Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

Ich erteile Herrn Abgeordneten Puchtler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mensch und Umwelt sind ein hohes Gut. Es ist wichtig, dass wir hierzu entsprechende Schutzvorschriften schaffen. Es geht aber auch um Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung. Rahmenbedingungen, das drückt das Wort schon aus, müssen einen Rahmen vorgeben. Sie müssen einen Rahmen vorgeben, der entsprechend gestaltet ist, um die wirtschaftliche Betätigung ausüben zu können.

Wenn wir uns den vorliegenden Entwurf ansehen, ist der Rahmen meiner Meinung nach ein bisschen zu eng

gesteckt und führt zu Gefährdungen für unsere Arbeitsplätze und für unsere rheinland-pfälzische Chemieindustrie. Gerade deshalb haben wir das als SPD-Fraktion heute zur Aussprache gestellt. Ich bin der Ministerin für ihre Ausführungen sehr dankbar, weil sie ganz klar die rheinland-pfälzische Position deutlich gemacht hat. Wir nehmen die klare Position ein, dass wir die Interessen unserer Menschen, die in Rheinland-Pfalz in der Chemieindustrie arbeiten, vertreten. Diese Position machen wir heute auch deutlich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wie sieht es denn für kleine und mittlere Unternehmen aus? Es wird von Kosten gesprochen. Pro Stoff fallen immerhin Kosten in Höhe von 70.000 Euro für die Registrierung, die Prüfung und zwei Sicherheitsberichte an. Das ist alles sehr stark bürokratisiert. Ich nenne die Stichworte „Dokumentation“ und „Administration“.

Ich meine, man muss sehen, was finanziell und pers onell für die Unternehmen vertretbar ist. Es gilt, sich das bei den kleinen und mittleren Unternehmen anzusehen.

Was ist denn die Stärke eines kleinen oder mittleren Unternehmens? Das sind die guten Produkte, die aufgrund des entsprechenden Spezialwissens, des guten Know-hows, hergestellt werden. Wenn ich Dokumentationsverfahren festlege, die auch zu einer Weitergabe führen, stellen sich die Themen „Eigentumsrechte“, „Wettbewerb“ und „Marktstrategie“. Das sind für kleine und mittlere Unternehmen wichtige Themen.

Ein anderer Faktor ist der Faktor Zeit. Es dauert zu lange, bis das Ganze umgesetzt wird und bis ich ein Produkt an den Markt bringen kann. Kleine und mittlere Unternehmen leben von ihrer Schnelligkeit und ihrer Innovationskraft. Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir nicht Bedingungen schaffen, die den Rahmen für unsere Unternehmen zu stark einschränken.

Frau Ministerin Conrad hat sehr deutlich gemacht, was die Auswirkungen sind. Die Arbeitsplätze werden verlagert. Die Unternehmen werden ausweichen und an die Standorte gehen, wo die Möglichkeit besteht, ihre Sachen durchzuziehen. Das kann im Interesse der Menschen in Rheinland-Pfalz nicht gut sein.

Ich bin der Meinung, es ist wichtig, dass wir die Position, wie sie dargestellt wurde, weiter vertreten. Wir brauchen vertretbare und umsetzbare Regelungen, und wir brauchen vor allem Regelungen, die praktikabel sind.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es wäre interessant, welche Position Sie vertreten!)

Wir haben eine klare Position. Wir wollen Umweltschutz, aber wir wollen ihn gemeinschaftlich. Umweltschutz und arbeiten gehören zusammen. Wir brauchen für die Betriebe aber auch entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten. Das ist die klare Zielsetzung von Rheinland-Pfalz.

Vielen Dank. (Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Gölter das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir unterstützen die Landesregierung, wenn sie bei diesem Thema in Brüssel – – –

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Böhr, CDU: Er wollte zeigen, dass er da ist!)

