Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

(Glocke des Präsidenten)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb braucht Rheinland-Pfalz keine so genannten Eliteschulen, um noch schneller, noch früher und angeblich noch genauer zu selektieren, sondern Rheinland-Pfalz braucht eine individuelle und bestmögliche Förderung aller Schülerinnen und Schüler und vor allem auch in allen Schulen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Bildungsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen.

1. Herr Wiechmann es wundert mich, dass ausgerechnet Sie der individuellen Förderung Zahlenspiele entgegen

setzen, wie viele Kinder durch ein solches Angebot erreicht werden und wie viele nicht. Nach den Debatten, die wir in der Vergangenheit geführt haben, wundert mich das sehr; denn bisher habe ich auch Sie so verstanden, dass es darum geht, passgenaue und zielgerechte Angebote zu machen, auch wenn es manchmal nur um kleine Gruppen von Schülerinnen und Schülern geht,

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die sich in einer besonderen Situation befinden.

(Unruhe bei der SPD)

In der Tat diskutieren wir heute im Kern das Thema der verstärkten individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern.

Herr Abgeordneter Lelle hat bereits darauf hingewiesen. Es geht darum, dies insgesamt in den Blick zu nehmen. Es geht uns darum, in diesem Bildungssystem Benachteiligungen abzubauen. Es geht uns auch darum, besondere Leistungen, besondere Begabungen und besondere Möglichkeiten herauszufordern und zu fördern. Zur Ehrlichkeit gehört dazu: Manchmal hat das eine sogar etwas mit dem anderen zu tun, weil wir wissen, dass längst nicht alle hochbegabten Schülerinnen und Schüler ihre hohe Begabung auch in Leistung umsetzen können, da sie in diesem Schulsystem Probleme haben.

Auch vor diesem Hintergrund haben wir uns für diesen Weg entschieden. Ich sage ausdrücklich: Es gibt nicht den einen Weg. Es gibt auch nicht die eine Maßnahme, die alle Kinder erreicht. Wir begrenzen unsere Begabungsförderung nicht auf die Einrichtung von vier neuen Schulen für Hochbegabtenförderung verbunden mit Internationalen Schulen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir ergänzen das System sinnvoll.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Lelle, ich war schon etwas verwundert, als Sie als Beispiel für eine Ferienakademie das Saarland nannten. Es war der bundesweiten Presse zu entnehmen, dass die erste JuniorAkademie während der Sommerferien mit 62 Schülerinnen und Schülern – es war bundesweit die erste – in Rheinland-Pfalz für rheinland-pfälzische Schülerinnen und Schüler stattgefunden hat.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Wir wollen dieses System der Hochbegabtenförderung mit Schulen für Hochbegabtenförderung/Internationalen Schulen kontinuierlich aufbauen. Es wurde darauf hingewiesen, dass 2 % der Schülerinnen und Schüler hochbegabt seien. Eine Vielzahl von hochbegabten Schülerinnen und Schülern wird in unserem System schon heute gefördert und künftig hoffentlich noch besser gefördert werden. Trotzdem wollen wir zusätzlich neue Wege gehen. Diese neuen Wege gehen wir mit

dem Angebot, das jetzt am Heinrich-Heine-Gymnasium gestartet ist.

Wir haben diese Schule ausgewählt, weil Erfahrungen mit der individuellen Förderung – bisher im sportlichen Bereich – vorlagen. Wir denken, dass das eine gute Startvoraussetzung für die Schule in Kaiserslautern war.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass diese Schule – ich gestehe das zu – und alle, die damit befasst waren, unter einem enormen Zeitdruck gearbeitet haben. Ich sage auch: Gerade in Anbetracht des Zeitdrucks kann sich das Ergebnis sehen lassen. – Wir haben von vornherein gesagt, dass wir starten und im Betrieb weiter lernen wollen. Das haben wir uns vorgenommen. So werden wir es auch tun. Wir werden die Erfahrungen auch für die weiteren Standorte nutzen.

22 Kinder sind aufgenommen worden. Es ist darauf hingewiesen worden. Ich glaube, ich weiß nur einen Punkt, mit dem ich noch nicht zufrieden bin. Das ist die Geschlechterverteilung bei der Aufnahme der Schülerinnen und Schüler. Wir erleben etwas, was uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit auf den Weg gegeben hatten, nämlich dass es selbstverständlich nicht weniger hochbegabte Mädchen als hochbegabte Jungen gibt, sondern offensichtlich Mädchen weniger auffällig sind. Insofern wird ein Schwerpunkt die Fortund Weiterbildung von Lehrkräften in den Grundschulen sein, um sie für dieses Thema verstärkt zu sensibilisieren.

Der Aspekt der Hochbegabtenschule sollte von vornherein mit der Internationalen Schule verbunden werden. Ich freue mich darüber, dass sich unter den Schülerinnen und Schülern der Schule in Kaiserslautern sieben Schülerinnen und Schüler mit einem internationalen Hintergrund befinden, die zusätzlich eine gute, zum Teil sogar eine Hochbegabung aufweisen, sodass es uns tatsächlich gelungen ist, die Verbindung der beiden Angebote vorzunehmen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Konzeption der Schule ist Ihnen allen bekannt. Lassen Sie mich auf einen Aspekt noch einmal hinweisen, den ich auch bundesweit besonders bemerkenswert finde. Wir haben von vornherein gesagt, dass wir eine enge Zusammenarbeit mit der Universität Kaiserslautern anstreben. Wir alle haben in diesen Wunsch große Hoffnungen gesetzt. Wir konnten uns vor einem Jahr noch nicht vorstellen, dass Fünftklässlerinnen und -klässler in den Labors der Universität zurechtkommen und dort ein tolles Angebot vorfinden würden und große Freude am Experimentieren hätten. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Universität bedanken, dass sie zu einem so frühen Zeitpunkt mit eingestiegen ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube und bin fest davon überzeugt, dass diese neue Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule ein vielversprechendes Modell ist. Die Planungen für Mainz und zeitversetzt für Trier laufen bereits auf Hochtouren. Koblenz wird dazukommen.

