Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

...................................................................................................................3831, 3837 Abg. Böhr, CDU:.......................................................................................................................3822, 3827 Abg. Bracht, CDU:.............................................................................................................................3831 Abg. Creutzmann, FDP:............................................................................................................3824, 3827 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:......................................................................................3840 Abg. Dr. Schmitz, FDP:.............................................................................................................3818, 3820 Abg. Dr. Weiland, CDU:................................................................................................... 3841, 3845, 3852 Abg. Frau Thelen, CDU:............................................................................................................3815, 3819 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..................................................... 3825, 3828, 3835, 3846 Abg. Hartloff, SPD:.............................................................................................................................3833 Abg. Hohn, FDP:................................................................................................................................3856 Abg. Hörter, CDU:..............................................................................................................................3853 Abg. Jullien, CDU:..............................................................................................................................3840 Abg. Kuhn, FDP:.................................................................................................... 3836, 3837, 3847, 3849 Abg. Lewentz, SPD:..................................................................................................................3842, 3845 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.......................................................................... 3817, 3820, 3855 Abg. Mertes, SPD:.............................................................................................................................3821 Abg. Rösch, SPD:.....................................................................................................................3816, 3820 Abg. Schweitzer, SPD:.......................................................................................................................3854 Beck, Ministerpräsident:.....................................................................................................................3829 Dr. Deubel, Staatssekretär:........................................................................................................3826, 3838 Frau Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit:....................................................3818 Härtel, Staatssekretär.........................................................................................................................3849 Präsident Grimm:............................................3815, 3816, 3817, 3818, 3819, 3820, 3821, 3822, 3824, 3825 3826, 3827, 3828, 3829, 3830, 3831, 3833, 3835, 3836, 3837 3838, 3839, 3840 Vizepräsidentin Frau Grützmacher:..................3842, 3845, 3846, 3847, 3849, 3852, 3853, 3854, 3855, 3856 Zuber, Minister des Innern und für Sport:.............................................................................................3852

58. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 05. November 2003

Die Sitzung wird um 14:01 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 58. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Dr. Edmund Geisen und Christian Baldauf. Letzterer führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute der Abgeordnete Dr. Gerhard Schmidt sowie die Staatsminister Margit Conrad und Gernot Mittler. Herr Staatsminister Herbert Mertin kann nur zeitweise teilnehmen.

Herr Ministerpräsident Kurt Beck hat mitteilen lassen, dass er am Donnerstag an der 10. EKD-Synode in Trier teilnehmen wird und daher voraussichtlich erst ab 13:15 Uhr wieder an der Landtagssitzung teilnehmen kann, allerdings auch nur kurzfristig, weil er anschließend zu einer Sitzung nach Berlin reisen muss. Herr Staatsminister Walter Zuber hat mitteilen lassen, dass er heute zweieinhalb Stunden später kommen wird, weil er den Ministerpräsidenten bei einer Veranstaltung der amerikanischen Streitkräfte in Heidelberg vertreten muss.

Meine Damen und Herren, zur ausgedruckten Tagesordnung ist Folgendes anzumerken: Die Beschlussempfehlung zu Punkt 3 der Tagesordnung wurde am Dienstag verteilt. Da beabsichtigt ist, den Gesetzentwurf in der 58. Sitzung, also heute, zu beraten, ist mit der Feststellung der Tagesordnung die Frist zwischen der Verteilung der Beschlussempfehlung und der Beratung des Gesetzentwurfs abzukürzen.

Die Fraktionen sind übereingekommen, Punkt 11 der Tagesordnung, also Weltkulturerbe Mittelrhein, heute nach Punkt 3 der Tagesordnung zu beraten. Dafür sollen die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung – es handelt sich dabei um das Schulgesetz – in der 59. Sitzung, also morgen, nach der Aktuellen Stunde beraten werden.

Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, stelle ich die Tagesordnung so fest. – Das ist der Fall.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Haltung der Landesregierung zu den Personal-Service-Agenturen“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/2609 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Frau Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist interessant, mit einem solchen Thema eine Plenarsitzung zu beginnen und nicht mit unseren Themen immer am Ende der Tagesordnung zu sein. Deshalb will ich die frische Aufmerksamkeit nutzen.

