Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Wir wussten aber – dies weiß natürlich der Bundesumweltminister ebenso genau –, dass aufgrund der internationalen rechtlichen Bestimmungen und des französischen Prozederes, nach dem ganz genau festgelegt ist, wie zu verfahren ist, der Bund, also die deutsche Regierung vor Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung offiziell informiert wird. Wir werden dann offiziell über die Bundesregierung informiert.

Wir mussten also davon ausgehen und haben dies auch gemacht, dass wir rechtzeitig vor Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung in Frankreich unterrichtet werden und dann selbst die Möglichkeit haben, unsere Öffentlichkeit zu informieren.

Dieses Verfahren ist in der Tat deswegen nicht möglich gewesen, weil der Bundesumweltminister, was nicht unbedingt sein Verschulden ist, nicht rechtzeitig informiert worden ist und er, wie wir im Übrigen auch, am 25. oder 26. aus der Presse erfahren hat, dass in Frankreich das offizielle Beteiligungsverfahren begonnen hat und die Öffentlichkeit informiert worden ist.

Ich habe mich deshalb unmittelbar darauf zu einer ersten Stellungnahme in der Öffentlichkeit geäußert. Das war auch vor dem Hintergrund gutnachbarschaftlicher Beziehungen genau der richtige und einzig mögliche Zeitpunkt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es ist nicht nur auf diplomatischem Weg, sondern auch bei unseren guten nachbarschaftlichen Beziehungen so, dass wir mit Informationen, die wir vorab erhalten, so umgehen.

Meinen Sie, die französischen Kollegen hätten es gern gehabt, wenn die Unterlagen, die uns zur Verfügung gestellt worden sind, die wir als Vorabinformation erhalten haben, der deutschen Öffentlichkeit einfach so offen vorgelegt werden, bevor in Frankreich die französische Öffentlichkeit informiert wird?

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Verfahren, die nicht gehen. Deswegen sieht das Prozedere ausdrücklich vor, dass vor der Öffentlichkeitsbeteiligung in einem Land das Nachbarland offiziell informiert wird. Dass das nicht passiert ist, ist nicht meine Schuld. Es ist auch nicht die Schuld von Herrn Trittin.

Jetzt kommt aber eine andere Frage, die sich die interessierte Öffentlichkeit stellen könnte und die Sie stellen

müssten. Insofern habe ich schon eine Bewertung für das, was Sie in der Öffentlichkeit getrieben haben.

Während ich sofort an die Öffentlichkeit gegangen bin, nachdem ich wusste, in Frankreich beginnt das Verfahren, hat es immerhin zehn Tage gedauert, bis sich die Pressestelle des Bundesumweltministeriums dazu geäußert hat, überhaupt gesagt hat, sie unterstützt die Anträge von Rheinland-Pfalz und dem Saarland auf Beteiligung der Öffentlichkeit. Das ist Fakt.

(Creutzmann, FDP: Hört! Hört!)

Nachdem ich Herrn Trittin mit Schreiben von diesem Dienstag angeschrieben habe, habe ich die offizielle Rückmeldung erhalten, dass auch die offizielle Beteiligung Deutschlands beantragt ist und wir unsere Öffentlichkeit informieren dürfen, da ich ihn aufgefordert habe, dies zu tun. Es wäre im normalen Verfahren gar nicht notwendig gewesen, dass ich mich zunächst einmal an den Bund wenden muss, damit überhaupt etwas passiert. Wenn hier also jemand davon redet, dass man zum Jagen getragen werden muss, dann müssen Sie schauen, wer der richtige Adressat an dieser Stelle wäre, wenn man den Begriff schon verwenden möchte.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich habe Ihnen gesagt, mir macht es keine Freude, mich in dieser Form mit anderen auseinander zu setzen. Wenn wir uns aber in dieser Zeit, in der wir dringend darauf gewartet haben, dass die offizielle deutsche Beteiligung in Frankreich notifiziert wird, zurückgehalten und nur informiert haben, dass ich eine Öffentlichkeitsbeteiligung wünsche und Sie dann zusammen mit Frau Höfgen in der Öffentlichkeit hingehen und erklären, dass es nach Atomgesetz die Bundesländer seien, die dies zu machen hätten und sie allein zuständig seien, dann ist das Desinformation.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich sage auch vor dem Hintergrund dessen, was sich da abgespielt hat, das ist Ablenkung von tatsächlichem Recht. Wir bewegen uns hier in einem internationalen Rechtsrahmen, der aufgrund von EU-Recht klare Spielregeln hat. An diese müssen wir uns auch halten, nicht nur, weil ich es möchte oder mich jetzt hier zurücknehme, sondern dies geschieht nach dem Recht. Es ist ganz einfach, wenn ich den Menschen an der Mosel, den Gemeinden und auch Herrn Fisch persönlich das Recht einräumen möchte,

(Heiterkeit – Zurufe aus dem Hause: Schmitt!)

