Protokoll der Sitzung vom 11.02.2004

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, ich finde, dass wir verantwortungsvolles Verhalten nicht nur von der Wirtschaft und der Politik, sondern auch von den jungen Leuten erwarten können. So einfach ist das.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es geht auch darum – darüber haben wir oft gesprochen –, dass die jungen Menschen motiviert werden müssen und sollen, in einem anderen Fach eine Ausbildung anzutreten, wenn sie in ihrem Traumberuf keinen

Ausbildungsplatz bekommen. Den jungen Leuten muss klargemacht werden, dass eine abgeschlossene Ausbildung – egal in welchem Fachbereich – tausendmal besser ist, als in der Warteschleife zu bleiben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Auch hier gibt es viel zu tun. Hier sehe ich sehr viel Eigenverantwortung sowohl bei den jungen Menschen als auch bei den Eltern, die die jungen Leute begleiten sollten.

Herr Kollege, ich darf kurz auf die Qualifikationen zu sprechen kommen, die Sie genannt haben. Natürlich gibt es junge Leute, die über keine sehr gute Qualifizierung verfügen. Auch das gibt es. In der Anhörung – vielleicht haben Sie das nicht verstanden oder gerade nicht zugehört – hat uns das Bundesinstitut für Berufsbildung Zahlen vorgelegt, aus denen hervorging, dass die Schulabschlüsse immer höher werden und die Quoten der Abschlüsse in den einzelnen Berufssparten, wenngleich minimal, aber immerhin doch steigen.

Wir haben uns dieses Mismatch nicht erklären können. Wie kann es sein, dass so viel davon gesprochen wird, dass die jungen Leute scheinbar nicht qualifiziert werden oder sind, die Schulabschlüsse aber immer höher werden? Durch Nachfragen haben uns die Vertreter der kommunalen Gebietskörperschaften erklärt, es würde primär an den Sekundärtugenden liegen. Ich finde, das ist eine ganz andere Botschaft, als wenn wir sagen würden, die jungen Leute seien heute per se dumm. Das halte ich für schwierig.

(Weiner, CDU: Das hat niemand gesagt!)

Ich verbessere, dass der Eindruck erweckt wird, sie seien alle dumm. – Vielleicht ist das besser.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

In jedem Fall spielt, was die Kommunikation mit den jungen Leuten angeht, die Schnittstelle Ausbildung, Schule und Betrieb eine ganz entscheidende Rolle. Wir müssen noch viel mehr dafür sorgen, dass die bereits laufenden Maßnahmen in der Berufsvorbereitung und auch in den Betriebspraktika weiter ausgebaut werden und die jungen Leute möglichst noch mehr aus erster Hand erfahren, was sie in der Berufsausbildung erwartet, und zwar unter anderem auch deshalb, um Ausbildungsabbrüche zu minimieren und dafür zu sorgen, dass sie möglichst dabei bleiben.

Ebenso wichtig ist bei der Schnittstelle Schule/Beruf auch, dass wir die Informationsdefizite abbauen. Es ist doch erstaunlich, dass zwei Drittel der Unternehmen gar nicht darüber Bescheid wissen, welche hohen Flexibilisierungsmöglichkeiten es in Bezug auf die Berufsschulen gibt. Das müssen wir ändern. Es gibt sehr viele Informationsdefizite. Dabei brauchen wir mehr Transparenz. Wenn ich von Informationsdefiziten spreche, dann geht es auch um Betriebe, die noch gar nicht ausbilden aber eigentlich gern ausbilden würden. Das ist zum Beispiel so bei den Betrieben oder Unternehmen in den neuen Dienstleistungsbereichen. Dort könnte ein gezieltes Informationsmanagement oder ein externes Aus

bildungsmanagement helfen, die die Unternehmen beraten und sagen: Ihr bildet aus, wir beraten euch, wir helfen euch und geben euch Unterstützung. – Genau dasselbe gilt übrigens auch für Unternehmen, die keine volle Ausbildungseignung haben, oder beispielsweise nicht über die personellen Strukturen verfügen, die so genannte Verbundausbildung noch weiter in RheinlandPfalz zu intensivieren, mit der wir in Ludwigshafen und auch in Pirmasens zum Glück schon gute Erfahrungen gemacht haben. Das war auch einhellige Meinung in der Anhörung, dass wir die Verbundausbildung weiter vorantreiben sollten.

Meine Damen und Herren, wenn wir von Unternehmen sprechen, müssen wir auch über Unternehmenskultur sprechen und darüber, dass den Unternehmen eigentlich mehr vermittelt werden muss, welche Vorteile es mit sich bringt, junge Menschen auszubilden, dass dies etwas mit Unternehmenskultur zu tun hat und den Unternehmen zugute kommen wird, insbesondere vor dem Hintergrund eines absehbaren Mangels an Fachkräften.

