Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Summe heißt das, statt Mehreinnahmen in 2004, wie Sie es in Ihrer Haushaltsplanung zugrunde legen, werden wir in 2004 eher Mindereinnahmen haben. Das wird in einer Größenordnung sein, die ich nicht bis in die letzte Stelle hinter dem Komma vorhersehen kann. Wenn man von einer Mindereinnahme in einer Größenordnung von 350 bis 400 Millionen Euro ausgeht, ist man nicht ganz auf der falschen Seite. Ein solcher Betrag ist eine Hausnummer.
Wir haben einen höheren Verschuldungsstand, den wir aus 2003 nach 2004 mitschleppen. Ich sage es noch einmal: Das ist Schnee von gestern. – Ich will es nur noch einmal der Vollständigkeit halber sagen. Das ist natürlich ein Anlass dafür, in diesem Jahr einen erneuten Nachtrag vorzulegen. Es hätte ein erneuter Nachtrag vorgelegt werden müssen, damit wenigstens die Eröffnungsbilanz stimmt, mit der wir in die Haushaltsplanung des Jahres 2004 gehen.
Ich sage noch einmal, die November-Steuerschätzung kommt in wenigen Tagen. Natürlich machen diese veränderten Zahlen eine grundlegende Überarbeitung der Eckwerte dieses Entwurfs des Landeshaushaltsplans notwendig; denn ich kenne niemanden, der davon ausgeht, dass die November-Steuerschätzung alles so belässt, wie wir es bisher angenommen haben. Es wird weiter bergab gehen mit den Steuereinnahmen, das heißt, die Eckwerte unseres Haushaltes sind schon über den Haufen geworfen, bevor wir mit den Beratungen begonnen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das nicht mit einem Unterton. Ich sage das, weil man sich bei diesen Haushaltsberatungen komisch vorkommt. Wir beraten einen Haushalt, von dem wir wissen, dass er mit der Wirklichkeit in unserem Land in seinen wesentlichen Grundannahmen nichts zu tun hat. Ich frage mich, wie man das anders nennen soll. Das ist eine Farce, was wir heute machen. Wir reden über einen Haushalt, der in seinen Grundlagen heute am Tag seiner Einbringung gar nicht mehr gültig ist. Das ist eine Farce.
Das wissen alle. Es ist im Übrigen auch nicht das erste Mal, dass wir das hier erleben. Das gab es schon einmal, dass am Tag der ersten Haushaltsberatungen allen Beteiligten klar war, dass die Grundannahmen, die Eckdaten dieses Haushalts, mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Deswegen ist heute am Tag der Generalaussprache über diesen Entwurf des Haushaltsplans nur eines sicher. Es wird auf jeden Fall anders kommen, als es uns die Landesregierung heute weismachen will. Das ist das Einzige, was wirklich sicher ist. Es wird anders kommen. Wir werden schon in wenigen Tagen erleben, wie auf Grund neuer Schätzungen und Prognosen dieser Haushaltsplan grundlegend überarbeitet werden muss. Das, was uns heute vorliegt, ist nicht mehr und nicht weniger als Makulatur, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir reden über Makulatur, über Papier, das mit falschen Zahlen beschrieben ist. Das Zahlenwerk ist überholt.
Dieser Entwurf des Haushaltsplans steht nicht auf tönernen Füßen. Das wäre noch ein eingeschränktes Kompliment. Dieser Haushaltsplan hat eine Bauchlandung hinter sich, bevor er überhaupt in die Beratungen eingeführt wird. Ich bitte die Landesregierung, das einmal zu tun, sich in die Rolle eines Parlamentariers zu versetzen, wie man sich fühlt, wenn man einen Entwurf des Haushaltsplans beraten soll, von dem man weiß, dass er Makulatur ist. Deswegen erinnere ich noch einmal an unseren Vorschlag, einen Nachtrag vorzulegen, Überarbeitung der Grundannahmen des Haushalts und dann den Beginn einer geordneten Beratung eines Zahlenwerks, das in seinen Grundannahmen wirklich zutrifft.
