Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die vom Bundestag verabschiedete Gemeindefinanzreform, die von den kommunalen Spitzenverbänden, auf die Sie doch sonst Wert legen, begrüßt und von der weitaus überwiegenden Zahl der Wissenschaftler und Experten als richtig bezeichnet wurde, daran scheitert, dass sich die Vielzahl der Kanzlerkandidaten der CDU nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigen können und damit eine nachhaltige Verbesserung der Kommunalfinanzen verhindern.

(Beifall der SPD – Schmitt, CDU: Mit Ihren Problemen haben Sie mehr als genug zu tun!)

Kolleginnen und Kollegen, ich will auch ein Drittes sagen. Das meiste von dem, was die kommunalen Spitzenverbände im Bund und in den Ländern fordern, ist bei uns in Rheinland-Pfalz längst Realität und umgesetzt.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ei, ei, ei!)

Sie fordern, dass Gesetzentwürfe frühzeitig den kommunalen Vertretern zur Stellungnahme zugeleitet werden. In Rheinland-Pfalz passiert das seit langem.

Alle Gesetze, die die Kommunen tangieren, haben diese rechtzeitig in der Hand. Die Landesregierung hört die kommunalen Vertreter an. Deren Stellungnahmen sind in den Gesetzesbegründungen enthalten. Im Innenausschuss haben sie in aller Regel noch einmal die Gelegenheit, Stellung zu beziehen.

(Schnabel, CDU: Und richtet sich nicht danach!)

Die Spitzenverbände fordern weiter eine detaillierte Darstellung der finanziellen Auswirkungen von Gesetzen. In Rheinland-Pfalz ist das längst eine Selbstverständlichkeit.

(Zuruf von der CDU: Aha, aha!)

In jedem Gesetzentwurf sind die finanziellen Folgekosten dargestellt.

Die Spitzenverbände fordern weiterhin einen Konsultationsprozess mit Vertretern von Land und Kommunen bei Folgekosten von Gesetzen. In Rheinland-Pfalz haben wir das. Wir haben die paritätisch besetzte Finanzausgleichskommission mit je drei Vertretern des Landes und der Kommunen.

Wir haben den Kommunalen Rat. Wenn der manchmal nicht beschlussfähig ist, ist das nicht Schuld des Landes.

(Beifall der SPD – Staatsminister Zuber: So ist das! – Schmitt, CDU: Fragen Sie einmal, warum er nicht beschlussfähig ist!)

Die kommunalen Spitzenverbände fordern als Nächstes, die Einnahmen der Kommunen zu stabilisieren. In Rheinland-Pfalz machen wir das.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Mit dem Beistandspakt hat das Land im kommunalen Finanzausgleich den Kommunen verlässlich kalkulierbare Einnahmen garantiert.

(Beifall der SPD)

Mit dem Stabilitätsfonds wird sichergestellt, dass sich diese Einnahmen weiterentwickeln. Das ist ein bundesweit einmaliges Projekt, um das uns die Kommunen in allen anderen Bundesländern beneiden.

(Beifall der SPD – Schmitt, CDU: Jetzt reicht es aber!)

Wir haben dagegen eine Opposition, die den schlechten Zustand der Kommunalfinanzen bemängelt, aber noch nie einen einzigen Antrag gestellt hat, der zu einer Verbesserung führen würde.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich warte immer noch darauf, dass die Opposition mir die Drucksachennummer eines solchen Antrags nennen würde. (Schmitt, CDU: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, die Spitzenverbände fordern zum Schluss weiter die Abschaffung von einengenden Vorschriften. Wir haben in Rheinland-Pfalz ein erstes Standardflexibilisierungsgesetz auf den Weg gebracht, und zwar ein verfassungskonformes. Diesem werden weitere folgen.

(Schnabel, CDU: Oh! Wo ist denn das?)

Nun erfüllen wir mit der Einführung des Konnexitätsprinzips eine weitere Forderung der Spitzenverbände.

Herr Kollege Schnabel, Ihr schlechtes Gewissen, dass Sie noch keinen Antrag eingebracht haben, rechtfertigt nicht Ihre Unruhe.

(Beifall der SPD – Heiterkeit bei der CDU – Hartloff, SPD: Der Gewissenlose!)

Wir stärken mit dem Konnexitätsprinzip die kommunale Selbstverwaltung, aber auch die Selbstverantwortung des örtlichen Geschehens und seiner Entwicklung in der Zukunft.

Wir stellen im Gesetzestext fest, dass, wenn die Übertragung von Aufgaben und Pflichten durch das Land zu einer Mehrbelastung der Gemeinden und Gemeindeverbände führt, ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu leisten ist. Wir haben uns nicht für die Formulierung eines angemessenen Ausgleichs wie in einigen anderen Bundesländern entschieden, da dies die Rechtsposition der Kommunen gegenüber dem Land geschwächt und zu einem ständigen Streit darüber geführt hätte, was nun angemessen ist oder nicht.

Nur so wird klargestellt, dass die finanzielle Ausgleichspflicht ein Vollkostenersatz ist, also die Zweckausgaben und die Verwaltungskosten beinhaltet. Klarer und eindeutiger geht es nicht.

Wir haben diese Ausgleichspflicht nicht auf Gesetze beschränkt, sondern sie gilt auch für Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, bei denen das Land in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung oder der Verpflichtung zur Beachtung besonderer Anforderungen bei der Aufgabenerfüllung die volle Kostendeckung übernehmen muss. Mit dieser Regelung haben wir eine bundesweit vorbildliche und kommunalfreundliche Formulierung gefunden; denn es war ein von der CDU benannter Wissenschaftler, der vor der Kommission festgestellt hat, dass die erst kürzlich in Hessen beschlossene Formulierung überflüssig sei. Da sie den Kommunen nichts bringe, hätte man sie auch gleich sein lassen können.

