Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Wiechmann.

Guten Morgen, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausbau einer hochwertigen Kinderbetreuungsinfrastruktur ist eine unverzichtbare Zukunftsinvestition. Hierfür werden in den kommenden Wochen entscheidende Weichen gestellt werden.

Die rotgrüne Bundesregierung sieht im Aufbau und in der Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung für unter 3-jährige einen Schwerpunkt ihrer Arbeit und wird sich deshalb ab dem Jahr 2005 mit jährlich rund 1,5 Milliarden Euro an der Erfüllung dieser schon lange gesetzlich fixierten Aufgabe beteiligen. Auch RheinlandPfalz darf bei dieser Entwicklung nicht im Abseits stehen bleiben.

Meine Damen und Herren, deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte darum, den Geräuschpegel etwas zu senken.

Meine Damen und Herren, wir wollen und müssen auch Rheinland-Pfalz kinder- und familienfreundlicher machen. Wir brauchen einen qualitativen und quantitativen Ausbau der frühkindlichen Bildungsangebote; denn ein bedarfsgerechtes und hochwertiges Kinderbetreuungsangebot ist ein Gewinn, ein Gewinn für Kinder, für deren Familien und für unsere Gesellschaft insgesamt.

Gerade das Angebot an Krippenplätzen muss dringend ausgebaut werden. Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren sind in Rheinland-Pfalz mehr als rar. Dabei ist längst unbestritten, dass eine hochwertige und verlässliche Betreuungsinfrastruktur dringend erforderlich ist.

Meine Damen und Herren, sie ist unverzichtbar, um Kindererziehung und Beruf besser vereinbaren zu können. Genau diese Vereinbarkeit ist dann auch ein wichtiger Schlüssel dafür, um dagegen vorzugehen, dass Kinder in Armut aufwachsen müssen.

Meine Damen und Herren, qualitätsorientierte und bedarfsgerechte Kinderbetreuung unterstützt und ergänzt die von den Familien geleistete Erziehung und Bildung und verhilft Kindern zu besseren Chancen in Schule und Beruf. Sie ist zudem Voraussetzung dafür, dass sich mehr Frauen und Männer für Kinder entscheiden können.

(Zuruf des Abg. Dr. Schiffmann, SPD)

Trotz dieser Vorteile und Notwendigkeiten hat sich beim Ausbau, insbesondere bei den Plätzen für Kinder unter drei Jahren, in Rheinland-Pfalz herzlich wenig in den vergangenen Jahren getan.

(Frau Morsblech, FDP: Was?)

Landesweit können derzeit nur knapp 3 % der rund 110.000 Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren in solchen Einrichtungen betreut werden. Dabei liegt der Bedarf unbestritten bei etwa 20 %.

Deshalb setzen wir GRÜNE uns schon seit langem für ein bedarfsgerechtes Angebot für alle Altersgruppen ein, das zeitlich flexibel, bezahlbar, vielfältig und qualitätsorientiert ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Grundlagen, die seitens der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen dazu gelegt worden sind, sind nicht ausreichend. Die Änderung des Kindertagesstättengesetzes vor zwei Jahren ist weitgehend kraftlos geblieben.

(Hartloff, SPD: Von was reden Sie eigentlich?)

Wir haben dazu mehrfach Vorschläge unterbreitet, die flexiblere und auf die örtlichen Gegebenheiten angepassteren Lösungen ermöglichen.

Unser Ziel muss es sein, bis 2008 für 20 % aller Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung fordern wir auf, ihre Möglichkeiten konsequent zu nutzen und darauf hinzuarbeiten, dieses Ziel zu erreichen.

Meine Damen und Herren, für den Ausbau einer hochwertigen Kinderbetreuung, die auch Chancengleichheit von Kindern stärken soll, sind natürlich auch insbesondere die Kommunen gefragt.

Sie brauchen verlässliche und vor allem finanzielle Unterstützung. Wir GRÜNE werden dafür sorgen, dass sichergestellt wird, dass die Kommunen auf der Kostenseite entlastet werden, weil die finanziellen Belastungen nicht einseitig den Kommunen aufgebürdet werden können.