Herrn Schmitt/Fisch, Pardon – dass sie sich beteiligen können, dann kann ich damit nicht so umgehen, wie Herr Marz und Frau Höfgen das gemacht haben, sondern dann muss ich Rechtsgrundlagen dafür schaffen, dass die Beteiligung in Frankreich tatsächlich auch ernst genommen wird und tatsächlich dort ankommt, wo sie anzukommen hat.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe deswegen eine herzliche Bitte. Es ist in der Tat kein einfaches Verfahren, vor dem wir stehen, auch nicht in der Bewertung. Ich sage aber noch einmal, wenn Sie in der Bewertung der Fragen der Umweltbelastung ähnlich seriös wie mit der Informationspolitik umgehen, wie Sie es eben getan haben und ich es geschildert habe, dann können Sie nicht erwarten, dass die Menschen Sie auch tatsächlich ernst nehmen.

Das wäre in der Sache nicht besonders gut.

Ich sage noch etwas zu Herrn Schmitt. Jetzt sage ich, Schmitt/Fisch nicht Fisch/Schmitt. Herr Schmitt, Sie haben sich eben als großer Kämpfer an der Mosel gegen Cattenom aufgestellt.

(Itzek, SPD: Das macht er immer so!)

Da ich meine eigene Biografie in dieser Angelegenheit sehr gut kenne, weiß ich deshalb im Übrigen ganz genau, dass es 1991 erst bedurft hatte, dass es diese Landesregierung gab, die damals dem Klageverfahren der Länder Saarland und Luxemburg gegen Cattenom beigetreten ist.

(Schmitt, CDU: Mein Gott!)

Das soll an dieser Stelle, an der Sie sich so exkulpieren, nicht vergessen werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es war Ihre Partei, die damals diese Anträge immer abgelehnt hatte, tatsächlich gegen Cattenom vorzugehen.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Herr Schmitt, wie Sie sehen, nehme ich Ihre Intentionen ernst, beteiligt zu werden. Die Bemerkung des Ministerpräsidenten, die ich als Zwischenruf gehört habe, dass es natürlich ein Versehen wäre, dass der französische Staatspräsident Herrn Schmitt in Fisch nicht informiert hat, ist von meiner Seite nicht mehr zu toppen an dieser Stelle. Wir nehmen sie einfach so zur Kenntnis.

Herr Schmitt, so kann es nicht gehen. Manchmal stellt sich die Frage, was Sie an Information und Strukturen fordern. Das wissen Sie. Das ist nicht seriös und hilft in der Sache nicht weiter.

Lassen Sie mich zur Bewertung einige Worte sagen. Die Debatte um die neu beantragten Grenzwerte muss sachlich geführt werden. Wir wollen uns dabei vor unbedachter Dramatisierung genauso wie vor Verharmlosung hüten. Darum möchte ich Sie gern bitten.

Ich muss sagen, leider ist die von der französischen Seite zur Verfügung gestellte Kurzbeschreibung nicht in jedem Punkt hilfreich. Die deutsche Kurzbeschreibung enthält Formulierungen, die erheblich zu Missverständnissen Anlass geben. Bei dem Genehmigungsantrag der Electricité de France handelt es sich zum Beispiel nicht um einen Antrag auf Verlängerung, sondern um einen Neuantrag auf Ableitungsgenehmigung. Es handelt sich

dabei in einigen Punkten und an anderen Stellen um zusätzliche Ableitungen. Wenn es im französischen Text „ajouter à l’eau de la Moselle“ heißt, bedeutet das: Wasser oder Stoffe, die dem Moselwasser hinzugefügt werden, also nicht zusätzliche Ableitungen. Dies hat zum Beispiel in der Öffentlichkeit dazu geführt, dass in der Presse zu lesen war, dass ca. 100.000 Kilogramm Borsäure zusätzlich in die Mosel eingeleitet werden sollte. Das galt auch für andere Stoffe. In Wirklichkeit beantragt die EdF, den Grenzwert für die Borsäureeinleitung von derzeit 160.000 Kilogramm auf rund 100.000 Kilogramm zu reduzieren.

An dieser Stelle will ich konstatieren, was ich vorhin schon einmal angedeutet habe. Hier kann es nicht sein, dass wir uns automatisch zufrieden geben, dass sie die Grenzwerte absenken werden, weil nach unserer Kenntnis bereits im Jahr 2002 nur noch 30 Tonnen abgeleitet worden sind, also 30.000 Kilogramm, sodass wir vor dem Hintergrund des Minimierungsgebots im weiteren Verfahren hinschauen werden und müssen, ob dieser hohe Grenzwert von 100.000 Kilogramm tatsächlich gerechtfertigt ist, um das an dieser Stelle zu sagen.

