Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Im Gegensatz zu der Flexibilität, die den Ländern bisher möglich war, Hochwasserüberschwemmungsgebiete dort festzusetzen, wo sie tatsächlich aus Hochwasserschutzgründen notwendig sind, wird jetzt eine flächendeckende Festsetzung unabhängig davon gefordert, ob tatsächlich eine Hochwassergefährdung von diesen Bächen ausgeht. Das ist aus Hochwasserschutzgründen nicht notwendig und ist ein Übermaß an Regelungen, ohne dass es tatsächlich etwas bringt und verstößt meines Erachtens auch gegen das Übermaßverbot, das unseren Gesetzen zugrunde liegen sollte.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der eine Punkt. Es ist darüber hinaus von flächendeckender Ausweisung die Rede. Daraus resultieren die großen Zahlen für Entschädigungsansprüche. Nur, Herr Schmitt, Sie müssen es nicht mit drei multiplizieren. Wir haben einmal grob eine Analyse gemacht. Ob sie stimmt, ist sehr vage, weil wir gar nicht genau wissen, was auf uns zukommt. Mit 20 Millionen Euro wäre es schon groß genug. Wir sollten es aber nicht nur an diesen Zahlen festmachen.

Was kommt aber dazu? Es gibt eine zweite Regelung, die uns keine Flexibilität mehr läßt. Daran sieht man, wie groß das Ausmaß der Wirkungen auf die Landwirtschaft, aber auch auf alle Anlieger sein wird.

Trittin schreibt auch in seinem Gesetzentwurf vor,

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Bundesregierung schreibt es vor!)

dass in Zukunft mindestens ein Maßstab eines 100jährlichen Hochwasserschutzes zugrunde gelegt werden sollte. Wir machen das dort, wo es notwendig ist, in Rheinland-Pfalz auch. Aber dort, wo es nicht notwendig ist, gehen wir auch auf einen geringeren Hochwassermaßstab, wenn wir Überschwemmungsgebiete festlegen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Auch diese Flexibilität würde uns genommen.

Nun kommt zu der flächendeckenden Festsetzungspflicht und dem hundertjährlichen Hochwasserschutz als Mindestmaßstab dann auch noch ein Ackerbauverbot – und dies generell. In der Kumulation der drei Vorschriften können Sie sich die dramatischen Auswirkungen für die Landwirte an allen Flüssen und Bächen, an den großen und den kleinen, in Rheinland-Pfalz ausmalen.

Das ist das, was wir ablehnen. Das beschreibt das Ausmaß.

Herr Dr. Braun, es ist nicht redlich, wie teilweise in der Presse behauptet wird, es ginge nur um die Flächen vor den Deichen. Dies ist falsch. Das können Sie aus dem

Gesetz nicht ableiten. Im Übrigen darf ich dazu sagen, dass man daran merkt, wie wenig sensibel man mit den Belangen der Landwirtschaft umgeht.

Wenn Sie in Zukunft den Landwirten aufgrund der Fes tsetzungspflicht für Überschwemmungsgebiete alle fes tzusetzenden Gebiete für Ackerbau entziehen, dann entziehen Sie ihnen die hochwertigsten Böden der Landwirtschaft, die für Ackerbau geeignet sind. Dabei gibt es den Maßstab von mindestens 100 Jahren. Was heißt das eigentlich?

Seit Jahrhunderten sind die Überschwemmungsgebiete die ertragreichsten und nährstoffreichsten Böden, die für diese Form der Landwirtschaft geeignet sind. Es macht keinen Sinn.

(Beifall der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte ein Beispiel nennen. Erklären Sie mir, wo der ökologische Nutzen sein soll, keinen Ackerbau mehr zu betreiben, weil vielleicht alle 100 oder mehr Jahre eine Fläche überschwemmt wird? Haben Sie nicht selbst ein bisschen Angst, dass in dem Zusammenhang das Gebot der Verhältnismäßigkeit oder das Übermaßverbot nicht mehr gewahrt ist, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei SPD und FDP)

Deswegen sind wir aus prinzipiellen und grundsätzlichen Erwägungen dagegen, dieses Gesetz so zu realisieren, wie es in das Verfahren gebracht wurde.

Lassen Sie mich etwas zu der Zustimmungspflichtigkeit sagen. Sie haben es in der Debatte gemerkt, natürlich will der Bund nicht, dass es zustimmungspflichtig ist. Herr Trittin versucht das bei jedem Gesetz. Wir haben oft die Situation, dass wir erst im Verfahren herausfinden, ob es zustimmungspflichtig wird oder nicht.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Blödsinn!)

Herr Schmitt, wir lassen uns nicht von irgendwelchen Absprachen leiten. Wie bei allen Gesetzen und Gesetzentwürfen werden wir wie jedes Ressort selbstbewusst die rheinland-pfälzischen Belange bei den Beratungen im Bundesrat darstellen.

