bitten, die mit dem Verfahren einverstanden sind, mitzuhelfen, dass wir es miteinander

schaffen, zügig, reibungslos und ohne große rechtliche Zeitverluste dieses Verfahren so durchzuführen; denn das ist der erste, wichtigste und vor allen Dingen der unumkehrbare Schritt im Rahmen des Atomkonsenses des Ausstiegs aus der Atomenergie.

Danke schön.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Braun.

Frau Martini, Sie haben jetzt vor, die vorgeschriebenen Beteiligungs- und Umweltstandards einzuhalten. Das ist normal. Es ist auch festgelegt, dass bei einem Rückbau eines Atomkraftwerks dann entsprechende Standards einzuhalten sind. Aber ich hatte Sie vorhin in meinem Redebeitrag gefragt, ob Sie uns hier und heute zusichern können, dass wir auch die Unterlagen – beispielsweise die Antragsunterlagen der RWE – erhalten. Wenn Sie hier appellieren, dass das alles möglichst schnell und reibungslos gehen soll und dann natürlich auch mit Blick auf die Leute vor Ort – dass Sie auch sagen, nehme ich einmal an, dass es nicht wieder zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten kommen muss –, dann müssen Sie auch möglichst schnell alle umfassend informieren. Das war heute schon der erste Schritt, dass Sie erklärt haben, dass Sie das anscheinend nicht vorhaben, oder Sie können vielleicht im Nachhinein noch sagen, Sie informieren uns. Dann wird dieser Rückbau auch im Konsens möglichst schnell klappen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Sie glauben auch immer nur das, was Sie selbst sagen!)

Frau Martini, die Frage, wie und in welcher Zeit rückgebaut werden kann, hängt bestimmt auch vor Ort von der Stimmung ab, wie die Leute, die den Widerstand über Jahre hinweg geleistet haben und die im Kampf gegen das Atomkraftwerk viel Zeit, viel Kraft, aber auch viel Geld gelassen haben, von der Landesregierung behandelt werden. Wir wissen nach wie vor, es steht aus, dass die Klagekosten an die Kläger rücküberwiesen werden. Es steht aus, dass das Land inzwischen die 34 Millionen DM Klagekosten von der RWE zurück erhalten hat, soweit ich informiert bin. Wenn das nicht so ist, informieren Sie uns anders. Aber die Leute vor Ort wollen nicht nur ihr Recht gegenüber der RWE, sie haben auch das Recht, das Geld zurückzubekommen. Insoweit ist die Landesregierung in der Pflicht.

(Staatsministerin Frau Martini: Falsch!)

Wir haben das hier schon öfter angemahnt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nichts, aber auch gar nichts geschehen, Frau Martini. Wenn man vor Ort möglichst schnell und möglichst sicher – das ist die Hauptbetonung: möglichst

sicher – den Rückbau gewährleisten will, dann muss man auch die Öffentlichkeit entsprechend informieren, muss demokratische Verfahrensspielregeln gelten lassen und vor allen Dingen vorantreiben.

(Glocke des Präsidenten)

Dann werden wir es auch schaffen, in den zehn Jahren hoffentlich dort wieder eine Wiese zu haben, wo aus Unrechtsgründen im Moment ein Atomkraftwerk steht.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin Martini hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Es ist langsam unerträglich, aber ich muss mich beherrschen.

(Creutzmann, FDP: Jawohl! So ist es!)

Ich will auf den Tatbestand hinweisen: Die Landesregierung wird ein Öffentlichkeitsverfahren in diesem Verfahren durchführen. Sie wird das so machen, wie sie das in der Vergangenheit auch gemacht hat, in Kontakt mit den vor Ort Betroffenen, in Kontakt mit den Bürgerinitiativen, in Kontakt mit den Städten, Kommunen und Gemeinden. Daran wird sich nichts ändern. Wenn Ihnen etwas anderes lieber wäre, damit Sie streiten können, dann verstehe ich das zwar, wir werden uns darauf aber nicht einlassen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zum Zweiten will ich noch einmal unterstreichen, die Landesregierung ist ihrer Zahlungsverpflichtung aus diesen Prozessen voll nachgekommen, und zwar hat die Landesregierung ihre Beträge, die sie aufgrund der gerichtlichen Verabredung zu zahlen hat, überwiesen. Sie sind am 19. Dezember 2000 an den Rechtsanwalt der Kläger überwiesen worden. Ob der Rechtsanwalt das Geld an die Kläger weitergegeben hat oder nicht, müssen Sie mit dem Rechtsanwalt klären. Ich lasse es nicht zu, dass Sie immer versuchen, die Landesregierung in ein falsches Licht zu rücken.

(Starker Beifall der SPD und der FDP)

Ich stelle also fest, die Landesregierung ist ihrer Zahlungsverpflichtung, die sie aufgrund der Kostenfestsetzungsbeschlüsse hatte, voll inhaltlich nachgekommen. Das will ich noch einmal unterstreichen. Wenn Sie das noch einmal anders behaupten, dann werden wir uns anderweitig zu wehren wissen.

(Beifall der SPD und der FDP – Lelle, CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.