Es gibt andere begriffliche Verwirrungen. Deswegen haben wir bei unserer Internet-Präsentation im Vorwort darauf hingewiesen und schon einige Verbesserungen vorangestellt, damit sich solche Missverständnisse nicht fortsetzen und zu falschen Bewertungen führen.

Bezüglich des Belastungspfades Abwasser und der Radiotoxizität betreffend wirklich bedenklicher Nukleide Jod 131, Kobalt 60, Cäsium 137 habe ich einiges gesagt. Dies werden wir genau betrachten. Die Werte sollen auf allen Flächen reduziert werden.

Bezüglich Tritium haben wir uns ebenfalls in der Fragerunde auseinandergesetzt. Deshalb gibt es von meiner Seite jetzt keine weiteren wesentlichen Bemerkungen.

Das von Ihnen angesprochene Gutachten und Herr Küppers vom Ökoinstitut haben deutlich gemacht, dass bei Strahlenbelastungen von Personen über radioaktive Abwasser, die in die Mosel eingeleitet werden, nicht das Tritium maßgeblich ist, sondern die anderen Radionukleide.

Es ist insgesamt davon auszugehen, dass die Grenzwerte der deutschen Strahlenschutzverordnung bei den beantragten radioaktiven Ableitungen deutlich unterschritten werden. Auch Herr Küppers geht in seiner Stellungnahme offenbar von der Einhaltung der deutschen Grenzwerte aus. Aber das eigentliche Problem ist das Minimierungsgebot. Das will ich betonen. Das heißt, dass nur das an Umweltbelastung zulässig ist, was tatsächlich und technisch notwendig ist, und nicht mehr. Insofern wird diese Frage im weiteren Verfahren eine zentrale Rolle spielen.

Der Prüfantrag an die Fachleute heißt: Sind die Ableitungen tatsächlich in dieser Höhe notwendig, oder können sie mit vernünftigem Aufwand weiter reduziert werden?

Ich habe von den Kommissionen gesprochen, die sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen haben. Für

eine abschließende Bewertung ist es deswegen noch zu früh.

Es gehört zur seriösen Unterrichtung der Öffentlichkeit, dass ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass die Emissionen des Kernkraftwerkes Cattenom an radioaktiven Stoffen und bei den chemischen Stoffen im Vergleich zu Beginn der 90er Jahre deutlich abgenommen haben. Dies ist nicht zuletzt den Diskussionen der deutschfranzösischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen zu verdanken. Deren Arbeitsgruppe Strahlenschutz befasst sich auf jeder ihrer Sitzungen mit den tatsächlichen Ableitungen des Kernkraftwerks Cattenom. Heute liegen zum Beispiel die flüssigen radioaktiven Ableitungen, Tritium ausgenommen, bei rund 10 % der Werte von Anfang der 90erJahre. Dies macht sich auch in den Messergebnissen der Umgebungsüberwachung auf Radioaktivität bemerkbar. Waren Anfang der 90er-Jahre radioaktive Stoffe, die dem Kernkraftwerk zugeordnet werden konnten, noch im Moselwasser oder im Sediment nachweisbar, wurden seit Mitte der 90er Jahre keine radioaktiven Stoffe im Moselwasser mit Ausnahme von Tritium bei den deutschen Messstellen gemessen. Auch nach dem Jahresbericht 2001 lagen selbst im Sediment alle Radionukleide unterhalb der Nachweisgrenze. Der Sedimentaufenthalt zählt zu den kritischen Aufenthaltsphasen. Dies gilt auch für die Fische aus der Mosel. Ebenso wie die Milch, das Trinkwasser und pflanzliche Nahrungsmittel werden diese regelmäßig beprobt.

Die amtlichen Messstellen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die sich für die Umgebungsüberwachung des Kernkraftwerks Cattenom zu einer Messgemeinschaft zusammengeschlossen haben, kommen zu dem Ergebnis, dass die Strahlenexposition der Bevölkerung weit unter den in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwerten liegt. Dieses Ergebnis klingt auf den ersten Blick beruhigend. Ich kann Ihnen aber versichern, dass mich diese Bewertung nicht dazu führt, mich mit dem bisher Erreichten zufrieden zu geben. Das habe ich ausgeführt. Solange aus dem Kernkraftwerk Cattenom radioaktive Stoffe abgeleitet werden und diese Anlage ein nukleares Risikopotenzial darstellt, bleibt diese Anlage und die Minimierung der Ableitung eine der wichtigsten Aufgaben für mein Ministerium. Ich denke, das gilt für uns insgesamt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Den Fraktionen stehen noch insgesamt drei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Es spricht Herr Abgeordneter Marz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, das wollen wir auch. Ich möchte auch den Streit von eben nach zwei Bemerkungen von meiner Seite aus beenden. Diese kann ich mir aber nicht verkneifen. Ich