Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Von daher ist klar, dass wir – dies betrifft vor allem die CDU – die Bundespolitik in jedem Fall insoweit mit einbeziehen müssen, als eine ernsthafte Diskussion um Steuervereinfachungen stattfinden muss. In diesem Zusammenhang wird auch eine Steuerminderung diskutiert. Aber wenn man eine Steuerminderung verspricht, ohne auf der anderen Seite einen Subventionsabbau – beispielsweise bei der Eigenheimzulage, der Entfernungspauschale, der Wirtschaftsförderung oder der Kohle – vorzuschlagen, kann man sich auch nicht erns thaft als Steuersenkungspartei verkaufen.

Man sollte noch einmal klar sagen, die CDU braucht ein Gesamtkonzept. Sie kann nicht im Land das eine und im Bund das andere und auf kommunaler Ebene ein Drittes verkünden. So wird kein Konzept entstehen, so wird höchstens ein Chaos befördert, das keinem hilft, meine Damen und Herren. Das sehen wir bei der CDU in Rheinland-Pfalz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in unseren Vorschlägen zwei Schwerpunkte festgelegt. Wir haben Vorschläge im Bereich der Bildung für die Förderung der Hochschulen, der Ganztagsschulen und zum Ausbau der Gesamtschulen gemacht. Dies ist genau das, was aus den Untersuchungen und internationalen Vergleichen der PISA-Studie zu lernen ist und was wir in Rheinland-Pfalz umsetzen wollen. Dazu brauchen wir natürlich Geld.

Des Weiteren muss die Qualität und die Quantität der Kinderbetreuung erhöht werden. Dies gilt vor allem für die Kinder, die bis zu drei Jahre alt sind. Dies hat auch eindeutige Auswirkungen auf die Berufsausbildung. Es gilt insbesondere auch, die Integration der Migrantinnen und Migranten zu fördern. Dabei geht es nicht um eine kulturelle, sondern um eine sprachliche Integration, die

wir schon in den ersten Lebenjahren dringend brauchen, damit unser Schulsystem von solchen zusätzlichen Belastungen inhaltlicher Art entlastet wird. Es geht darum, dass wir später einen gerechten Zugang zu Beruf und Einkommen von Menschen haben, die eingewandert sind, von Menschen, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind und die nun in der Bundesrepublik leben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen die Ungleichheit deutlich, wenn wir uns die derzeitigen Zahlen der Ausbildungsplätze vor Augen halten und wenn wir uns verdeutlichen, wer keinen Ausbildungsplatz erhält. Dies sind eben die benachteiligten Jugendlichen. Wir haben in Rheinland-Pfalz viel getan, und ich glaube, die Anstrengungen sind noch nicht abgeschlossen – Herr Ministerpräsident, Sie haben den ovalen Tisch erwähnt –, aber dennoch ist es nicht gelungen, alle, die ernsthaft einen Ausbildungsplatz suchen, zu vermitteln.

Nach dem Verfassungsgerichtsurteil müsste theoretisch bei 100 %, die einen Ausbildungsplatz suchen, mindestens ein Ausbildungsplatzangebot von 112,5 % vorliegen. Das heißt, wenn 10.000 Bewerberinnen und Bewerber einen Ausbildungsplatz suchen, müssten 12.500 Ausbildungsplätze vorgehalten werden – davon sind wir noch weit entfernt –; denn es geht darum, ein auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot zu schaffen.

Herr Ministerpräsident, die berufsbildenden Schulen werden natürlich nun mehr belastet. Sie haben es erwähnt. Es ist nicht so, dass diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, nichts tun. Sie müssen ausbildungsfähig werden oder ausbildungsfähig bleiben. Deswegen müssen sie in der Berufsschule so genannte Ehrenrunden oder Warteschleifen drehen, was eine zusätzliche Belastung für die Berufsschulen darstellt. Wir haben an den Berufsschulen schon jetzt den höchsten Unterrichtsausfall an allen Schulen.