Nach unserer Auffassung ist es Zeit, sich einen ersten Zwischenbericht anzuschauen und eine erste Zwischenbilanz zu der Frage zu ziehen, wie Hartz und insbesondere die Personal-Service-Agentur gewirkt hat, die nach den Ankündigungen damals bei ihrem Erlass Ende 2002 als das Herzstück der Hartzreform mit großen Vorschusslorbeeren und großen Hoffnungen verabschiedet worden ist.

Fakt war und ist die schlechte Arbeitsmarktsituation, die heute noch schlimmer ist als 2002. Notwendig waren und sind politische Entscheidungen, um den Betroffenen Wege in den ersten Arbeitsmarkt zu öffnen, aber uns eres Erachtens nicht nach dem Motto: „Koste es, was es wolle“. Das von der Bundesanstalt reichlich eingesetzte Geld muss spürbare Erfolge bringen, sonst ist es hinausgeworfen.

Wir sollten nun wissen, ob mit dem Herzstück der so genannten Hartzreform, mit dem von Rotgrün im Bundestag beschlossenen Konzept – man vermittelt immer den Eindruck, damit habe Politik nichts zu tun, das haben irgendwelche klugen Menschen erlassen und man bediene sich nur eines Mittels; nein, es ist ein Beschluss der rotgrünen Mehrheit im Bundestag – dieses Ziel gelungen ist, Mittel effizient einzusetzen und damit möglichst vielen Menschen einen Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen.

Sie alle haben die Antwort auf unsere Große Anfrage von der Landesregierung erhalten. Ich denke, Sie teilen unsere Einschätzung, dass diese erste Zwischenbilanz mehr als ernüchternd ist.

(Beifall der CDU)

Sie belegt die Skepsis und auch die Kritik der Opposition in Bund und Land. Gerade einmal 58 Agenturen haben bislang 730 der angestrebten 2090 Plätze in RheinlandPfalz geschaffen. Nur 28 Arbeitslose fanden hierüber den Weg in eine reguläre Beschäftigung.

(Schmitt, CDU: Anspruch und Realität!)

Bis zum Ende des Jahres sollen 2090 Plätze in den Personal-Service-Agenturen zur Verfügung stehen und auch besetzt sein.

Den Einsatz dieser Personal-Service-Agenturen mit dieser Zielprojektion für das komplette Jahr lässt sich die Bundesanstalt für Arbeit immerhin allein für RheinlandPfalz satte 11,7 Millionen Euro kosten.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Da muss die Frage nach Effizienz und Sinn erlaubt sein.

(Beifall bei der CDU – Schmitt, CDU: So ist das!)

Vorweg: Wir üben keine Kritik an den Arbeitsämtern, die sich landauf, landab mit großem Engagement dieser neuen Aufgabe gestellt haben. Sie haben ein Gesetz umzusetzen und tun dies – so wie die Ausführungen in der Antwort auch darlegen – sehr sorgfältig, sehr gewissenhaft und sehr zielstrebig, allein, wenn man sich anschaut, wie die Auswahlkriterien erarbeitet wurden, wie man die richtige Personal-Service-Agentur aus einer Anzahl von Bewerbern findet.

Kritik üben wir an der Personal-Service-Agentur als solche. Was ist ihr Auftrag? Der Auftrag der PersonalService-Agenturen ist es, Arbeitslose zu vermitteln und zu qualifizieren. So weit, so gut. Ich frage jetzt aber gleichzeitig, was der Auftrag der Arbeitsverwaltung neben den Leistungsabteilungen ist. Ihre Aufgabe ist es, Arbeitslose zu vermitteln und zu qualifizieren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich meine, peinlicher kann es doch nicht sein, wie man seine eigene Unfähigkeit und Inkompetenz eingestehen kann. Öffentlicher kann man dies nicht tun als mit der Gründung von Personal-Service-Agenturen.

(Beifall der CDU – Schwarz, SPD: Starke Worte!)

Ich finde, besonders peinlich wird es dann, wenn sich ein zuständiger Arbeitsberater eines Arbeitsamts – geschehen im Norden Berlins – über die Nebeneffekte der Personal-Service-Agenturen freut.

Ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten aus einem Bericht der „Welt“: Statt des von Hartz erhofften KlebeEffekts, nämlich in den rein vermittelten Arbeitsverhältnissen, gab es einen Anti-Klebe-Effekt. Von 330 angeschriebenen Arbeitslosen, die sich bei der PersonalService-Agentur vorstellen sollten, meldeten sich daraufhin mehr als ein Drittel aus der Arbeitslosigkeit ab.

(Glocke des Präsidenten)

90 fanden plötzlich selbst eine Arbeit, 14 wurden krank, fünf zogen um, drei nahmen ein Studium auf, zwei gingen in Rente, zwei wollten gar nicht mehr vermittelt werden, und zwei machten sich selbstständig. Eine enorme Karteibereinigung, freut sich der zuständige Arbeitsberater. – Peinlicher geht es nicht.

(Beifall der CDU – Zuruf von der SPD: Was soll dieser Auftritt!)

Es spricht Herr Abgeordneter Rösch.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reduzierung der Arbeitslosigkeit sowie die Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze ist und bleibt die zentrale Zukunftsaufgabe. Es führt kein Weg daran vorbei: Wir brauchen mutige und durchgreifende Reformen, wenn wir erfolgreich sein wollen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das gilt auch und gerade für die Personal-ServiceAgenturen. Ziel ist es, dass Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Das Arbeitsamt kann für die Tätigkeit einer Personal-Service-Agentur auch pauschalierte Honorare vereinbaren. Diese Honorarvereinbarung muss im Übrigen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechen. So soll das Honorar erfolgsbezogen gestaltet sein und einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, damit Beschäftigte einer Personal-Service-Agentur bald bei einem endgültigen Arbeitgeber untergebracht werden können.

Wie sehen die konkreten Ergebnisse aus?

Die Antwort auf die Große Anfrage belegt, dass in Rheinland-Pfalz 730 arbeitslose Frauen und Männer in Personal-Service-Agenturen beschäftigt sind. Insgesamt hat die Arbeitsverwaltung 58 Verträge mit PersonalService-Agenturen abgeschlossen. Wenn man die Vorgaben des Bundesgesetzgebers zugrunde legt, so sollen bis zum Jahresende etwa 1 % der arbeitslosen Erwachsenen und 2 % der arbeitslosen Jugendlichen in solchen Personal-Service-Agenturen eingegliedert sein. Dies entspricht in unserem Land einer Zahl von etwa 2.000.

Frau Thelen, in der Tat haben wir diese Zielvorgabe noch nicht erreicht. Aber, verehrte Frau Thelen, es ist schon erstaunlich, wenn Sie in einer Pressemitteilung bezüglich der Personal-Service-Agenturen von blanker Sinnlosigkeit reden. Sie sollten wissen, das Jahr ist noch nicht zu Ende. Auch erinnere ich daran, dass für den Vorschlag, Personal-Service-Agenturen einzurichten, die Zeitarbeit Pate gestanden hat. Diese Zeitarbeit – dies ist unbestreitbar – hat sich in den vergangenen Jahren geradezu zu einem Jobmotor entwickelt,

(Beifall der SPD und der FDP)

hat sich doch die Zahl der Zeitarbeitnehmer innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Erfolg der Personal-Service-Agenturen auch vom wirtschaftlichen Aufschwung abhängt. Mit anderen Worten, wenn die Konjunktur wieder anspringt, dann erst können die PersonalService-Agenturen ihre volle Wirkung entfalten.

Ein bisschen mehr Objektivität, ein bisschen mehr Geduld und ein bisschen mehr Optimismus wären angebracht, Frau Thelen. Aber – dies wissen wir bereits aus den vergangenen Debatten – aktive Arbeitsmarktpolitik scheint bei Ihnen immer noch ein Dorn im Auge zu sein.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ihrer Logik kann man nur schwer folgen. Wenn Sie einerseits sagen, bisher seien zu wenig Arbeitslose in den Personal-Service-Agenturen untergebracht worden, gleichzeitig aber, da die Menschen in Personal-ServiceAgenturen zu Recht nicht mehr als Arbeitslose geführt werden, von einem „plumpen Versuch einer statistischen Schönfärberei“ reden, so hat dies mehr mit Zerreden als mit einer objektiven Betrachtung zu tun.

(Beifall der SPD und der FDP)