(Beifall bei SPD und FDP – Schmitt, CDU: Könnte nicht schaden!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine echte Alternative. Unsere Alternative heißt, dass wir in Kooperation große Erfolge im Hochwasserschutz realisieren können. Wir nutzen die Instrumente der „Aktion Blau“. Dort haben wir die Möglichkeit, an notwendigen Stellen in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft Nutzungen zu verändern und im Einzelfall Entschädigungen vorzunehmen.

Über das Landwirtschaftsministerium haben wir das Instrument der agrarstrukturellen Entwicklungsplanung.

Wir haben Instrumente der Flächenumlegung, um zu sinnvollen, der Ökologie und dem Hochwasserschutz angepassten Regelungen zu kommen.

Die Landwirtschaft ist durch den Hochwasserschutz enorm betroffen. Das ist angesprochen worden. Das gilt bei jedem Polderbau, bei der Deichrückverlegung, bei Deichertüchtigungen, also der breiteren Aufstellung der Deiche. Die Ausgleichsmaßnahmen werden vor Ort wieder von der Landwirtschaft gefordert.

An den Stellen, an denen wir konsequent Hochwasserschutz betreiben, müssen wir uns überlegen, ob wir die Auswirkungen auf die Landwirtschaft minimieren können, ob Verfahren gefunden werden können, die den Hochwasserschutz nicht gefährden und die Belange der Landwirtschaft berücksichtigen. Dies ist durch die Landesregierung im ausgezeichneten Verfahren im Grundsatz beschrieben. Dies war der Grundsatz für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Dazu gehören Bereiche, bei denen wir Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge gesetzlich verankern. Dies ist der Grundsatz des gemeinsamen Vorgehens auch in der Zukunft bei der Umsetzung des Hochwasserschutzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit oder ohne Bundesgesetz haben wir ausreichende und erfolgreiche Instrumente, um dieses zentrale Anliegen des Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge für die Menschen in Rheinland-Pfalz zu betreiben. Das geschieht in Kooperation mit den Landwirten.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich freue mich, weitere Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule Germersheim, Schülerinnen und Schüler der Peter-Gärtner-Schule Böhl-Iggelheim und Schülerinnen und Schüler der Karl-Fries-Schule Bendorf. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Geisen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, nicht vor dem Bild der großen Hochwässer wie des Oder-Hochwassers können wir die Flächen poldern. Es bleibt uns nichts mehr zur Bewirtschaftung und zur Nahrungsmittelproduktion übrig, wenn wir uns nach den 100- oder 300-jährlichen Ereignissen richten würden.

Meine Damen und Herren, besonders vor dem Hintergrund eines von uns gewollten nachhaltigen Verbraucherschutzes macht es nach unserer Auffassung überhaupt keinen Sinn, die auch unter ökologischen Gesichtspunkten qualitativ hochwertigen Produkte vor un

serer Haustür ab 2012 verbieten zu wollen und dafür auf Exportgemüse zurückgreifen zu müssen. Regionale Produkte gehen aus ökologischer Sicht immer vor überregionale Produkten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Abschließend sage ich noch etwas. Eine ordnungsgemäße Landwirtschaft steht dem Hochwasserschutz nicht im Wege. Das hat Frau Kollegin Ebli eben so gesagt.

Es ist bekannt, dass gerade in der Vorderpfalz, nachweislich in den Gebieten mit Sandböden, die Nährstoffversorgung der Pflanzen exakt dosiert durchgeführt wird, sodass jedenfalls aus der Landwirtschaft heraus keine überschüssigen Nährstoffe in den Boden und ins Grundwasser hineingelangen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Braun, vielmehr besteht das Problem, dass die Landwirtschaft in diesen Gebieten bei Hochwässern besonders entschädigt werden muss, weil sie sich mit Frachten befassen muss, die woanders hergekommen sind. Dafür muss die Landwirtschaft entschädigt werden.

Meine Damen und Herren, insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin Künast nur unzureichend für die Bauern im Land da ist; denn der vorgelegte Gesetzentwurf hat nicht nur einen landwirtschaftlichen Fehler, sondern er stellt auch noch einen enteignungsgleichen Eingriff dar. Durch die vorgelegte Rechtsverordnung findet aufgrund der vorgeschriebenen Umwidmung von landwirtschaftlich genutzten Flächen eine eindeutige Entwertung von Privateigentum statt.

(Glocke des Präsidenten)

Für die FDP-Landtagsfraktion darf ich betonen, dass wir Liberalen mit aller Entschiedenheit gegen die Sozialisierung von Privateigentum vorgehen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP)

Es spricht Frau Abgeordnete Schneider.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Ebli, Sie haben in Ihrer Rede von der Familie in Berlin gesprochen und dass Sie sich vonseiten der CDU-Fraktion nicht stören lassen. Ich kenne Familie so, dass man vor der Entscheidung dies in der Familie bespricht. Ich frage mich, wo war die SPD in Berlin, wo waren die Bundestagsabgeordneten, wo war der Ministerpräsident dieses Landes, als die Ent

scheidung zu dem Gesetzentwurf zum Hochwasserschutz getroffen wurde.

(Beifall bei der CDU)