Das sind schon knapp 10 %. Wenn wir sehen, dass weitere Belastungen auf uns zukommen, dann müssen natürlich auch erhöhte finanzielle Anstrengungen gemacht werden, dass die Berufsschulen diese Lasten, die auf sie zukommen, tragen können. Entsprechende Anträge haben wir gestellt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jenseits der Bildungsdiskussion haben wir einen zweiten Schwerpunkt. Es ist für Sie nichts Neues, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Schwerpunkt in der Innovation im Energiesystem und in der Innovation in der Umweltpolitik setzt. Ich glaube aber, es ist für RheinlandPfalz wichtig zu sagen und zu wissen, dass wir Arbeitsplätze schaffen können, einen Rückenwind aus der Bundespolitik haben und in der Bundesrepublik Deutschland ein Erneuerbare-Energien-Gesetz haben, das andere Staaten im Moment kopieren.

Wir werden also in Europa eine Angleichung an Vergütungssätze haben, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland gezahlt werden. Ich glaube, es ist wichtig, in Rheinland-Pfalz wirklich eine Aufbruchstimmung in

diesen Bereichen zu erzeugen. Das gilt nicht nur für die erneuerbare Energie, gegen die FDP und CDU immer zu Felde ziehen, nämlich die Windkraft.

(Kuhn, FDP: Was? – Dr. Schmitz, FDP: Gegen die Windräder! Das ist etwas anderes! Nicht so pauschal!)

Ich weiß, Sie sind gegen die Windmühlen unterwegs. Das kennen wir ja. Don Böhr und Sancho Kuhn reiten gemeinsam gegen die Windmühlen und erreichen zum Glück dort keinen Sieg, sondern holen sich eher eine blutige Nase im Kampf gegen die Windmühlen.

Ich meine auch die anderen Möglichkeiten der erneuerbaren Energien. Ich meine, dass die Geothermie mehr gefördert werden muss. Dies hat der Wirtschaftsminister in der Weihnachtspause oder kurz vor Weihnachten verkündet. Ich bin gespannt, wann diese Förderung ausgezahlt werden kann.

Ich möchte auch, dass die Solarenergie in RheinlandPfalz mehr gefördert wird und wir einen Schwerpunkt nicht auf dem Feld der erneuerbaren Energien, sondern auf dem Feld der Energieeinsparung und Energieeffizienz legen.

Alle sagen zu Recht seit Jahren, unsere Hauptenergiequelle in Deutschland ist die Energieeinsparung. Es wird noch viel zu viel Energie verschwendet. 50 % der Energie, die in Deutschland verbraucht wird, könnte eingespart werden. Dort haben wir die entscheidenden Potenziale.

Wir haben gelernt, dass es bei der landeseigenen Gebäudeverwaltung leider nicht so ist, dass sie Beispiel gebend ist. Deswegen haben wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entsprechend Gelder beantragt, Modellprojekte zu fördern, aber auch solche Projekte umzusetzen, die tatsächlich Energie einsparen. Das wird auf jeden Fall für Rheinland-Pfalz ein finanzielles Plusgeschäft, weil wir dann in den nächsten Jahren Einsparungen haben werden. Wir haben auch die Möglichkeit, über Energieeffizienz Arbeitsplätze zu schaffen und gute Beispiele zu geben, sodass im Handwerk und auch in der Industrie neue Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz entstehen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon fatal, wenn wir sehen, dass RheinlandPfalz, ein Land, in dem ein Großanbieter beispielsweise Dämmstoffe anbietet – viele kleine Anbieter natürlich auch –, in dem beispielsweise die Brennstoffzelle im Moment weiterentwickelt wird, ein Land, in dem Arbeitsplätze im Chemiesektor in großem Umfang daran hängen, Innovationen gerade auch im Energiebereich durchzusetzen, nicht führend in dem Bereich ist, sondern dass andere Bundesländer Beispiel gebend sind. Ich nenne natürlich das Land Nordrhein-Westfalen, das ist klar, weil dort BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Regierung mit beteiligt ist, und Schleswig-Holstein. Aber auch andere Bundesländer, in denen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht mit in der Regierung ist, haben viel bessere Förderprogramme als Rheinland-Pfalz.