Meine Damen und Herren, was den Mangel an Fachkräften angeht, müssen wir auch – auch das war einhellige Meinung in der Enquete-Kommission – dafür sorgen, dass Frauen unter dem Aspekt des Gender Mainstreaming noch mehr so genannte frauenuntypische Berufe ergreifen. Da gibt es auch schon unterschiedliche Projekte, die in Rheinland-Pfalz sehr erfolgreich laufen, das Ada-Lovelace-Projekt und auch der Girls‘ Day. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Ausbildung möglichst in Teilzeit möglich ist. In einigen Modellen ist das schon der Fall. Wir müssen aber sehen, ob wir das noch ausweiten können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, da ich eben von Unternehmenskultur gesprochen habe – lassen Sie mich das noch kurz einbringen –, möchte ich Ihnen ein ganz plastisches Beispiel darlegen. Ich kaufe meine Blumen und all das, was ich brauche für Ehrungen, Empfänge und auch privat bei meinem Gärtner Kimmes in Nackenheim, weil er mit zwei Angestellten eine Auszubildende hat. Das trage ich überall weiter, egal wo ich bin.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Überall gebe ich die Blumen mit seinem Kleber ab und sage, dass ich das deshalb mache, weil er ausbildet. Ich glaube, wenn wir das vorantragen und wenn wir Werbung untereinander machen und den Betrieben klarm achen, dass wir das sehr wohl zu würdigen wissen, wenn sie ausbilden, dann kommen wir einen großen Schritt voran.

(Beifall bei der SPD)

Auf einen zentralen Punkt innerhalb der EnqueteKommission möchte ich noch zu sprechen kommen, nämlich die Ausbildungsplatzabgabe. In unserem Antrag steht – ich darf zitieren –: „Unbürokratische Lösungen in der Eigenverantwortung der Wirtschaft, Kammern und Sozialpartnern sind zur Schaffung von Ausbildungsplätzen weiterzuverfolgen und einer staatlichen Ausbildungsplatzabgabe vorzuziehen.“

Meine Damen und Herren, wir haben mit diesen eben genannten unbürokratischen Lösungen in RheinlandPfalz zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation schon sehr viel erreicht.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich darf Ihnen dazu beispielhaft den ovalen Tisch des Ministerpräsidenten, die Kampagne „Jugend in Arbeit“ erwähnen – die Jugendscouts hatte ich vorhin schon angeführt –, das Darlehensprogramm der ISB und natürlich auch die vielen unterschiedlichen Initiativen und Aktionen der Kammern, wie beispielsweise Ausbildungspaten und Lehrstellenlotsen.

Meine Damen und Herren, diese Arbeit müssen wir so fortsetzen. Wir wollen, wenn es irgendwie geht, Lösungen auf freiwilliger Basis, die die Betriebe stützen und sie fördern, die keine Belastung darstellen, sodass dadurch Ausbildungsplätze geschaffen werden können.

Meine Damen und Herren, es geht um das, was wir bisher an gut laufenden und gut funktionierenden Maßnahmen und Aktionen haben, und das andere, was in den Anträgen oder in unserem gemeinsamen Antrag steht, das diese Aktion begleiten und verbessern soll. Dabei möchte ich eines anmerken. Ich kenne auch den Antrag der CDU sehr genau. Das, was wir bisher haben, muss mit dem verknüpft werden, was wir fordern oder was wir an Vorstellungen in den Anträgen haben. Ich habe eine Schwierigkeit in den Überlegungen. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Ich weiß nicht, wie Sie es zusammenbekommen wollen, die Verbesserung am Ausbildungsplatz, wenn Sie zur Beratung des Landeshaushalts 2004 für schwer vermittelbare Arbeitslose eine Streichung von 15 Millionen Euro vorgesehen hatten. Das halte ich für schwierig, weil ich nicht weiß, wie Sie das zusammenbekommen wollen.

Wir wollen jedenfalls die Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, nicht allein lassen. Wir wollen diesen Menschen, den älteren Menschen, insbesondere den jungen Menschen, beim Einstieg in das Berufsleben helfen, weil wir meinen, dass sie darauf ein Anrecht haben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Bei dem jungen Mädchen, das ich zu Anfang erwähnt hatte, das bisher – –

(Zuruf von der CDU)

Das finde ich eigentlich gar nicht so lustig. Ich sage Ihnen auch, warum.