Die Lage bei uns ist ziemlich aussichtslos. Es fehlt der Mut zu einer ehrlichen Eröffnungsbilanz. Es fehlt der Mut zu einem ehrlichen Kassensturz. Wissen Sie, unsere Landesverfassung verpflichtet eine Landesregierung zur Haushaltswahrheit. Das bedeutet, dass eine Landesregierung verpflichtet ist zu einer ehrlichen Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben. Ehrliche Veranschlagung in diesem Zusammenhang heißt nicht, das hineinzuschreiben, wovon der Finanzminister subjektiv überzeugt ist. Ehrliche Veranschlagung heißt, das hineinzuschreiben, was anhand der Daten und Zahlen zugänglich und geboten ist.
Das hat mit subjektiver Überzeugung und subjektiver Ehrlichkeit überhaupt nichts zu tun. Genau an diesem Punkt verletzen Sie die Verfassung zum zweiten Mal. Sie reißen die Verfassungsgrenze für die Neuverschuldungen, und Sie verletzen die Verfassung, weil Sie gegen dieses Verfassungsgebot der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit bewusst und zielstrebig, bewusst und fortgesetzt verstoßen.
Wenn man dann in den Unterlagen nachliest, die die Landesregierung uns allen zur Verfügung gestellt hat, wo die Ursachen liegen – ich habe meinen Augen nicht getraut –, was schuld an dieser Entwicklung ist, was maßgeblich schuld ist – die Entwicklung hat viele Gründe und Ursachen; das will ich gar nicht bestreiten –, aber was maßgeblich schuld an dieser Entwicklung ist, dann ist ausgerechnet der von der Landesregierung so heiß und innig geliebte Pensionsfonds jetzt schuld.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die Finanzplanung zur Kenntnis nimmt, wird man diesen Hinweis finden, dass wir aufgrund dieser Zuführungen zum Pensionsfonds eine überhöhte Nettokreditaufnahme haben mit dem Ergebnis, dass wir die Verfassungsgrenze einreißen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das hat aber eine Voraussetzung, an die ich dann hier wenigstens noch einmal erinnern will, wobei ich mich heute nicht mit dem Pensionsfonds als solchem auseinander setze.
Da haben der Kollege Mertes und ich gelegentlich so unsere Spezialauseinandersetzung. Die müssen wir auch beizeiten hier noch einmal führen, weil der Pens ionsfonds, so wie er sich jetzt entwickelt, aller Auseinandersetzung wert ist. Das ist aber nicht das Thema heute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema heute ist, dass Sie damit natürlich den Nachweis führen, dass der Pensionsfonds in Rheinland-Pfalz mit Krediten gespeist wird. Jetzt kommt der Punkt, an den ich einfach noch einmal erinnern will, weil die Debatte seinerzeit manch einem von uns noch ein bisschen in Erinnerung geblieben ist: Rede des rheinland-pfälzischen Finanzministers Gernot Mittler anlässlich der Verabschiedung des Landesgesetzes über die Errichtung eines Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung am 29. Februar 1996. – Ich sage noch einmal vor dem Hintergrund der Aussage der Landesregierung: Wir müssen wegen der Zuführung zum Pensionsfonds unsere Nettokreditaufnahme über Gebühr erhöhen und unter anderem deshalb die Verfassungsgrenze reißen.
