Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Bürgerschaftliches Engagement ist heute spontan und projektbezogen. Der Politik kommt daher die Rolle zu, die organisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen für das Engagement zu verbessern und die individuellen Risiken und Hemmnisse zu reduzieren. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Bürgerinnen und Bürger lässt sich weder gesetzlich erzwingen noch durch finanzielle Zuwendungen erkaufen. Eine Politik, die bürgerschaftliches Engagement fördern will, muss daher auch die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger erweitern, verbessern und verstärken.

Auch die Menschen, die ihre Freizeit opfern und wochenlang Unterschriften für einen Bürgerentscheid sammeln, sind ehrenamtlich tätig. In diesem Zusammenhang nenne ich beispielhaft die Pfalz-Arena Kaiserslautern. Auch diese Art von bürgerschaftlichem Engagement wird von den anderen Fraktionen in diesem hohen Haus offensichtlich gar nicht gern gesehen. Solange Bürgerinnen und Bürger im Sinne der Subsidiarität ehrenamtlich Aufgaben übernehmen, die dem Allgemeinwohl dienen, wird ihr Engagement gepriesen und gelobt. Wenn sich aber Bürgerinnen und Bürger in politischen Bereichen engagieren, wenn sie sich anmaßen, über Bauplanungen und Einrichtungen und Auflösungen von Kindertagesstätten, Schwimmbädern usw. nicht nur mitreden zu wollen, sondern auch mit entscheiden zu wollen, dann hört die Lobpreisung des Ehrenamts bei vielen Politikern abrupt auf.

Meine Damen und Herren, dabei zeigen alle Erfahrungen, dass dort, wo sich interessierte Bürgerinnen an den runden Tisch setzen, sich in Planungsfällen engagieren oder sich im Bürgerhaus engagieren, die Ergebnisse meist sehr gut und vernünftig sind und diese Art von Mitbestimmung auch zu einer größeren Akzeptanz von Entscheidungen und vor allen Dingen auch von schmerzhaften Entscheidungen führt.

(Staatsminister Zuber: Dann brauchen wir am 13. Juni nicht zu wählen!)

Daran sehen Sie, dass es schwierig ist, mit Ihnen darüber zu reden. Vielleicht haben wir aber einmal die Möglichkeit, das unter vier Augen genauer zu besprechen.

Ich bin der Meinung, dass Menschen, die sich freiwillig und unentgeltlich, also ehrenamtlich engagieren, heute viel stärkere und viel höhere Ansprüche – Sie haben das selbst in Ihrer Rede gesagt – an Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten stellen.

(Staatsminister Zuber: Das ist kein Widerspruch!)

Das ist aber genau das, was ich in meiner Rede mit großem Nachdruck gesagt habe.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wollen Sie von mir das Gleiche hören, was Herr Zuber gesagt hat?

Wenn wir das bürgerschaftliche Engagement stärken wollen, wenn uns klar ist, dass ein intaktes Gemeinwesen die mündigen und engagierten Bürgerinnen braucht, müssen wir uns alle auf diese neuen berechtigten Ansprüche einstellen.

Meine Damen und Herren, wenn die Unterstützung von Beteiligung und bürgerschaftlichem Engagement keine leere Worthülse bleiben soll, stehen die etablierten politischen Institutionen, also auch wir Politikerinnen, vor großen Herausforderungen. Das heißt nämlich, einen Teil unserer Macht und Kompetenz auf die Bürgerinnen zurück zu übertragen. Das ist keine leichte Übung, wie die Debatte über den Bürgerentscheid im zurückliegenden Plenum gezeigt hat.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grützmacher, ich möchte Ihren Beitrag nicht kommentieren, aber den Bezug zur Realität habe ich bei Ihnen doch sehr vermisst.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meine Realität ist das!)

Ihre Realität ist das?

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, genau, das, was ich jeden Tag erlebe! – Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo lernt man denn solche Eingangsbemerkungen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr als 1 Million Bürgerinnen und Bürger engagieren sich in ihrer Freizeit freiwillig, unentgeltlich und hoch engagiert in Vereinen, Organisationen und Initiativen unseres Landes. Damit ist rund ein Drittel der rheinland

pfälzischen Bevölkerung in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen oder gemeinschaftlichen Projekten tätig.

Die ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger sind wichtige Stützen unserer Gesellschaft und tragen aktiv mit dazu bei, die Solidargemeinschaft auch in einer Zeit zunehmender Individualisierung zu erhalten.

Meine Damen und Herren, ich behaupte sogar, dass ohne deren freiwilliges Engagement unser demokratisches Gemeinwesen nicht funktionieren würde.

Deshalb möchte ich zunächst die Gelegenheit dazu nutzen, um all denen, die sich überall in Rheinland-Pfalz und im gesamten Bundesgebiet in ihrer Freizeit Tag für Tag freiwillig, unentgeltlich und engagiert für das Gemeinwesen einsetzen, zu danken und unser aller Anerkennung auszusprechen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, im Ehrenamt tätige Bürgerinnen und Bürger engagieren sich im Brand- und Katastrophenschutz sowie im Rettungsdienst, in der Versorgung und Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen, sie setzen sich für kulturelle Vielfalt ein, unterstützen Rechtspflege und Strafvollzug, organisieren sich in Sportvereinen, Selbsthilfegruppen und Nachbarschaftsinitiativen, im Natur- und Umweltschutz, in der Jugendarbeit oder im kirchlichen Bereich und gestalten das Zusammenleben in Kindergärten und Schulen wesentlich mit. Auch die politische Arbeit in Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Parteien zählt zur Palette ehrenamtlicher Tätigkeit.

Diese Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements hält unsere Gesellschaft zusammen, macht sie lebendig und vor allen Dingen lebenswert.

Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft braucht das freiwillige Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger. Deshalb ist für unsere Fraktion die Förderung und gesellschaftliche Anerkennung der täglichen Arbeit der Ehrenamtlichen eines der vorrangigen Ziele rheinland-pfälzischer Politik. Ich erhoffe mir, dass der Förderung des Ehrenamts über die Parteigrenzen hinweg von allen im Landtag vertretenen Fraktionen die große Bedeutung beigemessen wird, die das Ehrenamt für uns einnimmt. Nur so kann die notwendige parteipolitische Neutralität gewahrt bleiben, die für die im Ehrenamt Tätigen unerlässliche Voraussetzung für ihre Arbeit ist.

(Beifall der Abg. Frau Morsblech, FDP, und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Rahmenbedingungen für die freiwillige Arbeit der ehrenamtlich Tätigen haben sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verbessert. Beispielhaft hierfür möchte ich die Erhöhung der steuerfreien Übungsleiterpauschale und die Neuregelung bei der Ausstellung von Spendenbescheinigungen nennen. Mit diesen Änderungen auf Bundesebene wurde nicht nur ein positives Signal für hunderttausende ehrenamtlich

Tätige in den rheinland-pfälzischen Sportvereinen und sonstigen Organisationen in Rheinland-Pfalz gesetzt, sondern auch die Arbeit der Gemeinden und Vereine erheblich erleichtert.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Aufbau einer landesweiten Ehrenamtsagentur auf Landesebene und die gefundene Neuregelung zur Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von Aufwandsentschädigungen bei der Feuerwehr. Gerade mit den zuletzt genannten Änderungen konnten in Rheinland-Pfalz viele Funktionen bei den Feuerwehren in erheblichem Umfang von der Steuer und Sozialversicherung befreit werden.

Die Ehrenamtsversicherung schließt an das Engagement des Landes, die Rahmenbedingungen für die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen nachhaltig zu verbessern, nahtlos an. Sie dokumentiert aufs Neue, welch hoher Wert dem Ehrenamt in Rheinland-Pfalz seitens der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen zugebilligt wird.

Meine Damen und Herren, seit 1. Januar dieses Jahres sind alle Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich in Rheinland-Pfalz betätigen, über das Land haft- und unfallversichert.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Sehr gut!)

Damit wird vor allem Schutz denjenigen geboten, die sich in vielen kleinen Gruppen, Projekten und Initiativen im Land engagieren, die in jüngster Zeit entstanden sind und sich eine Versicherung meist nicht leisten können. Bisher haben sich gerade diese Menschen davor gescheut, sich in verantwortlicher Position ehrenamtlich zu engagieren, weil sie kein Risiko eingehen wollten, gegen das sie nicht versichert sind.

Meine Damen und Herren, zwar ist Rheinland-Pfalz nicht das erste Bundesland, das eine Versicherung für Ehrenamtliche abgeschlossen hat, doch ist der Schutz bisher nirgendwo sonst so umfassend. Unsere Vorreiter Hessen und Schleswig-Holstein haben es sich da wesentlich einfacher gemacht. So endet die rheinland-pfälzische Variante der Ehrenamtsversicherung gerade nicht an den Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz, sondern gilt weltweit für alle ehrenamtlich Tätigen, die in oder von Rheinland-Pfalz aus aktiv sind.

(Beifall der Abg. Frau Morsblech, FDP, und vereinzelt bei der SPD)

Zudem ist sie nicht wie in Hessen auf Personen in Leitungsfunktion beschränkt. Auch das ist meiner Meinung nach sehr wichtig.

(Pörksen, SPD: Das stimmt!)

Meine Damen und Herren, die neue Versicherung ist ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements. Es darf allerdings keineswegs in den Irrglauben verfallen werden, der Staat regele alles. Keinesfalls wird durch die Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung des Landes eine eigene Versicherung der Vereine überflüssig. Von rechtlich selbstständigen Vereinigun

gen, wie Verbänden oder eingetragenen Vereinen, erwartet unsere Fraktion auch weiter, dass sie ihre haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine eigene Unfallhaftpflichtversicherung absichern.

Meine Damen und Herren, trotz der schwierigen Haushaltslage und den damit einhergehenden drastischen Einsparungen werden in Rheinland-Pfalz erhebliche Anstrengungen unternommen, um die wertvolle Arbeit der ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger angemessen zu fördern. Nicht nur Organisationen und Verbände werden vom Land Rheinland-Pfalz unterstützt, sondern auch Räume, Anlagen und technisches Gerät oder Qualifizierungsmaßnahmen für die ehrenamtlich Tätigen werden gefördert. Diese Fördermaßnahmen werden von unserer Fraktion nachhaltig unterstützt. Jeder Euro, der in das Ehrenamt fließt, zahlt sich für die Gesellschaft doppelt und dreifach aus.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss meines Beitrags Folgendes festhalten: Die Rahmenbedingungen für das ehrenamtliche Engagement in Rheinland-Pfalz sind hervorragend. Sie werden kontinuierlich verbessert. Dies ist ein Verdienst der Landesregierung und der in der Regierungsverantwortung stehenden Fraktionen. Lassen Sie uns diesen Weg konsequent und insbesondere – das wäre meiner Meinung nach für die Stärkung des Ehrenamts außerordentlich wichtig – gemeinsam und über die Parteigrenzen hinweg weiter beschreiten.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Frau Morsblech, FDP, und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ernst.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung macht aus unserer Sicht eines klar: Der Breitensport mutiert zum Stiefkind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Zuber, auf einer einzigen Seite von insgesamt 45 Seiten widmen Sie sich, immerhin der Minister des Innern und für Sport, dem Thema „Ehrenamt im Sport“.