Protokoll der Sitzung vom 23.08.2001

Selbstverständlich gibt es Einsparungspotenziale. Das haben wir nicht bestritten. Wir müssen uns aber mit den grundsätzlichen Problemen beschäftigen.

(Hartloff, SPD: Sie machen sich doch grundsätzliche Probleme!)

Wir müssen eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Sicherung unseres Gesundheitssystems eröffnen. Dazu werde ich nachher in der zweiten Runde noch konkrete Vorschläge unterbreiten.

(Beifall der CDU – Mertes, SPD: Keine Drohungen!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Brinkmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Rosenbauer begann seinen Beitrag mit persönlichen Unterstellungen zur Motivation von Herrn Minister Gerster. Ich bin der Meinung, diese kann man zurückweisen. Sie dürfen spekulieren, aber es ist eigentlich fehl am Platz, zu glauben, dass Sie dies laut sagen müssen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bin der Auffassung, dass Ihre Mündliche Anfrage nicht nur ausreichend, sondern auch sehr klar beantwortet wurde. Herr Minister Gerster hat sich zu all dem, was Sie gefragt haben, geäußert. Ich wundere mich nicht, und Sie sollten sich auch nicht wundern, wenn Sie nicht die Antworten von ihm bekommen haben, die Sie sich gewünscht haben. Dies kann aber wohl auch nicht gehen.

Für mich waren die Anworten klar. Wenn Sie aber meinen, Sie müssten immer noch eine Aussprache haben, dann können Sie sie haben.

(Lelle, CDU: Nur klare Antworten!)

Ich will Sie im Übrigen im Hinblick auf die Gestaltung und Umsetzung einer Gesundheitsreform darauf aufmerksam machen, dass sie überhaupt keine Veranlassung haben, (Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

mit Steinen nach anderen zu werfen, da Sie selbst über Jahre hinweg bei dieser Problematik im Glashaus saßen. (Beifall der SPD und der FDP)

Ihr Gedächtnis kann nicht so schlecht sein,

(Pörksen, SPD: Doch!)

dass Sie sich nicht mehr daran erinnern, welche Seiltänzerei Sie in den Jahren 1997 und 1998 insbesondere dann machten, als es um Korrekturen im Gesundheitssystem ging. Ihr damaliger Gesundheitsminister Seehofer nahm zu Beginn noch das Wort „Gesundheitsreform“ in den Mund. Er bemühte sich auch in Lahnstein noch um entsprechende Entwicklungen. Dann ist er aber eingeknickt. Sie wissen so gut wie ich, dass über Jahre hinweg große Verwirrung in der Gesundheitsversorgung durch immer wieder neue gesetzliche kleinkarierte Regelungen aus dem Bonner Gesundheitsministerium entstanden ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Sie waren damals zu nichts anderem als zu kleinkarierten Regelungen, die Sie in Kürze durch ein erneutes Gesetz wieder korrigierten, fähig.

(Unruhe bei der CDU)

Zu nichts anderem waren Sie fähig.

Ich mache Sie auch auf das Rückgrat Ihres damaligen Ministers aufmerksam. Das war schon ein Gummirückgrat – von den Lahnsteiner Beschlüssen hin zur Forderung, wir brauchen mehr Geld im Gesundheitssystem.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Das ist ein Gummirückgrat. Wer sich so verhalten hat wie Sie damals, der hat heute sehr vorsichtig mit Forderungen nach einer Gesundheitsreform umzugehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Der Minister hat keinen Zweifel daran gelassen, dass wir eine Gesundheitsreform brauchen. Nach 2002 steht sie an, und vor 2002 haben die Bürger, damit sie für die Bundestagswahl nicht die Katze im Sack kaufen, ein Anrecht darauf, die Eckdaten dieser Reform vorzeitig zu erfahren.

Das ist ein sauberer und verantwortungsvoller Weg; denn über die Ausgaben im Gesundheitssystem, die zwischen 500 Milliarden DM und 600 Milliarden DM im Jahr liegen, kann man nicht wie zu Hause am Frühstückstisch beraten. So geht das bei diesen Dimensionen nicht. Diese Erfahrung ist Ihnen auch zu Eigen geworden. Deshalb haben Sie bis 1998 überhaupt nichts auf die Beine bekommen.

(Beifall der SPD)

Aus Ihrem Mund ist gesagt worden, dass es durchaus noch in diesem jetzt bestehenden Gesundheitssystem Einsparmöglichkeiten zwischen 20 Milliarden DM, 25 Milliarden DM und 30 Milliarden DM gäbe.

