Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit fortlaufender Dauer der Debatte bin ich der SPD-Fraktion umso dankbarer, dass sie diese Debatte angeregt hat. In der Tat werden einige Dinge klarer. Wir brauchen meiner Meinung nach Klarheit, damit wir nicht in die nächsten Wochen hineingehen ohne zu wissen, wo wir letztlich durch dieses Parlament mit seinen Mehrheiten und Minderheiten als Landesregierung gestützt und wo wir nicht gestützt werden.

In dem, was Herr Kollege Dr. Deubel gesagt hat, ist meiner Ansicht nach klar geworden, wie sich die rheinland-pfälzische Landesregierung zur Frage des Vorziehens der Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 verhält. Das ist auch ausreichend begründet worden. Deshalb will ich darauf auch nur in allgemeiner Form Bezug nehmen.

Wenn heute oder morgen oder bis Freitagmorgen ein Angebot der Kollegen von der CDU kommt – ich meine meine Kollegen von der CDU –, die in sehr offener Form angedeutet hatten, dass sie dem Vorziehen der Steuerreform zustimmen – Herr Althaus, Herr Teufel und andere –, werden wir – so lautet die Absprache im Kabinett – unsere Beschlussfassung gern so variieren, dass wir diesem Teil, wenn er herausgefiltert und politisch entschieden wird – das könnte auch durch eine gemeinsame Erklärung oder Entschließung der Fall sein –, ganz eindeutig und klar zustimmen werden.

Es gibt keine Zweifel an der klaren Haltung der Landesregierung.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Kollege Bracht, es wäre prachtvoll, wenn Sie vom Pult aus reden würden.

Meine Damen und Herren, wir haben bei aller Zurückhaltung hinsichtlich der verfassungsgemäß garantierten Unabhängigkeit der Mitglieder des Vermittlungsausschusses Herrn Kollegen Mittler gebeten, im Rahmen der Vermittlungsbemühungen, die auf uns zukommen, noch einmal den Versuch zu unternehmen, so schnell wie möglich eine politische Erklärung herbeizuführen, dass wir über die Parteigrenzen hinweg diesen Schritt der Steuerreform wollen. Dann bleibt uns immer noch die Gelegenheit, in den nächsten zwei Monaten über 5 % hin oder her der Gegenfinanzierung zu reden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dann wäre ein Teil des volkswirtschaftlich zusätzlichen Risikos, das Herr Kollege Creutzmann und andere beschrieben haben, zumindest eingedämmt. Deshalb wollen und werden wir uns darum bemühen.

Ich habe allerdings den Eindruck – es ist auch über die Hintergründe von Verhaltensweisen geredet worden –, dass wir nicht so ganz offen über diese Hintergründe reden. Ich kann auch nur konstatieren, was Herr Kollege Mertes und Frau Thomas gesagt haben. Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen zur Finanzierung dieser Steuerreform. Bisher hat keiner dieser Finanzierungsvorschläge Gnade vor den Augen der Opposition in Berlin gefunden, die die Mehrheit im Bundesrat hat. Das war so. Das kann sich noch ändern.

Ich stelle fest, dass das, was die Kollegen Steinbrück und Koch in puncto Subventionsabbau vorgeschlagen haben, in seinen Dimensionen deutlich hinter dem zurückbleibt, was die Bundesregierung ihrerseits in den Größenordnungen vorgeschlagen hat. Ich will gar nicht dazu sagen, dass wir sagen: Deshalb schließen wir uns einfach den Vorschlägen der Bundesregierung an. – Sie wissen, dass wir – Stichwort: Entfernungspauschale – in einer Reihe von Punkten andere Positionen haben. Wenn ich sage, es müssen 75 % sein, die gegenfinanziert werden, sage ich dazu, dass dazu die Umsetzung eins zu eins von Steinbrück und Koch nicht ausreichen würde. Als einziger hat Kollege Stoiber zusätzliche Vorschläge gemacht, die ich einigermaßen verifizieren kann, zumindest wenn ich der „Süddeutschen Zeitung“ folgen darf. Das darf man sehr häufig.

(Zuruf des Abg. Schmitt, CDU)

Ich würde keiner noch so guten Zeitung einen allgemeinen Freibrief geben wollen. Ich will diese Vorschläge ein bisschen genauer beleuchten.

Meine Damen und Herren, es wäre für Herrn Kollegen Stoiber – punktuell auch für mich – relativ einfach, im Bereich der Sozialleistungen, die arbeitsmarktbedingt sind, zu sagen, dort kann gestrichen werden, weil wir natürlich aufgrund der günstigen Arbeitsmarktsituation in Bayern und bei uns – wir sind, was den Arbeitsmarkt anbelangt, nicht mehr wesentlich schwächer als Bayern – so etwas sehr schnell sagen können. Jeder, der dies formuliert, weiß doch, dass die Ministerpräsidenten der neuen Länder, ob sie der CDU oder der SPD ange

hören, nie und nimmer einem solchen Vorschlag zustimmen können.

(Mertes, SPD: So ist das!)

Machen wir uns nichts vor. Das können doch nur taktische Vorschläge sein und nichts anderes.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bin zurückhaltend mit dem Zitieren.

Herr Präsident, einmal darf ich es vielleicht. Ich hoffe, ich kann es lesen, weil ich meine Brille nicht mitgebracht habe. Das „Handelsblatt“, das man im Allgemeinen auch ab und an einmal zitieren darf, bezieht sich auf die Diskussion in der Union. Überschrift: „CDU-Länderchefs warnen vor Populismus.“ Datum: „30. Oktober“ dieses Jahres. – Es formuliert: „Die Union präsentiert sich im besten Falle als unberaten, im schlimmsten Falle als tief zerrissen.“

Ich hatte noch am Sonntag den Eindruck, dass wir eine Chance haben, uns über Parteigrenzen hinweg aufeinander zuzubewegen, was das Vorziehen der Steuerreform angeht. Am Montag nach den Sitzungen der Parteigremien war dieser Eindruck leider zerstoben. Das ist meine Analyse. Ich sage sie ohne Schaum vor dem Mund. Man muss schließlich auch ein bisschen dahinter blicken, damit man nicht versucht zu vermitteln, wo nichts zu vermitteln ist.

