Protokoll der Sitzung vom 27.05.2004

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Einsetzungsbeschluss kann die Enquete „Jugend und Politik“ ihre Arbeit aufnehmen. Ich will gern deutlich machen, dass dies auch aus Sicht der Landesregierung ein wichtiges Vorhaben in dieser Legislaturperiode ist und wir froh sind, dass die EnqueteKommission ihre Arbeit aufnimmt.

Ich kann mich eigentlich sehr kurz fassen. Ich will nur noch zwei oder drei Aspekte aufgreifen, die auch in der Debatte von den unterschiedlichen Rednerinnen und Rednern angesprochen worden sind.

Der Einsetzungsbeschluss und der formulierte Auftrag nehmen die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zur politischen Einstellung Jugendlicher und das, was wir aus Analysen von Wahlen wissen, auf, dass wir schon eine wachsende Distanz der jungen Generation gegenüber politischen Institutionen, Organisationen und Akteuren feststellen können.

Wir wissen aber auch aus der Jugendforschung, dass wir es nicht mit einem schlichten Bild der Politikverdrossenheit zu tun haben, sondern es sehr viele Facetten gibt. In der Enquete-Kommission wird es darum gehen, diese Facetten zu beleuchten.

Es ist mehrfach auf die Shell-Studie hingewiesen worden. Das Ergebnis der Shell-Studie ist nicht, dass es bei Jugendlichen kein Engagement gäbe. Das Ergebnis ist vielmehr, die Jugendlichen sind von der Demokratie als Staatsform überzeugt; sie haben allerdings ein zurückgehendes politisches Interesse. Nur noch eine relativ geringe Zahl engagiert sich kontinuierlich über einen längeren Zeitraum in Parteien oder Gewerkschaften. Aber wir haben auch die durchaus ambivalente Bilanz, dass Jugendliche bereit sind, sich punktuell und temporär an einem für sie erkennbaren Projekt mit hohem Engagement zu beteiligen. Es geht darum, diese unterschiedlichen Facetten zur Kenntnis zu nehmen und daraus entsprechende Schlussfolgerungen zu entwickeln.

Gerade weil wir eine relativ günstige Situation haben, was die wissenschaftlichen Studien anbelangt, sodass über einen längeren Zeitraum Zahlen und auch Erkenntnisse vorliegen, liegt meiner Meinung nach das primäre Interesse nicht so sehr in einer Erkenntniserweiterung auf der wissenschaftlichen Basis, sondern in der Umsetzung dieser Erkenntnisse in praktisches Handeln und in praktische Politik sowie praxisorientierte Anregungen zu entwickeln und zu kommunizieren. Dabei müssen wir uns überlegen, wie wir diese Erkenntnisse an all diejenigen, die im Jugendbereich aktiv sind, an die Jugendlichen selbst, aber auch an die politisch Verantwortlichen, weitergeben. Dies ist aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt, der von Anfang an mit zu bedenken ist.

Ich glaube, wir werden bei unserer Suche viele gute Beispiele von Partizipationsprojekten finden, die bisher schon existieren. Von Frau Brede-Hoffmann ist auch darauf hingewiesen worden, dass es wichtig ist, frühzeitig zu überlegen, wie Kinder und Jugendliche mit einbezogen werden können. Dabei können Projekte wie Spielleitplanung durchaus sinnvolle Ideen liefern, die wir in diesen Prozess mit einbeziehen sollten.

Die entscheidenden Fragen lauten aus meiner Sicht: Wie erleben Kinder und Jugendliche in den Projekten die Veränderbarkeit des gesellschaftlichen Umfelds? Wie empfinden sie ihre Einflussmöglichkeiten? Wie lassen sich gewonnene Erfahrungen in ein längerfristiges demokratisches Engagement umsetzen? Wir werden uns natürlich auch mit der Frage befassen müssen, welche Distanz die Politik zu jungen Menschen aufbaut und welchen Beitrag wir leisten.

Ich sage auch dazu, ich plädiere an dieser Stelle sehr für ein realistisches Zugehen auf die Jugendlichen. Ich glaube nicht, dass es der Sache dienlich sein wird, wenn wir den Eindruck erwecken würden, wenn wir dies nur alles portionsgerecht servierten, sei dies ein besonders fortschrittlicher Ansatz der Beteiligung von Jugendlichen. Ich glaube, eine realistische Herangehensweise heißt, dass Jugendliche Erwartungen an die Politik formulieren, dass Politikerinnen und Politiker aber auch den Mut haben zu sagen, welche Erwartungen sie haben. Dabei

müssen beide Seiten bereit sein, am Ende einer solchen Diskussion ihre bisherigen Erwartungen zu revidieren. Meine Hoffnung ist, dass wir einen realistischen und offenen Dialog auf beiden Seiten führen, da letztendlich nur so ein weiterführendes Ergebnis dabei herauskommen kann.

(Beifall der SPD und der FDP)

Deswegen halte ich die Enquete-Kommission für so wichtig. Jugendpolitik und jugendpolitisches Engagement ist eben nicht nur ein Spezialthema für Fachsem inare, sondern ein Thema, das uns alle angeht. Im Kern wird dabei über die Zukunft einer lebendigen Demokratie entschieden. Ich bin ausgesprochen froh darüber, dass die Enquete-Kommission auch bei ihrer Arbeitsweise schon neue Ansätze ausprobieren will und damit möglicherweise schon selbst praktische Erfahrungen gewinnt, die später im Land umsetzbar sind. Ich sage seitens des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend selbstverständlich gern zu, die Arbeit der Enquete-Kommission in den kommenden Monaten mit Nachdruck zu unterstützen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den gemeins amen Antrag. Wer für die Einsetzung der EnqueteKommission stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig. Damit ist die Enquete-Kommission „Distanz zwischen jungen Menschen und Politik überwinden – Beteiligung weiter entwickeln, Demokratie stärken“ eingesetzt.

Ich begrüße weitere Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder der FDP Waldsee/Otterstadt. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe nun Punkt 17 der Tagesordnung auf:

Gemeinsame grenzüberschreitende Rundfunkprogramme fördern Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3131 –

Der Antrag soll heute ohne Aussprache behandelt werden. Es ist beantragt, den Antrag an den Ausschuss für Medien und Multimedia – federführend – sowie an den Ausschuss für Europafragen zu überweisen. Ich sehe keinen Widerspruch, dann ist dies so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende unserer heutigen Plenarsitzung. Ich lade Sie zur nächsten Sitzung am 30. Juni 2004 ein und wünsche allen einen guten Heimweg.

E n d e d e r S i t z u n g: 17:16 Uhr.