(Dr. Altherr, CDU: Wer hat das gesagt?)

Das ist gesagt worden. Das hat auf jeden Fall der Minister gesagt. Dem ist nicht widersprochen worden.

Ich meine, mich auch zu erinnern, dass Sie das gesagt haben.

(Dr. Weiland, CDU: Ich meine, mich zu erinnern! Ha, ha, ha!)

Vielleicht ist Ihnen diese Zahlenangabe schon zu exakt. Dazu wären Sie gar nicht in der Lage.

Meine Damen und Herren, wir könnten uns gemeinsam dazu aufraffen,

(Glocke des Präsidenten)

das, was an Sparpotenzial vorhanden ist, tatsächlich umzusetzen. 1,5 % Beitragssatzerniedrigungen wären allein auf diese Art und Weise möglich.

Letzter Satz: Wenn Sie zur Eile treiben, erinnern Sie sich an die Schwierigkeiten, die Sie selbst in der Umsetzung einer Gesundheitsreform hatten, und lassen Sie denen, die jetzt regieren, die Chance, sachlich und vernünftig zu arbeiten. Treiben Sie nicht zu Dingen, die im Augenblick nicht machbar sind.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Rosenbauer, man kann einem Minister allerhand vorwerfen, aber dass er sich Gedanken macht, sollte man ihm nicht vorwerfen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich Gedanken machen. So weit braucht man nicht zu gehen.

Interessant ist, wenn man sich nur mit seinen Gedanken inhaltlich auseinander setzt, obwohl ich einräumen muss, dass es etwas schwierig ist. Wir fischen noch etwas im Trüben. Wir wissen nicht so ganz genau, was nun die Auffassung der Landesregierung und des Politikers Gerster ist. Wir verfügen über einige Presseäußerungen hierzu. Nur darauf können wir uns beziehen, bis uns mehr vorliegt.

Zunächst möchte ich – mit der Einschränkung, was mir vorliegt – darauf hinweisen, dass die Analyse korrekt ist, was die Kostensteigerungen angeht. Die Analyse ist korrekt, dass es weitere Schritte einer grundsätzlichen Gesundheitsreform geben muss. Nur, das sage ich Ihnen auch, obwohl Sie das etwas relativiert haben, passen mir die Richtung und der Duktus nicht, den Sie mit hineinbringen. Ich habe den Eindruck, dass es in starkem Maß gegen die Patienten geht.

Ihre Ausführungen zur Frage der freien Arztwahl waren nicht zufrieden stellend. Sie haben das etwas umgedreht

und gesagt, diejenigen, die sich in bestimmter Weise verhalten, sollen Vorteile erhalten, während die anderen keine Nachteile bekommen. Wenn man sich das aber im ganzen System anschaut, kann das natürlich schon sehr wohl zu Einschränkungen führen.

Mich erinnern solche Äußerungen immer ein bisschen daran, wie gegenwärtig von einigen Seiten die Diskussion über die Sozialhilfe geführt wird, nämlich mit etwas populistisch angehauchten Thesen, die jeweils den Beweis schuldig bleiben, dass das in der Tat auch etwas bringt; denn das, was ich von Ihren Äußerungen zur Kenntnis genommen habe, passt irgendwie nicht zusammen, Herr Minister Gerster. Sie bleiben weiterhin den Beweis schuldig, dass das, was Sie vorschlagen, tatsächlich in der Sache und auch in einem relevanten Ausmaß das bringt, was wir alle wollen, nämlich das Gesundheitssystem auszubauen und für alle zu erhalten.

Die freie Arztwahl ist für uns ein zentraler Bestandteil dieses Gesundheitssystems. Dazu zählt auch die Stärkung des Hausarztes, allerdings nicht so, dass der Hausarzt als Instrument benutzt wird, die freie Arztwahl einzuschränken.

Die Frage – so nenne ich es – der Gefahr einer ZweiKlassen-Medizin haben Sie auch verklausuliert angesprochen. Auch dagegen wenden wir uns ganz eindeutig. Es kann nicht sein, dass wir eine auf niedrigem Niveau befindliche Grundversorgung haben, wie wir das aus anderen Ländern kennen, und der Rest muss zugekauft werden. Das kann nicht gehen. Das Gebot der Stunde bei jeder Gesundheitsreform ist die Weiterführung der gesellschaftlichen Solidarität. Das kann nicht gegen die Patienten, sondern muss mit den Patienten und zu ihren Gunsten erfolgen. Ich denke, dass wir auf dieser Grundlage spannende Diskussionen führen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.