Rheinland-Pfalz mit diesen hervorragenden Startpositionen im Bereich der erneuerbaren Energien und im Bereich der Energieeinsparung versäumt diese Chancen.

Wir lesen immer nur Pressemitteilungen aus dem Umweltministerium, wir vermissen Taten. Das Wirtschaftsministerium hat in diesem Bereich zu wenig getan. Herr Bauckhage, Sie können gleich etwas dazu sagen. Deswegen wollen wir auch im Wirtschaftsministerium die Mittel für erneuerbare Energien aufstocken, damit endlich einmal – wir sagen dies schon seit Jahren – eine Aufbruchstimmung erzeugt wird, die auch zu mehr Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz führt, Herr Bauckhage.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe genannt, wo wir Schwerpunkte setzen und mehr Mittel ausgeben wollen. Sie werden natürlich zu Recht fragen, wo wir einsparen wollen.

(Bauckhage, FDP: Da haben wir es schon!)

Nachdem ich gehört habe, wie sehr die CDU einsparen möchte, bin ich überrascht, wenn ich lese, welche Anträge die CDU einbringt: Minus 13 Millionen Euro globale Minderausgabe, plus 13 Millionen Euro globale Mehreinnahme. Hinterher stellt sie sich dann hin und sagt, wir haben im Landeshaushalt 100 Millionen Euro eingespart.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ohne dass jemand protestiert!)

Wir sind darüber ein wenig neidisch. So locker würden wir das bei den GRÜNEN auch gern einmal machen. Dann hätten wir nicht einmal 10 % der Arbeit, die wir uns machen. Wir versuchen aber, tatsächlich auch ernsthaft immer nachzuweisen, dass wir – ich hätte fast gesagt auf Heller und Pfennig – auf Euro und Cent genau Gegenfinanzierungsvorschläge haben.

(Kuhn, FDP: Nur in die falsche Richtung!)

Diese Gegenfinanzierungsvorschläge liegen bestimmt auch in einem Bereich darin, dass man Personal einsparen könnte. Das kann man nicht von heute auf morgen. Das ist vollkommen klar. Das ist eine langfristige Geschichte. Ich glaube aber durchaus, dass es im Bereich der Ministerien möglich wäre.

Die Einsparungen liegen aber auch im Subventionsabbau, am einfachsten aber da, wo wir beim Straßenbau sparen können. Das ist bekannt, man kann es aber nicht oft genug sagen.

(Ministerpräsident Beck: Ach ja!)

Wir sind nun kein Entwicklungsland. Wir haben in manchen, natürlich nicht in allen Gebieten in Rheinland-Pfalz das dichteste Straßennetz Deutschlands. Deutschland ist nun kein Land, das ein normalerweise sehr ausgedünntes Straßennetz hat. Rheinland-Pfalz ist führend.

Soweit ich weiß, ist in der Vorderpfalz das dichteste Straßennetz in Deutschland.

(Mertes, SPD: Bei uns nicht! – Rösch, CDU: Das gehört auch zu Rheinland-Pfalz!)

Bei Ihnen nicht! Ich muss jetzt einmal sagen, seien Sie froh, dass Sie nicht das dichteste Straßennetz im Hunsrück haben. Das würde ganz schön schrecklich im Hunsrück aussehen.

(Mertes, SPD: Das Gegenteil ist der Fall!)

Ich stelle mir in dem Zusammenhang aber eine Frage. Rheinland-Pfalz ist das Bundesland mit der größten Autodichte in Deutschland, ein Bundesland, das also schon die größte Autodichte in Deutschland erreicht hat, ein Land, das keine weitere Steigerung in der Einwohnerzahl mehr erreichen wird, sondern in dem noch nicht im Moment, aber später die Einwohnerzahl rapide sinken wird. Jeder kann nur ein Auto fahren. Es ist noch nicht so weit, dass jeder zwei Autos fahren kann. Zwei Fernseher kann man haben, nicht aber zwei Autos gleichzeitig fahren. Das ist noch das Gute daran. Wenn man also diese Prognose sieht, dann ist es klar, dass irgendwann auch einmal im Straßenbau das Optimum dessen erreicht ist, was finanzierbar ist.