Also Gernot Mittler damals im Jahr 1996 – Zitat –: „Ich begrüße ausdrücklich den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, die Formulierung aus der Gesetzesbegründung, wonach die Zuführungen an den Pensionsfonds aus Einsparungen im Landeshaushalt zu finanzieren sind, in den Gesetzestext selbst zu übernehmen. Damit wird der Grundsatz ‚Vorsorge durch Einsparungen‘ nun auch im Gesetz festgeschrieben. Dies dient der Klarheit unseres Vorhabens und unterstreicht die politische Entschlossenheit der Landesregierung; denn wir wollen die Zuführung der Fondsmittel nicht mit zusätzlicher Verschuldung finanzieren, sondern durch perm anente und kritische Aufgabenüberprüfung Einsparpotenziale freischaufeln und durch stringente Haushaltspolitik eine dauerhaft solide Finanzierung sicherstellen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt wissen wir seit gestern, dass es nach dem ansonsten so heiß und innig geliebten Pensionsfonds einen zweiten Schuldigen für diese Entwicklung gibt. Das ist schon eine ganze Gruppe, nämlich die so genannten vaterlandslosen Gesellen,
wobei ich sagen will, in der Sache unterscheide ich mich von der Meinung des Finanzministers in diesem Punkt überhaupt nicht. In der Sache unterscheide ich mich überhaupt nicht! Mich stört nur ein wenig, dass manch einer dieser vaterlandslosen Gesellen, wenn er denn dazu dient, Öffentlichkeitsarbeit für den Ministerpräs identen zu machen, ganz schnell vom vaterlandslosen Gesellen zum guten Patrioten wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir gestern Abend – so etwas passiert fast jede Woche –
ein paar Zeitungsbilder herausgesucht. Es gibt zwei bedeutende Sportstätten in Rheinland-Pfalz, wo man solchen Begegnungen gelegentlich gar nicht ausweichen kann. Dann sind das alles gute Patrioten. Wenn es zum Gruppenfoto geht, sind das gute Patrioten. Hier in der Finanzdebatte sind es vaterlandslose Gesellen, meine sehr verehrten Damen und Herren. So geht es natürlich nicht.
Zurück zum Haushalt, wobei diese Abschweifung nicht meine Erfindung ist, sondern eine Replik auf den Finanzminister gestern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zum Haushalt. Wir sind haushaltspolitisch und finanzpolitisch am Ende. In diesem Zusammenhang muss ich jetzt noch einmal ein paar Worte über diese Lieblingslegende der Landesregierung mit den Einnahmenproblemen verlieren. Seit vielen Jahren hören wir: Wir haben ein Einnahmenproblem, und deswegen funktioniert das nicht so, wie wir das gern hätten, die Steuern brechen weg. –
Ja, das ist so. Keiner von uns ist blind, und keiner von uns ignoriert die Statistik, und keiner von uns ignoriert die wirtschaftliche Lage in Deutschland. Die Steuern brechen weg.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Steuereinnahmen sind für die Finanzierung unseres rheinland-pfälzischen Haushalts nur die eine Seite. Natürlich finanzieren wir uns auch über Steuereinnahmen. Aber die steuerlichen Einnahmen in Rheinland-Pfalz gerechnet je Einwohner sind verhältnismäßig gering im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Das hat Gründe, die in der Wirtschaftskraft dieses Landes verursacht sind, die ich jetzt im Moment gar nicht durchleuchten will. Ich will nur darauf hinweisen, dass von der Einnahmenstruktur unseres Landeshaushalts her die Einnahmen, die durch Steuern erzielt werden, nur eine Komponente sind. Wenn ich diese Komponente isoliert betrachte, also die Einnahmenstruktur unseres Landeshaushalts im Blick auf die Frage analysiere, welche Bedeutung die steuerlichen Einnahmen haben, dann komme ich zu einem ganz beachtlichen Ergebnis. Dann sind wir nämlich unter den westlichen Flächenländern das Schlusslicht. Von allen westlichen Flächenländern haben wir in der Pro-Kopf-Berechnung die geringsten steuerlichen Einnahmen. Ich sage noch einmal, das hat Gründe, die man in anderem Zusammenhang diskutieren kann, die jetzt keine Rolle spielen. Die Wirtschaftskraft ist wohl der maßgeblichste dafür. Sie sind also im Vergleich der westlichen Flächenländer die geringsten, wenn ich sie pro Einwohner berechne.