Herr Wiechmann, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Ich will es nicht dabei belassen. Ich bin der Meinung, durch eine veränderte Lehr- und Lernkultur muss insgesamt im Schulsystem ein begabungsförderndes Lernumfeld geschaffen werden, das im Übrigen auch besser als bisher die geschlechtsspezifischen Unterschiede mit berücksichtigen muss. Ich glaube zum Beispiel auch, dass die verstärkte Einrichtung von Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz ein Beitrag zur Begabtenförderung sein kann, weil sie differenziertere Möglichkeiten der Förderung bietet und auch hier besondere Kooperationen mit Hochschulen, der Wirtschaft und mit anderen eingehen.

Ich freue mich sehr über den hervorragenden Start an der Schule für Hochbegabtenförderung/Internationale Schule am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern. Wir werden die weiteren Schulen genauso kons equent und erfolgreich aufbauen. Wir werden uns darüber hinaus darum kümmern, dass unser Schulsystem insgesamt lernt, mit diesem Thema besser umzugehen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wiechmann, ich kann es mir nicht verkneifen. Sie beschreiben die Ausgangslage so, dass unsere Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz in kalten Räumen sitzen und tausende von Stunden Unterrichtsausfall haben. Ich würde gern einmal mit Ihnen durch Schulen in Rheinland-Pfalz reisen.

(Mertes, SPD: Die behalten den da!)

Ich lade Sie herzlich ein. Vielleicht gewinnen Sie dann auch einen differenzierten Eindruck der Leistungsfähigkeit unseres Schulsystems. Ich glaube, das ist die Ausgangsvoraussetzung für eine sinnvolle Weiterentwicklung, wie wir sie gestaltet haben und für unser Schuls ystem insgesamt voranbringen wollen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht noch einmal Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fand diese Debatte bis auf eine Ausnahme sehr konstruktiv. Ich finde es sehr wichtig, dass wir uns damit auseinander setzen – das gilt für alle –, wie man Schwächere besser fördert, den individuellen Begabungen und Neigungen von jungen Menschen in unserem Schulsystem gerecht wird, wie eine neue Lernkultur aussehen kann, wie man in unserem gesamten Schulsystem darauf reagieren muss und wie Unterrichtsprozesse in Zukunft umgestaltet werden müssen. Ich bin nicht bereit dazu, wenn mit unwahren Behauptungen Diffamierungen ausgesprochen werden und die pure Ideologie mehr oder weniger „herausgerotzt“ wird. Das kann man aber hier nicht sagen.

Herr Wiechmann, das war schon unverschämt, was Sie gebracht haben. Es war auch der Art und Weise und der Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht angemessen. Sie wissen ganz genau, dass sich auch die FDPFraktion – Sie hätten vielleicht einmal unseren Bildungskongress besuchen können – sehr damit auseinander setzt, wie man insgesamt den Unterricht und die Qualität an den Schulen verbessern kann. Herr Lelle hat an diesem teilgenommen. Er kann Ihnen gern die entsprechenden Broschüren reichen.

Herr Lelle, ich würde gern noch auf ein paar einzelne Punkte eingehen. Sie haben gesagt, dass man das durch frühere Einschulungen und ein leichteres Überspringen von Klassen ergänzen muss. Wir haben auch noch BEGYS-Klassen. Die Sommerakademien – das haben Sie gehört – haben in Rheinland-Pfalz stattgefunden. Es gibt auch noch das Kinder-College in Neuwied, das eine sehr gute Arbeit leistet, um an Wochenenden noch Zusatzangebote für begabte und hochbegabte Kinder zu bieten.

Ich glaube, wir kommen bisher in unserem Schulsystem ganz gut hin, wenn sich die Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger im Durchschnitt oder mit leichten Abweichungen im Leistungsspektrum bewegen.

Herr Wiechmann, es wird dann schwierig, wenn jemand besonders schwach ist an der einen oder anderen Stelle oder besonders stark ist an der einen oder anderen Stelle, weil er sich dann nicht mehr mit der Gruppe orientieren kann. Ich denke schon, dass es eine sehr gute Lösung ist, dann zu sagen: Wir nehmen den Schüler oder die Schülerin aus der Gruppe heraus und machen ein besonderes Angebot in einer Gruppe, in der ungefähr der gleiche Level besteht oder eine stärkere Flexibilisierung von Prozessen möglich ist. Bei besonders schwachen Schülerinnen und Schülern machen wir das. Wir machen das auch erfolgreich.

(Glocke des Präsidenten)

Wir haben ein System gefunden, bei dem wir diesen Begabungen viel besser gerecht werden. Dann möchte ich mich auch gern damit sachlich auseinandersetzen und nicht auf diese Art und Weise, wie das eben hier geschehen ist.

Das Problem „Mädchen und Jungen“ ist ein Problem, das wir auch grundsätzlich diskutieren müssen. Wir haben im Moment die Situation, dass Jungen auch zum Teil abgehängt werden, weil sie, glaube ich, auch mit den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen ganz anders umgehen als Mädchen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Mädchen sind auf der anderen Seite aber zurückhaltender und weniger extrovertiert, wenn sie Probleme haben. Ich glaube, dass man darauf auch sehr viel stärker ge

schlechtsspezifisch reagieren sollte, weil wir sonst in eine Lage kommen, in der es noch erheblich mehr Ungleichgewichte in Zukunft geben wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Keller das Wort.