Natürlich kann man sich wünschen, alle Straßen vierspurig oder sechsspurig auszubauen. Momentan diskutieren wir in Rheinland-Pfalz darüber, dass Autobahnen, die vierspurig sind, sechsspurig ausgebaut werden sollen. Wir diskutieren über Qualitätsverbesserungen – dies in Anführungszeichen – und Möglichkeiten, Zeit von wenigen Minuten zu sparen. Ich halte dies für eine Diskussion, die eine Diskussion von gestern und nicht eine für morgen ist. Für morgen ist die Bildungsdiskussion angesagt, nicht die Straßenbaudiskussion.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Rheinland-Pfalz ein sehr gutes Netz im ÖPNV, das wir aber weiter ausbauen wollen, das natürlich bisher auch mit Landesmitteln unterstützt wird. Ich sage ganz offen, leider sind in diesem Bereich die Bundesmittel nicht so üppig, wie wir uns das gern wünschen würden. Wir haben eher mit Restriktionen und Kürzungen zu rechnen.

Es ist gut und wichtig, dass der ÖPNV in RheinlandPfalz weiterhin auf dem jetzigen Niveau stattfindet. Wir wollen aber auch einen Ausbau in der Fläche.

Wenn ich sehe, dass die Rheinschiene relativ gut bedient ist – Fernzüge sind gestrichen worden –, dann kann ich sagen, wenn ein gutes Netz besteht, dann habe ich auch die Chance, dass man sein Leben in vollen Zügen genießen kann. Die Züge sind in Rheinland-Pfalz dort, wo ein gutes Angebot vorhanden ist, voll. Dort haben wir auch die entsprechende Nachfrage und die Möglichkeit, Leute vom Auto auf den Zug und den öffentlichen Personennahverkehr, also in die Busse und in die Züge zu bekommen. Dort haben wir Chancen, zusätzlich noch einmal umweltpolitisch, aber auch von den

Arbeitsplätzen her zuzulegen. Auch im öffentlichen Personennahverkehr haben wir Arbeitsplatzeffekte.

Wir haben in der Innovation für die Zukunft im öffentlichen Nahverkehr und in der erneuerbaren Energie die Chancen, weltweit führend zu sein. Wenn wir weltweit führend sein können, wenn wir Marktführer sein können, dann haben wir die entsprechenden Exportchancen.

Meine Damen und Herren, zu diesen Maßnahmen, die wir vorschlagen, gehört natürlich auch eine Agrarwende. In einem Agrarland wie Rheinland-Pfalz, in einem Land, das den höchsten Waldanteil in der Bundesrepublik Deutschland hat, muss man sich nicht nur um Straßen auf dem flachen Land kümmern, sondern man muss sich auch darum kümmern, wo Arbeitsplätze entstehen und wo Arbeitsplätze im Bereich der Landwirtschaft und im Bereich der Forstwirtschaft gehalten werden können. Wir halten die ökologische Agrarwende für eine Maßnahme und für ein Projekt, das zusätzliche Arbeitsplätze schafft, das Arbeitsplätze im ländlichen Raum halten kann und das Arbeitsplätze in einer Struktur halten kann, die wir auch in Rheinland-Pfalz wollen, von der wir in Rheinland-Pfalz auch Vorteile haben, nämlich eine eher bäuerliche Landwirtschaftsstruktur und keine großindustrielle Landwirtschaftsstruktur. Die wollen wir auch nicht. Wenn wir die im Moment noch nicht haben, dann ist es doch gut, wenn wir überall, wo wir können, auch diese Landwirtschaft unterstützen.

Die ökologische Wende bietet da Chancen. Wir haben immer noch das Höfesterben. Wir müssen dagegen agieren und reagieren. Ich glaube, da ist die ökologische Wende und die Regionalisierung der Märkte eine gute Chance für alle, die aus der Landwirtschaft kommen und von der Landwirtschaft leben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)