Protokoll der Sitzung vom 06.11.2003

Frau Kohnle-Gros, damit kann ich auch sehr gern auf die von Ihnen geforderte Analyse der Konzepte anderer Länder eingehen.

Als erstes gibt es vor diesem Hintergrund, weil man weniger Geld hat, die Möglichkeit, den Hochschulen eines Landes weniger Geld zu geben. Das ist ein Weg, der zum Beispiel in Niedersachsen gegangen wird, wo mit einem Schlag den Hochschulen 90 Millionen Euro genommen werden. Das ist eine Größenordnung, die ihnen wahrscheinlich die Luft zum Atmen nehmen wird.

Diesen Weg sind wir nicht gegangen. Diesen Weg werden wir nicht gehen.

Frau Kohnle-Gros, das ist das Modell und das Konzept 1, das in anderen Ländern gegangen wird.

Die zweite Möglichkeit, der zweite Ansatzpunkt ist, die Kapazitäten herunterzufahren, um letztendlich unter den verbliebenen Kapazitäten bessere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Dies ist sehr wohl ein denkbarer Weg. Es ist aber ein Weg, der aus meiner Sicht den Erfordernissen und der Bedeutung der Hochschulen für die Gesamtentwicklung einer Gesellschaft nicht gerecht wird, weil es auch ein quantitatives Problem ist.

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es ist übrigens ein Weg, der sehr wohl in dieser Republik gegangen wird – Frau Kohnle-Gros, Konzeptvariante 2 –, zum Beispiel in verschiedenen Spielarten in Hamburg oder BadenWürttemberg, wo man entweder durch Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen, Schließung von Studiengängen oder durch Barrieren zwischen dem Bachelorund Masterstudiengang dieses Problem so managen will.

Meine Damen und Herren, diesen Weg ist die Landesregierung nicht gegangen, und sie wird ihn nicht gehen, weil wir der Meinung sind, dies wird der Aufgabe von Hochschulen für die Zukunftsfähigkeit in dieser Republik nicht gerecht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Kohnle-Gros, es gibt eine dritte Möglichkeit, die ich sehr wohl für ernsthaft erörterungswürdig halte, um mit diesem Problem umzugehen. Das ist das, den Hochschulen neue Einnahme

quellen zu erschließen. Klammer auf: Wir würden zum Beispiel Studiengebühren einführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies bedeutet aber einen Systemwechsel in dem Verständnis, was Bildung und Wissenschaft für diese Gesellschaft bedeuten. Es ist der Weg in den Gebührenstaat. Es ist die Motivation, dass sich eine gute Ausbildung letztendlich durch die individuellen Vorteile rechtfertigt, die ein Einzelner in seinem späteren Leben erhält und nicht in dem Grundansatz dieser Landesregierung, dass es primär von Bedeutung für die Gesamtgesellschaft ist, möglichst viele gut ausgebildete Menschen zu haben und deswegen die Gesamtgesellschaft über staatliche Finanzierung dafür zu sorgen hat und nicht über die individuelle Refinanzierung der Gebühren von Einzelnen.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist eine Grundsatzentscheidung. Deswegen gehen wir diesen Weg so.

Ich kann mich allerdings an dieser Stelle nicht dieses „Schmankerls“ enthalten, dass der Charme eines solchen Modells, das in dieser Republik realisiert ist – Frau Kohnle-Gros, Konzepte anderer Länder, zum Beispiel in Hessen –, damit verbunden wird, dass 90 % der Einnahmen aus Studiengebühren zur Refinanzierung des Staatshaushalts über den Finanzminister dienen sollen.

Meine Damen und Herren, da würde ich sagen, wenn ich mich nicht in einem Parlament befinden würde, ich würde mich, als Hochschulangehöriger „vergackeiert“ fühlen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Bischel, CDU)

Dann gibt es bei diesem Szenario eine vierte Möglichkeit, und zwar, dass man sagt, in dieser Situation, wo qualitativ und quantitativ der Beitrag der Hochschulen so wichtig ist und wir kein Geld haben, müssen wir versuchen, den Status quo zu halten und ihnen zumuten, uns unter diesen Bedingungen mit verstärkten Belastungen insgesamt zukunftsfähig zu machen und irgendwo anders mehr zu sparen. Diesen Weg – dazu stehe ich – ist diese Landesregierung gegangen und wird ihn in Zukunft gehen.

Dass dies keine Lippenbekenntnisse und Sprüche sind, erleben Sie an anderen Stellen. Zum Beispiel in meinem Ressort sehen Sie, dass die Landesregierung sehr wohl bereit ist, Prioritäten zu setzen und zu sagen, anderen kann mehr zugemutet werden als den Hochschulen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass die rheinland-pfälzischen Hochschulen sich ihrer Gesamtverantwortung sehr wohl bewusst sind und eine Einsicht in Möglichkeiten und Notwendigkeiten haben.