keine so leichte Vita hinter sich gebracht hat, das mit zum Teil dramatischen Situationen zu Hause leben muss und mit diesen konfrontiert wurde, sind durch diese Tatsache auch die schulischen Leistungen in den Hintergrund getreten. Damit will ich sagen: Die jungen Leute sind in der großen Überzahl nicht schuld an ihrem Schicksal. Daher müssen wir ihnen helfen. Der Lehrer, den ich dann auch noch gesprochen habe, sagte mir ganz sachlich und unsentimental: Hier hat jeder seine Geschichte. – Das ist mir sehr nahe gegangen, weil ich

festgestellt habe: Wir müssen diesen jungen Menschen helfen und können nicht durch ein großes Streichkonzert bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder aber dadurch, dass wir gewisse Sachen schlechtreden, diesen Menschen noch Steine in den Weg legen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin froh darüber, dass ich, nachdem ich diesen Schulbesuch beendet hatte, sagen konnte: Wir haben viele Maßnahmen und Aktionen in Rheinland-Pfalz, die sehr gut laufen. Wir wollen sie mit den Dingen begleiten, die wir in unserem Antrag formuliert haben. Die SPDFraktion wird das mit sehr viel Elan vorantreiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Braun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Enquete-Kommission ist nun einmal eine besondere Sache im Landtag. Es erfordert auch eine besondere Debatte, wenn man einen Zwischenbericht einer EnqueteKommission besprechen will.

Deswegen will ich zunächst einmal mit den Konsenspunkten anfangen. Ich glaube, es ist Konsens von allen innerhalb der Enquete-Kommission, dass Handlungsbedarf im Bereich der Ausbildung vorhanden ist. Das haben wir durch die Anhörung, die wir durchgeführt haben, erfahren. Das haben wir von den berufsbildenden Schulen, von den Schülerinnen und Schülern selbst und von den Betrieben erfahren. Natürlich ist Handlungsbedarf vorhanden, und – das können wir gemeinsam feststellen – es ist ein dringender Handlungsbedarf vorhanden, weil junge Menschen auf der Straße stehen, die nicht vermittelt werden, weil sie keine Zukunftschancen haben, ohne Berufsausbildung sind und weil wir, wenn wir eine Berufsausbildung fördern wollen, das nicht im nächsten oder übernächsten Jahr tun können, sondern weil wir das jetzt direkt tun müssen, und zwar in diesem Schuljahr, bevor das nächste Ausbildungsjahr beginnt.

Ich glaube, es ist wichtig, das zunächst einmal zu betonen, weil – ich komme jetzt direkt auf die Diskussion innerhalb der Enquete-Kommission und auf die Verfahrensweise der Enquete-Kommission – es meiner Auffassung nach besser gewesen wäre, wenn die EnqueteKommission, die sechs Sachverständige in ihren Kreis aufgenommen hat und den Sachverstand dieser Sachverständigen auch nutzen wollte und genutzt hat, mit einer gemeinsamen Empfehlung an den Landtag gegangen wäre. Ich glaube, wir hätten uns bestimmt im Bereich der berufsbildenden Schulen auf Verbesserungen einigen können, die dringend notwendig sind. Die FDP und die SPD hätten mehr Schwierigkeiten gehabt,

weil sie die jetzige Politik verteidigen müssen, aber man hätte das sicher auch bewerkstelligen können, dass wir gemeinsam sagen könnten: Es sind bestimmte Maßnahmen notwendig im Bereich der berufsbildenden Schulen. Es sind auch Maßnahmen notwendig, die Geld kosten. – Dann hätten wir diese Empfehlung gemeinsam mit den Berufsschulen, gemeinsam mit den Menschen, die wir angehört haben, gemeinsam mit denen, die betroffen sind, hier in den Landtag einbringen können. Dann hätten wir eine klare Empfehlung der EnqueteKommission gehabt.

Meine Damen und Herren, diese klare Empfehlung haben wir jetzt allerdings nicht, sondern wir haben drei verschiedene Anträge, die in den Ausschüssen dann wieder in zwei Monaten im Landtag diskutiert werden sollen und die – so wie ich Sie verstanden habe, Herr Weiner und Frau Grosse, nachdem Sie beide uns schon wegen unserer Position angegriffen haben – bestimmt nicht auf Konsens hinauslaufen werden, sondern die in der üblichen ritualisierten Art und Weise besprochen werden.

Jeder beharrt am Schluss auf seinem Antrag. Dann wird der Antrag von SPD und FDP abgestimmt, weil der die Mehrheit hat.

Da nickt Herr Dr. Schmitz schon ganz stolz. Sie wissen, Sie haben die Mehrheit und können das entsprechend auch so schreiben.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP – Zuruf von der SPD: Das hat seinen Vorteil!)

Das hat seinen Vorteil für die SPD und die FDP.

Das hat aber keinen Vorteil für die jungen Menschen, die auf der Straße stehen. Für die hätte ich gern einen Vorteil gehabt, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD und der FDP: Ah!)