Wahl der vom Landtag Rheinland-Pfalz zu wählenden Mitglieder der zwölften Bundesversammlung Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2987 –
Benennung eines stellvertretenden Mitglieds des „Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat (KGRE)“ für die Amtszeit 2004 bis 2006
Ich informiere Sie darüber, dass der Ältestenrat in seiner 31. Sitzung übereingekommen ist, den Präsidenten des Landtags als stellvertretendes Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat zu benennen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bundespräs ident Theodor Heuss sagte einmal: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“ Gestatten Sie mir, dass ich etwas provozierend hinzufüge: „Nur mit Kultur wird Politik in Wirklichkeit zukunftsfähig sein.“
Vor dem Hintergrund der vielen Entscheidungen, die sich zum Beispiel um harte Faktoren wie die Sicherung von Arbeitsplätzen oder die Teilnahme an internationalen friedenserhaltenden Maßnahmen ranken, wird Kultur nur allzu oft als nettes Ornament betrachtet, das zu nichts anderem als der eigenen Wohlbefindlichkeit nütze ist. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schlicht und einfach falsch!
Ich sage Ihnen: Kunst und Kultur liefern den Rahmen für alle gesellschaftlichen Entwicklungen. Sie ermöglichen oft erst existenzielle Erfahrungen, verleihen Wünschen und Ängsten Ausdruck und vermitteln Kraft, um die dann konkreten Probleme des Alltags zu lösen und anzugehen.
Die Kultur einer Gesellschaft bestimmt letzten Endes, welchen Weg – es gibt meistens mehrere alternative Wege, die man gehen kann – die Wirtschafts-, Rechtsoder Bildungspolitik einschlägt. Kultur ist die Summe aller Lebensformen, die der Mensch in der Auseinandersetzung mit sich selbst, aber auch der Umwelt hervorgebracht hat. Sie umfasst die Kunst in ihren Ausdrucksformen.
Diese Kunst und Kultur soll nun durch die Kulturpolitik gefördert werden. Sie muss die Rahmenbedingungen setzen und ist gleichzeitig abhängig von den Rahmenbedingungen, die ihr wiederum gesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die staatlichen Mittel, die zur Erfüllung dieser Aufgabe bereitgestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist der Hintergrund, auf dem ich Ihnen mit meiner Regierungserklärung „Ohne Veränderung keine Zukunft – Perspektiven der Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz“ einen Überblick über das geben möchte, was wir in der rheinlandpfälzischen Kulturpolitik bereits auf den Weg gebracht haben und noch initiieren möchten.
In einer sich so stark und schnell verändernden Gesellschaft können die Rezepte von gestern nicht allein für die Zukunftsfähigkeit ausreichen. Da jede Veränderung mit dem Denken beginnt, zumindest beginnen sollte, möchte ich zuerst zwei Fragen stellen –
Wo stehen wir heute? Was sind die Wechselwirkungen zwischen neuen, zukünftigen Herausforderungen und dem Beitrag der Kultur zu deren Bewältigung? –, um dann, selbstverständlich unter Berücksichtigung der finanziellen Rahmenbedingungen, zu den konkreten Handlungsperspektiven für die rheinland-pfälzische Kulturpolitik zu kommen.
Es ist weder die Zeit noch der Ort für eine vollständige Bilanz. Deswegen möchte ich nur einige Beispiele, aber ehrliche Beispiele bringen:
1. Wir leben in einer Kulturlandschaft mit einem außerordentlichen historischen Erbe: Die großen deutschen Mythen, Nibelungen und Loreley, Konstantin, der Kaiser des römischen Imperiums mit Sitz in Trier, Karl der Große, der Urvater Europas, die "Schum"-Städte als mittelalterliches Zentrum des Judentums, Gutenberg, der Mann des Milleniums – Frau Feldbusch war nicht im Wettbewerb –, um nur wenige Stichworte zu nennen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Können wir dies alles ausreichend pflegen? Leben wir selbst mit diesem historischen Erbe? Wuchern wir in unserer glo
2. Wir haben eine das ganze Land umspannende identitätsstiftende Bürgerinitiative für Kultur in RheinlandPfalz, den Kultursommer. Er bringt qualitätsvolle Kulturveranstaltungen in die Fläche des Landes direkt zu den Menschen. Der Kultursommer ist und bleibt Kernstück der Kulturpolitik dieser Landesregierung; denn wie kann Kulturpolitik erfolgreicher sein, wenn nicht der Abendanzug das Maß aller Dinge ist?
Doch, meine Damen und Herren: Wird die Finanzierung gerade der freien Kulturszene nicht immer schwieriger, wenn die institutionellen Apparate alle Spielräume für sich selbst beanspruchen?
3. Wir haben eine blühende Theaterlandschaft und ein Staatstheater in Mainz, auf das wir stolz sein können. Aber: Wie erreichen wir, dass wir uns dies auch weiterhin leisten können?
4. Wir haben mit der Villa Musica, mit dem System der Literaturförderung, eine Nachwuchsförderung, um die uns alle in dieser Bundesrepublik beneiden. Aber gilt dies auch für alle kulturellen und künstlerischen Bereiche?
5. Das Land gibt mehr als vergleichbare Länder für Kultur aus. Unsere finanziellen Anstrengungen im Bereich der Musik sind weit überdurchschnittlich – und doch stoßen wir offensichtlich jeden Tag an die Grenzen der Finanzierbarkeit.