(Hartloff, SPD: Wie denn? – Herr Kollege Hartloff, Sie werden das schon noch sehen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb werden wir uns mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die vorgesehene Unterstützung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung tatsächlich bei den Kommunen ankommt. Da können Sie sicher sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig! – Dr. Schiffmann, SPD: Bravo! Das war bärenstark!)

Herr Kollege Hartloff, schauen Sie sich einmal um. Innerhalb der Bundesregierung, sogar bei Ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag, ist es unstrittig, dass die Kommunen diese Mittel brauchen und auch erhalten werden.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Meine Damen und Herren, wir GRÜNEN werden diesen Prozess zum Wohl der Kinder sowie im Sinn einer innovativen Zukunftsgestaltung energisch unterstützen und vorantreiben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Schiffmann, SPD: Das ist der absolute Wahnsinn gewesen!)

Mir liegen zurzeit keine weiteren Wortmeldungen vor.

Bitte schön, Frau Schneider-Forst.

Sie haben sich gemeldet, Frau Kollegin Leppla. Das habe ich nicht zur Kenntnis genommen. Jetzt nehme ich es zur Kenntnis. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die ersten sechs Lebensjahre im Leben eines Menschen sind unverkennbar eine Phase intensiven Lernens. Deshalb ist Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit ein Thema erster Ordnung für uns, die rheinland-pfälzische SPD.

Daran arbeiten wir nicht erst seit gestern.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie das einmal Ihren männlichen Geschlechtsgenossen!)

Lange vor anderen Bundesländern haben wir mit dem Ausbau der Kindertagesstätten begonnen. Heute haben wir eine 100%ige Versorgung für die Kinder unter drei Jahren in unserem Land.

Leitziel der Weiterentwicklung der Kindertagesstätten ist es, diese quantitativ bedarfsgerecht auszubauen und zu hochwertigen Bildungseinrichtungen auszugestalten. So verstehen wir die Kindertageseinrichtung.

Deshalb haben wir zum Beispiel den Personalschlüssel unverändert bei 1,75 Erziehungskräften pro Gruppe belassen und die Regelgruppengröße auch nicht geändert.

Wir haben den Eltern ein größeres Mitspracherecht eingeräumt. Ganz aktuell sind die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen, die zurzeit in der Beratung sind.

Die Reform der Erzieher- und Erzieherinnenausbildung beweist, dass wir uns der Verantwortung, pädagogische Qualität festzulegen, bewusst sind und auch nicht entziehen.

Meine Damen und Herren, wir haben im Wissen um die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessenlagen von Familien zur Hilfestellung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Kindertagesstättengesetz 2002 geändert. Ziel war dabei unter anderem der weitere Ausbau von Ganztagesplätzen im vorschulischen Bereich, der Ausbau der Über-Mittag-Betreuung und insbesondere die Ausweitung der Krippenplätze, also der Plätze für die Kinder unter drei Jahren.

Im Hinblick auf die demographische Entwicklung im Land ist und war die Neuordnung der Finanzierung ein Angebot zur Planungssicherheit für die freien Träger, aber auch insgesamt eine finanzielle Entlastung aller Träger. Zugleich sollte sie ein Anreiz sein, frei werdende Kapazitäten in den Einrichtungen nicht abzubauen,

sondern bedarfsgerecht in Hort- oder Krippenplätze umzuwandeln.

Leider kann ich Ihnen bis zum heutigen Tag keine genauen Daten über die Auswirkung des Gesetzes auf das Angebot für Kinder unter drei Jahren machen. Die Auswertung der aktuell erhobenen Daten ist noch nicht abgeschlossen.

Die amtliche Statistik zum 31. Dezember 2002 zeigt allerdings, dass von 1998 bis 2002 die Zahl der verfügbaren Plätze für Kinder im Krippenalter gestiegen ist, wobei auch gleichzeitig die Zahl der Kinder unter drei Jahren um 10,5 % sank.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf einem äußerst niedrigen Niveau!)

Beginnend auf einem niedrigen Niveau, das geben wir auch zu. Aber irgendwo muss man beginnen.

Die neuen Krippenplätze sind überwiegend durch den Abbau von Kindergartenplätzen entstanden, wobei die altersgemischte Gruppe, also sieben Krippenkinder und acht Kindergartenkinder, die beliebteste Form bei den Trägern war.