Meine Damen und Herren, wir stellen mit unserem Entwurf einen gerechten Ausgleich zwischen Land und Kommunen sicher, und wir versprechen uns davon, dass dies nicht nur gegenüber der Landesregierung, sondern gleichermaßen auch gegenüber dem Landesparlament eine pädagogische Wirkung haben soll. Wenn der Gesetz- und Verordnungsgeber bereits im Vorfeld der Rechtsetzung gezwungen wird, sich über die Kosten vielleicht mehr als bisher Gedanken zu machen, wird das eine oder andere Gesetz oder die eine oder andere

Verwaltungsvorschrift vielleicht gar nicht erst eingebracht oder aber anders, und zwar kostengünstiger ausfallen. Die Verlagerung kostenträchtiger Aufgaben nach unten ohne die entsprechenden Mittel wird es künftig im Verhältnis zwischen Land und Kommunen nicht mehr geben.

(Lelle, CDU: Das ist höchste Zeit!)

Wer also eine Aufgabe oder Ausgabe prägt, steht auch an erster Stelle bei der Finanzierungsverantwortung. Großzügigkeiten auf Kosten Dritter werden durch die Zusammenführung von Aufgaben und Finanzverantwortung ausgeschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Konnexität führt in aller Regel auch dazu, dass eine Überregulierung staatlicher Aufgaben unterbleibt, da natürlich beide Ebenen, Land und Kommunen, ein Interesse daran haben müssen, dass eine wirtschaftliche, effektive und Kosten sparende Aufgabenerfüllung stattfindet. Wenn das Land dabei einen ausreichenden Gestaltungsspielraum vor Ort zulässt, wird dies die Kreativität und Effizienz in den Kommunen fördern.

Meine Damen und Herren, wir hatten in der EnqueteKommission einen Dissens in der Frage, ob das Land auch für Kosten, die andere verursachen, geradestehen muss. Die CDU war der Auffassung, dass, wenn Bundesregierung, Bundestag oder Europäische Kommission und Europäisches Parlament Beschlüsse fassen, die die Kommunen Geld kosten, das Land dafür die Mittel bereitstellen muss.

(Schnabel, CDU: Mit Recht!)

Ich bitte jede Kollegin und jeden Kollegen, einmal bis zum Ende zu denken, was wir tun würden, wenn wir dem zustimmen würden, außer dass es sowieso nur Populismus ist. Wir würden den Bund und auch Europa aus der Verantwortung entlassen, darüber nachzudenken, was eine Aufgabe die Kommunen kostet, weil das Land für die Kosten aufkommt. Aus dieser Verantwortung wollen wir weder den Bund noch Europa entlassen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es wäre auch das genaue Gegenteil von Konnexität, wenn wir dies beschließen würden, da eben nicht der Kostenverursacher die entsprechenden Finanzmittel bereitstellen muss, wenn er Aufgaben überträgt, sondern sich darauf verlassen kann, dass ein anderer – in dem Fall das Land – bezahlt. Das führt eben nicht zu einem Abbau von Bürokratie, führt nicht zum Abbau von Vorschriften und Gesetzen, bietet keine Anreize für wirtschaftliches Handeln und läuft dem Konnexitätsprinzip sogar genau entgegen.

Auch der Hinweis, dass das Land über den Bundesrat Einfluss nehmen könne, ist nur theoretischer Natur, da die Stimme eines Bundeslandes in der Regel nur eine begrenzte Wirkung entfaltet und es anderen Bundesländern relativ egal ist, wenn wir eine Regelung in der Verfassung haben würden, die alle anderen Bundesländer, wie ich denke, zu Recht ablehnen.

Nein, auch hier muss das Verursacherprinzip gelten: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Es kann nicht sein, dass man das Land in allen Bereichen, in denen es keine Gestaltungsalternativen hat und ihm zwangsläufig auch die Möglichkeit fehlt, durch eigenes gesetzgeberisches Handeln Kostenbelastungen der Kommunen verantwortlich zu steuern, dafür in die Haftung genommen werden soll. Eine solche Regelung würde die Verknüpfung von Kostenverursachern und Kostenbelastern wieder aufheben und damit der Konnexität zuwiderlaufen.

(Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir aber dafür sind, diese Konnexitätslücke zu schließen – darin stimmen wir wiederum überein –, sind wir für den Entschließungsantrag, der die Landesregierung auffordert, dahin gehend initiativ zu werden, dass auch im Grundgesetz das Konnexitätsprinzip zum Schutz der Kommunen vor finanzieller Überforderung verankert wird.

(Schnabel, CDU: Also doch!)

Aber es wird dort verankert, wo es hingehört, nämlich im Grundgesetz und nicht in unserer Landesverfassung, Herr Kollege Schnabel. Verstehen Sie doch endlich einmal, was Konnexität wirklich bedeutet. Sie begreifen es einfach nicht.

(Beifall bei der SPD)

Da zurzeit die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung vieles auf den Prüfstand stellt, ist dies auch ein geeigneter Rahmen, dort aufgenommen zu werden, wo es hingehört, um sich um eine Präzisierung der Durchgriffskompetenz des Bundes auf die kommunale Ebene zu bemühen.

Meine Damen und Herren, die heute und morgen zu beschließende Verfassungsänderung ist auch eine Frage der Neubewertung des Spannungsverhältnisses zwischen Aufgabenkonnexität und Gesetzeskonnexität, vor allem vor dem Hintergrund von Aufgabenzuteilung und Kostenverschiebung. Dies sind deshalb für die Kommunen und deren grundgesetzlich zugesicherte Selbstverwaltung gute Beschlüsse und wichtige Tage.

Herzlichen Dank.