Frau Thomas, die Arbeit dieser Hochschulen unter diesen Bedingungen dadurch abzuqualifizieren, dass man

sie als Abbruchunternehmen bezeichnet, finde ich skandalös.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Herr Professor Zöllner, ich fange gleich mit dem Schluss an. Das Wort „Abbruchunternehmen“ war nicht auf die Hochschulen, sondern auf Sie und die Landesregierung gemünzt, damit wir das gleich klarstellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Liebe Frau Kollegin Brede-Hoffmann, wir können das gern im Protokoll nachlesen.

Zum Zweiten, Herr Professor Zöllner, zu den vier Punkten, die Sie dargestellt haben: Natürlich gehen Sie alle diese Wege auch in Rheinland-Pfalz. Sie geben den Hochschulen weniger Geld. Ich habe vorhin die Größenordnung genannt: 30 Millionen Euro im Vergleich 2002 und 2004. Sie versuchen auch, Wege zu finden, Kapazitäten herunterzufahren. Frau Kohnle-Gros hat auf die Strukturkommission hingewiesen.

Ich finde es in Ansätzen den richtigen Weg, auch nach Strukturveränderungen zu schauen, wenn man Kooperationsformen nicht mit ausschließt. Aber da haben wir noch eine andere Auseinandersetzung.

Natürlich gehen Sie auch den Weg neuer Einnahm equellen. Wenn nicht Sie, dann nehmen die Hochschulen jetzt Gebühren ein. Sie wissen, was in Trier zum Teil favorisiert wird. Sie wissen, dass das, was von den Studierenden pro Semester an den Hochschulen eingenommen wird, ansteigt wie andere Mittel auch. Ihr Studienkontenmodell ist in der Form, wie Sie es anlegen, auch eine Variante von Studiengebühren.

Wenn Sie sagen, wir halten den Status quo, dann ist es das eben nicht. Ich will Ihnen das sagen. Frau Schleicher-Rothmund, das ist doch keine herausgenommene Diskussion und eine Diskussion der Hochschulpolitik in fünf Minuten, sondern die Fortführung dessen, was wir bei den Haushaltsberatungen begonnen haben und nächste Woche am Dienstag mit den Präsidenten der Hochschulen fortführen werden.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, weil Sie gesagt haben, das Mittelbemessungskonzept ist das, was zukunftsfähig ist.

Der Präsident der Universität in Mainz sagt, er habe im Wintersemester 2001/02 noch 347 Euro pro Studierendem über diese Mittelverteilung bekommen.

Im Wintersemester 2003/2004 bekomme er 334 Euro pro Student. Sie wollen doch nicht sagen, dass es die

Mainzer Universität in Anbetracht der Leistungen, die sie erbracht hat, verdient hat, weniger Geld zu bekommen. Eigentlich braucht sie mehr Geld.

Deshalb bin ich der Auffassung, dass das kein Mittelbemessungskonzept ist, das nach geforderten bzw. gewünschten Leistungen geht, sondern es ist ein Mittelbegrenzungsmodell, wenn Sie es nicht schaffen, die 71erMittel in diesem Bereich aufzustocken.

Die Forderungen der Hochschulleitungen und der Studierenden liegen doch auf dem Tisch. Darüber werden wir am Dienstag doch diskutieren.

(Kuhn, FDP: Am Dienstag?)

Am Dienstag im Rahmen der Anhörung der Hochschulpräsidenten. Der Termin steht an. Wir werden dabei auf deutliche Korrekturen im Haushalt zugunsten der Hochschulen drängen.

(Glocke des Präsidenten)

Im Finanzplan des Landes finden Sie eine Aussage von mir, die ich in einer meiner früheren Haushaltsreden gemacht habe: Wir müssen mehr in Köpfe investieren statt in Beton. – Herr Kuhn, dann müssen wir über Prioritätensetzungen reden. Dann müssen insbesondere Sie, die Sie sagen, am Mobilitätsbereich dürfe nichts verändert werden, aber die Hochschulen sollen weiter auf dieser Linie fahren, in ihrer Prioritätensetzung etwas ändern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kuhn, FDP: Das ist doch wieder gelogen!)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher-Rothmund.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Befürchtung hat sich bestätigt. Was Sie heute abliefern, ist nichts anderes als eine vorgezogene Haushaltsdebatte.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Fortsetzung!)

Diese Debatte hätte in der nächsten Woche im Rahmen der Anhörung stattfinden müssen. Anschließend hätte die Debatte in den zuständigen Ausschüssen fortgesetzt werden müssen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie doch einmal etwas zur Sache!)

Jetzt sage ich gern etwas zur Sache. Wer stimmt keiner einzigen Einsparmöglichkeit zu? Welche Haushälterin kritisiert jede Mehrausgabe in höchstem Maße? Das sind doch Sie. Sie gehen dabei doch nicht mit.

(Beifall bei SPD und FDP)

Frau Kohnle-Gros, Sie sind eine Liebhaberin der Betrachtung der Pro-Kopf-Ausgaben. Das wundert mich; denn letztlich vertreten Sie eine unternehmerorientierte und damit leistungs- und effizienzorientierte Partei.

(Kuhn, FDP: Nee, nee!)