Wir unterstützen die Landesregierung, wenn sie in dieser Sache in Brüssel interveniert. Wir unterstützen in dieser Hinsicht auch die Bundesregierung. Im Übrigen wäre es ganz gut, wenn sich die rheinland-pfälzischen SPD-Bundestagsabgeordneten in Berlin in der SPDFraktion dafür einsetzen würden, dass die SPD-Fraktion eine ähnliche Resolution im Parlament einbringt wie die Drucksache 15/1356.

(Beifall der CDU)

Ich empfehle sie Ihrer Lektüre. Dann wären vielleicht die Bemühungen der Bundesregierung noch erfolgreicher.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Sie provozieren mich direkt. Wenn Sie schon ununterbrochen eine solche Gelegenheit zum Selbstlob nutzen, würde ich Ihnen gern, wenn ich dafür die Zeit hätte, die Abstimmungsverhältnisse – ich habe sie da – bei den ersten großen Abstimmungen im Europäischen Parlament einschließlich der Abgeordneten der SPD-Fraktion vortragen.

(Schwarz, SPD: Ich weiß das! Das war ärgerlich genug!)

Wir werden in dieser Legislaturperiode auf das Thema zurückkommen. Wenn der Brüsseler Zeitplan läuft, werden wir in dieser Legislaturperiode die Gelegenheit haben, über die Abstimmung des Europäischen Parlaments in diesem Haus zu reden. Ich verspreche Ihnen, dass wir das tun, wenn das zeitlich hinhaut. Ich werde auf diese Debatte gut vorbereitet sein.

Meine Damen und Herren, dann muss aber auch die Bemerkung gestattet sein, dass die Bundesregierung bisher in Brüssel bei diesem Thema noch nicht besonders erfolgreich war. Wodurch überhaupt die Frage aufgeworfen wird, inwieweit Deutschland derzeit – das ist aber ein anderes Thema – in Brüssel erfolgreich ist. Das ist ein sehr weites Feld. Das hat auch viele ps ychologische Ursachen.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie wollen, reden wir einmal darüber. Sie haben Recht, das ist nicht unmittelbar ein Thema für den Landtag, aber man kann dazu auch einige kritische Anmerkungen machen.

Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, 80 % der deutschen Chemieunternehmen haben weniger als 250

Arbeitnehmer. Nach den mir vorliegenden Zahlen sind es sogar etwas mehr als 94 %. Diese 94 % machen 20 % des deutschen Umsatzes.

Jetzt entsteht das Problem, dass die Kosten umso höher sind, je geringer die Charge ist. Wenn das so läuft, wird das vielen mittelständischen Betrieben die Arbeitsmöglichkeit abdrehen. Ich will nicht sagen, dass die Zahlen in der Studie des BDI von Arthur D. Little in allen Details zutreffen müssen, aber in dieser Studie werden drei Perspektiven unterschieden, nämlich als erstes Szenario Wolken, als zweites der Sturm und als drittes der Hurrikan – clouds, storm and hurricane.

Das muss heute alles in englischer Sprache sein, obwohl es sich um deutsche Texte handelt.

(Glocke der Präsidentin)

Die bisherigen Überprüfungen des jetzt vorliegenden Textes vor dem Hintergrund der Parameter, die bislang angelegt worden sind, zeigen, dass wir uns kurz und unmittelbar vor dem Hurrikan befinden. Wir dürfen bei der Chemie nie nur die Chemie, ihre unmittelbare Wertschöpfung und die Zahl der Arbeitnehmer betrachten. Die Chemie ist der deutsche Wirtschaftszweig mit der längsten Produktkette, und zwar in vielen Fällen mit Auswirkungen bis in den kleinen Handwerksbetrieb. Insofern ist das schon ein dramatisches Thema, das wir drei Fraktionen im Kern gemeinsam sehen.

Ich denke, das wird uns vielleicht auch in Zukunft als Gemeinsamkeit bleiben. Wir werden aber darüber reden, wie es letztlich ausgeht.

