Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

Meine Damen und Herren, unabhängig von den Gründen, die zum Gewahrsam führen, kann es für mich niemals eine Rechtfertigung für Folter, für grausame oder unmenschliche Behandlung geben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind daher klare Grenzziehungen erforderlich. Es muss Staaten zusätzlich erschwert werden, Folter zuzulassen oder sogar systematisch anzuwenden. Diesem Ziel dient das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-FolterKonvention. Letztere verpflichtet den Staat, dafür Sorge zu tragen, dass ein Verstoß gegen das Folterverbot möglichst verhindert, aufgeklärt und bestraft wird. Dies ist schon ein wichtiger Schritt gegen Folter und andere unmenschliche Behandlungen.

Ebenso bedeutsam sind aber Mechanismen der Vorbeugung, insbesondere regelmäßige und unabhängige Kontrollen. Das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-FolterKonvention soll die Vorbeugung gegen Folter und erniedrigende Behandlung verbessern. Es sieht neben einem internationalen und unabhängigen Kontrollgrem ium zusätzlich die Schaffung nationaler Kontrolleinrichtungen vor. Es ermöglicht den Unterzeichnerstaaten, bereits vorhandene andere Kontrolleinrichtungen, wie es sie zum Beispiel für den Bereich der Justizvollzugsanstalten mit den Anstaltsbeiräten gibt, für diese Aufgaben einzusetzen. Das bitte ich zu beachten.

Deutschland hat sich in der UN-Generalversammlung intensiv für das Zustandekommen dieses Zusatzprotokolls eingesetzt. Es ist gesagt worden, bisher wurde es lediglich von 21 Staaten unterzeichnet und von drei

Staaten ratifiziert. Deutschland gehört zu den Staaten, die bislang noch nicht ratifiziert haben. Das Zusatzprotokoll tritt erst dann in Kraft, wenn es in 20 Staaten ratifiziert ist.

Es hat selbstverständlich unter anderem auch Auswirkungen auf den Polizeigewahrsam, dessen Anordnung und Vollzug in der alleinigen Verantwortung der Länder liegt. Die meisten Innenverwaltungen der Länder haben sich Anfang des vergangenen Jahres überwiegend ablehnend gegen die Zeichnung des Zusatzprotokolls geäußert. Die Länder haben zwar das mit dem Zusatzprotokoll verfolgte Anliegen uneingeschränkt begrüßt, hierfür aber in Deutschland keinen Bedarf gesehen. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die Beachtung der Menschenrechte Gefangener in Deutschland ohnehin hohe Priorität genieße und bereits funktionierende unabhängige Kontrollmechanismen zum Beispiel im Bereich der Justiz vorhanden seien.

Außerdem nehme bereits der Ausschuss der Europäischen Anti-Folter-Konvention solche Kontrollen vor. Zudem müsste eine Kontrolleinrichtung, wie sie im Zusatzprotokoll vorgesehen sei, für den Polizeigewahrsam erst noch geschaffen werden, da entsprechende Einrichtungen hierfür nicht vorhanden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, die Notwendigkeit eines wirkungsvollen Vorgehens gegen Folter verlangt von uns, das heißt, von den Ländern, die bisher vertretene Auffassung zu ändern. Ich sehe mich in dem von allen Fraktionen getragenen Antrag, über den wir heute sprechen, darin eindrucksvoll bestätigt.

Das deutsche Zögern hinsichtlich der Unterzeichnung und der Ratifizierung des Zusatzprotokolls wirkt sich sehr nachteilig auf das Eintreten gegen Folter auf internationaler Ebene aus, obwohl sich Deutschland auf diesem Feld besonders stark engagiert. Durch die bisherige Nichtunterzeichnung steht die Glaubwürdigkeit von Deutschland hinsichtlich dieses Engagements auf dem Spiel. Im Interesse der wirksamen internationalen Bekämpfung von Folter und anderer unmenschlicher Behandlung sollte Deutschland das Zusatzprotokoll daher sehr zügig unterzeichnen und das Ratifizierungsverfahren einleiten.

(Beifall bei SPD und FDP und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland erhebt für sich den Anspruch auf untadelige Menschenrechtsstandards. Ich denke, das tut man durchaus zu Recht. Kontrollen, die nach dem Zusatzprotokoll auch in Deutschland stattfinden würden, könnten dies nur bestätigen. Um die Chancen für die alsbaldige Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zu verbessern, habe ich diesen Punkt auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz der nächsten Woche setzen lassen. Dort möchte ich dafür werben, dass diejenigen Bundesländer, die sich bislang ablehnend geäußert haben, ihre Auffassung überprüfen und die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls durch die Bundesregierung unterstützen mögen.

Ich halte die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls nicht nur unter außenpolitischen Gesichtspunkten geboten, sie setzt auch ein wichtiges innenpolitisches Signal für die immer wieder und in jüngster Zeit verstärkt aufgekommene Diskussion über die Zulässigkeit von Folter in Ausnahmesituationen. Die Ratifikation und die Umsetzung des Zusatzprotokolls werden dem Eindruck entgegenwirken, in Deutschland könne Folter im Einzelfall erlaubt werden oder geduldet sein.

Ich bitte Sie deshalb herzlich, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Folter ächten und bekämpfen – Ratifikation des Zusatzprotokolls zur UN-Anti-Folter-Konvention vorantreiben“ – Drucksache 14/3244 –. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig. Der Antrag wurde mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Meine Damen und Herren, damit ist die Plenarsitzung beendet. Ich lade Sie zur nächsten Plenarsitzung am Mittwoch, den 8. September 2004, ein.

E n d e d e r S i t z u n g: 18:27 Uhr.