Dann aber passiert etwas, von dem wir alle wissen – dafür haben wir in den 90er-Jahren auch sehr gekämpft, und es gab damals politische Konstellationen, die dann auch entsprechende Ergebnisse möglich gemacht haben –, dann kommen nämlich der Finanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen. Jetzt passiert ein kleines Wunder, was die Einnahmenstruktur unseres Haushalts anbelangt. Wir rutschen vom letzten, vom achten Platz, den wir haben, wenn ich die steuerli
chen Einnahmen isoliert betrachte, in der Addition von Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen plötzlich auf einen ganz oberen dritten Platz. Vom Schlusslicht bei den Einnahmen machen wir einen steilen Flug nach oben an die Spitze der westlichen Flächenländer auf den dritten Platz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt, bei den Gesamteinnahmen – also Steuern, Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen, bei den Finanzeinnahmen – haben wir nicht etwa eine besonders schwache Position unter den westlichen Flächenländern, sondern bei den Gesamteinnahmen liegen wir an der Spitze der westlichen Flächenländer. Jetzt muss mir einmal einer erklären, wieso wir ein Einnahmenproblem im Vergleich zu anderen haben. Wir haben kein Einnahmenproblem im Vergleich zu anderen Ländern – im Gegenteil. Wir stehen besser da als die meisten anderen Bundesländer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt – da können Sie jetzt grummeln, wie Sie wollen; Sie grummeln bei diesem Thema immer, weil Sie das natürlich nicht hören wollen, weil es ein bisschen Salz in die Wunden Ihrer verfehlten Haushaltspolitik streut –, wir haben nach wie vor ein Ausgabenproblem.
Das hat mit Zauberei nichts zu tun. Es gibt Leute, die verstehen den Bundesländerfinanzausgleich nicht, Herr Kollege Hartloff. Dazu rechne ich Sie aber nicht. Es gibt ein paar, die verstehen ihn auch.
Wir haben also ein Ausgabenproblem. Wir haben dieses Ausgabenproblem – liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden das in den nächsten Jahren bei jeder Gelegenheit hier immer wieder vortragen – ab Mitte der 90erJahre. Zunahme der bereinigten Gesamtausgaben je Einwohner in Rheinland-Pfalz im Vergleich der Flächenländer West um 13,5 %. Wir liegen 30 % über dem Durchschnitt. Das ist das Problem.
Wir liegen bei der Zunahme der bereinigten Gesamtausgaben je Einwohner in Rheinland-Pfalz 30 % über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Wir liegen bei der Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung des Landes Rheinland-Pfalz im Ländervergleich der Flächenländer West 71 % über dem Durchschnitt. Das ist unser Problem heute. In den 90er-Jahren war das ganz toll, weil man immer mehr Geld ausgeben konnte als alle anderen westlichen Flächenländer. Es gibt kein anderes westliches Flächenland, das in der Pro-KopfVerschuldung so dramatisch zugelegt hat wie unser Land Rheinland-Pfalz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Geld war immer da bei uns. Wenn Sie sich das in der graphischen Umsetzung vor Augen führen – ich zeige das einmal so, dass das die Kollegen von der Sozialdemokratie ein bisschen sehen können –:
Dieser Sprung um 71 % ist einmalig unter allen westlichen Flächenländern. – Jetzt nehme ich die Kommentierung des Finanzministers zu diesem Thema von gestern – wörtlich –:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt sind die Ressourcen aufgezehrt. Das geht auch aus den Unterlagen hervor, die uns zur Verfügung gestellt wurden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber wenn Sie diesen Haushalt lesen, kommen Sie dann wirklich zu dem Eindruck, dass dies ein Sparhaushalt ist, auch im Vergleich mit dem, was in diesen Wochen und Monaten in anderen Ländern passiert? Wissen Sie, die Strategie ist, wir versuchen, uns mit dem bisschen weiße Salbe über die Runde zu retten, irgendwann wird die Konjunktur todsicher wieder anspringen, dann sind wir wieder voll da; denn dann spült uns das das Geld in die öffentlichen Kassen, und wir können gerade so weitermachen, wie wir das in den 90er-Jahren gelernt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber das wird nicht so kommen. Deswegen machen wir mit diesem Haushalt im Moment schon so ein bisschen einen Ritt über den Bodensee.
Die Gesamtverschuldung des Landes Rheinland-Pfalz einschließlich der Nebenhaushalte wird im kommenden Jahr bei deutlich über 24 Milliarden Euro liegen. Dann kommen – was oft vergessen wird, was einem selbst manchmal gar nicht im Blick ist – die Vorbelastungen dieses Haushalts hinzu. Man muss sehen, wie in Anbetracht der Vorbelastungen sich der finanz- und haushaltspolitische Spielraum in den nächsten Jahren gestaltet: Verpflichtungsermächtigungen, Mietkaufmodelle, zugesagte Bewilligungen.