Mein Eindruck ist, dass es im Wesentlichen um das taktische Sichaufstellen innerhalb der Union geht, wobei eine Position, die sich mit dem Namen eines Kollegen verbindet, der unweit von hier seine Arbeit verrichtet, ist, man müsse alles ablehnen, um diese Regierung zu stürzen. Das ist klipp und klar auf den Nenner gebracht mein Eindruck, den ich von dieser Verhaltensweise habe. Es gibt sicher eine Position, die wiederum differenziert zwischen Herrn Kollegen Stoiber und Frau Merkel zu sehen ist, die weiß, dass bestimmte Entscheidungen über Spitzenkandidaturen vorentschieden sind, wenn sich diese Position durchsetzt.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Böhr, ich fürchte, wenn das die wirklichen Hintergründe für diese Diskussionen sind, hat die Union und mit ihr die gesamte Bundesrepublik Deutschland ein richtiges Problem.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bekomme als Sozialdemokrat wie alle meine Kolleginnen und Kollegen auf dieser Seite des Hauses und bundesweit nicht nur Spott und Häme, sondern auch manchmal Mitleid entgegengebracht, wenn wir derzeit aufgrund der großen Anstrengungen, die für Reformen in der Bundesrepublik unternommen werden müssen, Wahlergebnisse erzielen, die uns tief betreffen.

Wir halten diesen Kurs durch. Ich werde alles tun, dass dieser Kurs durchgehalten wird. Sie können mir glauben, mir tut es weh, wenn ich Briefe von Leuten erhalte, die lange Jahre Sozialdemokraten waren und sich von uns trennen, weil wir diesen nicht vermitteln konnten, worauf es derzeit ankommt. Wir halten diesen Kurs durch. Ich

sage umgekehrt auch, dass ich mir nicht untersagen lasse zu analysieren, wo nach meiner Sehweise die wirklichen Hintergründe für das Verhalten der Union liegen.

Meine Damen und Herren, ich überlasse es den geneigten Bürgerinnen und Bürgern zu gewichten, wer sich wirklich für die Interessen dieses Staates in die Bresche wirft. Sie haben Grund, sich zu besinnen und auf eine Sachpolitik zurückzukehren.

Ich finde, diese Offenheit war an dieser Stelle schlicht und einfach geboten. Deshalb wollte ich sie aussprechen. Die Landesregierung hat in den Punkten, um die es geht, eine klare Position. Insoweit werden wir uns eren Beitrag leisten, damit Deutschland nach vorn kommt. Es hat keinen Sinn, dass man sich ständig vorhalten lassen muss, wir würden Flickschusterei und Ähnliches betreiben. In Wirklichkeit geht es um einen innerparteilichen Machtkampf in der Union. Das sollte hier nicht verschwiegen werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen?

(Abg. Böhr meldet sich zu Wort)

Herr Dr. Böhr, leider nicht. Der Schriftführer hat eine andere Rechenweise als der Präsident. Das soll vorkommen. Den Fraktionen standen siebeneinhalb Minuten zur Verfügung. Dazu kommen sechs Minuten, die über den zehn Minuten liegen, die der Landesregierung zur Verfügung stehen. Das heißt, insgesamt wären auf die vier Fraktionen noch eineinhalb Minuten zu verteilen. Der Kollege Böhr hat aber über die siebeneinhalb Minuten hinaus schon vier Minuten zusätzlich gesprochen. Das war sozusagen der Oppositionsführerrabatt. Mehr Redezeit ist bei allem Verständnis wirklich nicht möglich.

(Zurufe von der CDU)

Wenn der Herr Kollege Mertes Ihnen seine ihm zur Verfügung stehenden Minuten geben würde, wäre das natürlich ein ganz anderer Fall.

Meine Damen und Herren, so ist die Geschäftslage. Ich stelle fest, dass die Aktuelle Stunde abgelaufen ist. Das ist absolut richtig gerechnet. Es ist nachzurechnen.

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:

Wahl der Vertrauensleute des Ausschusses zur Wahl der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter hier: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Verwaltungsgericht Koblenz und Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 14/2534 –

dazu: Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 14/2619 –

Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Wahlvorschlag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP bei Stimmenthaltung des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen ist.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:

...tes Landesgesetz zur Änderung besoldungsund versorgungsrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2505 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Haushaltsund Finanzausschusses – Drucksache 14/2613 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2617 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/2620 –

Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Bracht, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 9. Oktober 2003 ist der Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 33. Sitzung am 8. Oktober 2003, in seiner 34. Sitzung am 16. Oktober 2003 und in seiner 35. Sitzung am 4. November 2003 beraten.

In seiner 34. Sitzung am 16. Oktober 2003 hat der Haushalts- und Finanzausschuss ein Anhörverfahren durchgeführt. Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 22. Sitzung am 4. November 2003 beraten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Terminfolge zeigt, dass diese Beratungen und insbesondere die Anhörung kurzfristig, nach Meinung der Opposition zu kurzfristig, erfolgten, was insbesondere bei den Anzuhörenden zu Problemen führte.

Die Mehrheit des Ausschusses setzte diese Terminfolge aber mit ihrer Mehrheit durch.

Dem Haushalts- und Finanzausschuss lag gestern ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, der keine Mehrheit fand. Die CDU-Fraktion hat