Das waren nur Beispiele. Ich darf Ihnen versichern, eine 100%ige Analyse wird den Eindruck dieser Beispiele nicht verändern. Dies bedeutet also, Rheinland-Pfalz braucht keinen Vergleich zu scheuen. Aber trotzdem müssen wir offensichtlich besser werden.
Was sind nun die Wechselwirkungen zwischen neuen zukünftigen Herausforderungen und dem Beitrag der Kultur zu deren Bewältigung? Letztlich: Was sind die Ziele einer zukunftsfähigen Kulturpolitik?
Globalisierung, Demographischer Wandel, Migration und Wissensgesellschaft sind mit Recht die Schlagworte von heute, wenn wir über das Morgen reden. Wir sind in einer Epoche größter Veränderungen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Menschen gestalten nicht mehr nur unsere Umwelt, sondern wir beginnen in einer neuen Qualität, letzten Endes uns selbst zu gestalten. Dies betrifft nicht nur die Inform ations- und Kommunikationstechnologien, nicht nur die Gentechnologie und die Möglichkeiten, die sich prinzipi
ell schon heute daraus eröffnen. Wir werden bald verstehen, wie das menschliche Denken funktioniert mit allen Möglichkeiten, uns dann selber reflektierend zu betrachten und damit auch prinzipiell beeinflussen zu können.
Wir sind als Menschen – um es in einer Linie aufzuzeigen – auf dem Weg vom Objekt über das Subjekt zum Projekt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Veränderungen sind nur zu bewältigen, wenn Kunst eine andere Dimension des Umgangs mit den großen Themen der Welt einbringt, eine Dimension, die über die Rationalität und die kausale, „uni–direktionale“ UrsacheFolge-Beziehung hinausgeht. In anderen Worten: Ohne die Beiträge der Kultur sind die gesellschaftlichen Umbrüche unserer Zeit nicht verstehbar und damit auch nicht bewältigbar. Diese Umbrüche sind letzten Endes durch die Wissenschaften in unsere Welt gebracht worden, sodass die Stärkung der Wechselbeziehung zwischen Kultur und Wissenschaft Ziel jeder Kulturpolitik sein muss.
Als Nächstes bedeutet dies, dass junge Menschen, Nachwuchskünstlerinnen und -künstler, die Förderung der zeitgenössischen Kunst, eine besondere Bedeutung haben, weil es diese Künstler sind, die sich mit den Fragen unserer Zeit auseinander setzen. Künstlerinnen und Künstler machen wie sonst niemand das Unsichtbare sichtbar und verleihen dem Unaussprechlichen Worte. Sie helfen uns letzten Endes zu sehen, zu hören und zu verstehen. Nur die zeitgenössische Kunst setzt sich mit den Fragen und damit den Problemen unserer Zeit auseinander.
Die Bedeutung der Kunst in diesem Wandel erfordert aber auch und gerade, dass Kunst und Kultur sich dem Anspruch stellen müssen, jeden erreichen zu wollen, gerade weil sie für uns alle so wichtig sind.
Die Globalisierung, das heißt, der Qualitätssprung in der Mobilität von Waren und Dienstleistungen, aber auch von Menschen bedeutet, dass es einen anderen Stellenwert von Spitzenleistungen in der Kunst gibt. Dies gilt sowohl für die Künstler, um Interessierte zu finden, als auch für die Region; denn Kunst wird zum Wirtschaftsfaktor, als Standortfaktor oder touristische Größe – auch wenn mir bewusst ist, dass Kunst primär um ihrer selbst willen geschaffen und gefördert wird.
Diese Ziele sollen realisiert werden vor dem finanziellen Hintergrund, den ich eingangs geschildert habe. Wie soll das nun aber funktionieren?
Leitlinien in diesem Zusammenhang sind aus meiner Sicht: Subsidiarität, Chancengleichheit, Effizienz, Prioritätensetzung, Refinanzierung durch Nachfrager und Hilfe zur Selbsthilfe.
Subsidiarität bedeutet, die flächendeckende Kulturarbeit ist kommunale Aufgabe. Deswegen soll man es auch aussprechen. Handlungsmöglichkeiten in den kommunalen Haushalten müssen, wo immer möglich, zusätzlich geschaffen werden.
Daraus folgernd werden wir uns als Land nur dort flächendeckend stärker engagieren, wo es im Sinn von
Chancengleichheit um die Bildung junger Menschen geht, so, wie wir es bei den Musikschulen getan haben. Zur Erinnerung: Im Jahr 2002 haben wir 1 Million Euro mehr für Musikschulen, ab 2006 2 Millionen Euro weniger für Orchester vorgesehen.
Unsere eigenen Institutionen sind darüber hinaus auf die Effizienz zu hinterfragen: Entsprechen die Aufwendungen, die das Land zum Beispiel für ein Landesmuseum erbringt, den Erwartungen?
Ein klares Bekenntnis zur Prioritätensetzung ist endlich nötig. So kann es zum Beispiel bei klarem Bekenntnis zur fairen Unterstützung aller Theater und Orchester im Land jeweils nur einen Schwerpunkt mit Blick auf die überregionale Wettbewerbsfähigkeit geben. Prioritätensetzung heißt auch, wenn ein sinnvolles eigenes Programm zur Förderung der Neuen Medien nur auf Kosten anderer zentraler Bereiche möglich ist, dass man dann nicht so tut, als ob man könnte und wollte. Wir werden uns also auf Einzelmaßnahmen oder solche im Zusammenhang mit Nachwuchsförderung oder anderen Schwerpunkten beschränken.