Herr Gölter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wenn die Sozialisten im Brüsseler Parlament anders als das letzte Mal abgestimmt haben, werde ich auch die SPD-Fraktion Rheinland-Pfalz dafür loben.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ministerin Conrad, ich möchte mich zunächst einmal ganz herzlich für Ihren Beitrag bedanken und kann Ihnen die uneingeschränkte Unterstützung unserer Fraktion zusichern. Ich möchte Sie dringend bitten, diese Position in Berlin eindringlich zu vertreten, damit wir auch dort die Unterstützung haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem hohen Bürokratieaufwand sollen in Zukunft auch die Herstellmengen, Rezepte und Verwendungen der Produkte durch das Chemikaliengesetz via Internet veröffentlicht werden. Natürlich wüssten viele Verbraucher gern, was in welchen Produkten enthalten ist. Die Rezeptur und die Verwendung sind aber das Know-how, das die Firmen als wichtigsten Erfolgsfaktor besitzen.

Wenn dies demnächst im Internet nachlesbar sein soll, werden die Unternehmen ihren Konkurrenten in Asien und Amerika noch schutzloser ausgesetzt sein. Schließlich produzieren viele rheinland-pfälzische Unternehmen Segmente wie Schuhklebstoffe, Textil- und Keramikhilfsmittel, bei denen die Abnehmer schon einige Zeit nicht mehr in Europa sitzen. In diesen Branchen ist der Wettbewerb ohnehin schon hart, weil die Konkurrenten in der Regel näher am Markt sitzen.

Meine Damen und Herren, auch die von der EUKommission vorgesehenen Erleichterungen bei der Registrierung von industriellen Zwischenprodukten treffen die kleinen und mittleren Unternehmen. Es sollen Zwischenprodukte, die nur an einem Standort verwendet werden oder maximal zwei industrielle Kunden haben, von der Registrierpflicht ausgenommen werden. Wenn es bei der Beschränkung bei zwei Abnehmern bleibt, kann man das Ergebnis voraussehen. Der Lieferant wird nur die zwei größten Abnehmer aussuchen, da bei einem dritten oder weiteren Abnehmer die üblichen Registrierungskosten von mindestens 70.000 Euro auf den Produzenten zukommen werden.

Meine Damen und Herren, etwa 25 % der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe werden in Rheinland-Pfalz verloren gehen. In der chemischen Industrie sind bis zu 20.000 Arbeitsplätze bedroht. In der gesamten rheinland-pfälzischen Wirtschaft sind bis zu 90.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Diese Folgen sind für die FDP-Fraktion nicht zu akzeptieren. Wir werden weiterhin an der Seite der Arbeitnehmervertretungen in der chemischen Industrie und der zahlreichen kleinen und mittelständischen Betriebe stehen, (Beifall der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um ein Gesetz zu verhindern, das zahlreiche hoch qualifizierte Arbeitsplätze kosten wird und kaum einen Beitrag zum Umweltschutz leistet.

Vielen Dank. (Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Braun.

Herr Hohn, wir finden es toll, dass die FDP die Arbeiterbewegung unterstützt. Ich will noch einmal darauf zu

rückkommen, wie gerechnet wurde, und die Fakten zugrunde legen.

Sie haben die Horrorzahl genannt. 90.000 Arbeitsplätze seien in Rheinland-Pfalz gefährdet. In dieser Studie von Arthur D. Little – der BDI hat diese beauftragt und vorgelegt – wurde gerechnet: Wenn ein Farbstoff verboten wird oder nur noch stark restriktiv gehandhabt werden kann – dieser wird nicht willkürlich verboten, sondern weil der Farbstoff für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihn benutzen, gefährlich ist –, fällt die ganze Wertschöpfungskette aus.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Herr Creutzmann, hören Sie einmal zu. Sie beziehen sich dauernd auf diese Studie.