Protokoll der Sitzung vom 13.12.2004

(Beifall der CDU)

Wir begrüßen zunächst weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerlotsen der Verkehrswacht Andernach

Mayen sowie Mitglieder der Theatergruppe Hottenbach. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Grosse das Wort.

(Schweitzer, SPD: Die versteht nämlich auch etwas davon!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ein paar Tagen besuchte ich die 9. Klasse einer Schule mit Förderschwerpunkt Lernen in Nieder-Olm. Natürlich ging es bei diesem Besuch neben vielen anderen Themen auch darum: Wer schafft den Hauptschulabschluss? Wer muss die Schule mit dem Abschluss einer Sonderschule verlassen? Wo kann ich gegebenenfalls bei der Vermittlung einer Ausbildungsstelle helfen? – Natürlich ging es darum, welche jungen Menschen aus dieser Schule noch weitere Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen brauchen, entweder, weil sie durch ihr Elternhaus nicht genügend Unterstützung erfahren oder vielleicht auch deshalb – das müssen wir auch erkennen –, weil eine gewisse Schulmüdigkeit vorliegt, die wir nicht beeinflussen können, die aber eine häufige Tatsache ist.

Nach den Gesprächen mit den Lehrern habe ich festgestellt, es sind weit mehr junge Menschen, die eine weitere Fortbildungsqualifikation nach der Schule brauchen, als ich das vermutet hatte.

Meine Damen und Herren, diese benachteiligten jungen Menschen in den Förderschwerpunktschulen brauchen unsere Unterstützung. Nun sehe ich bei den Änderungsanträgen der CDU – was zugegebenermaßen keine große Überraschung ist, weil es auch in den Jahren zuvor schon so war –, dass dort wie immer die größten Streichungen bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen stattfinden sollen. Darin gehen wir diametral auseinander.

(Beifall der SPD und der FDP – Schweitzer, SPD: Das ist eine Unverschämtheit! – Zuruf des Abg. Schwarz, SPD)

Ich darf erwähnen, dass vor dem Hintergrund der Haushaltsberatungen dieser Ansatz von 16.333.000 Euro schon um ca. 10 Millionen Euro unter dem Ansatz von 2001 liegt.

(Frau Thelen, CDU: Da haben Sie schon gut gelernt!)

Frau Thelen, das Argument, das Sie soeben vorgebracht haben, in dem Haushaltsplan 06 gehe es immer so weiter, wird schon durch diese Zahl völlig ad absurdum geführt, nur mit dem Unterschied, dass wir der Meinung sind, dass die von Ihnen geplante Streichung von zusätzlich 5 Millionen Euro im Jahr 2005 und noch einmal 7 Millionen Euro im Jahr 2006 die gesamten arbeits

marktpolitischen Strukturen unseres Landes zerstören würde.

(Beifall der SPD und der FDP – Rösch, SPD: Und das mit voller Absicht!)

Damit dies in der Konsequenz klar wird: Das würde bedeuten, dass ich nach Nieder-Olm gehe und den jungen Leuten dort sage: Tut mir Leid, sorry, aber das Land ist nicht für euch da. Wir haben nichts. – Das machen wir nicht mit. Die SPD-Fraktion hat das Gefühl, wir müssen uns dafür einsetzen, dass insbesondere die benachteiligten jungen Menschen Hilfe erfahren. Wir meinen, dass wir insbesondere diesen jungen Menschen gegenüber eine soziale Verantwortung haben, die wir auch ausdrücklich wahrnehmen wollen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Im Übrigen soll der Schwerpunkt dieser arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen unter anderen bei den unter 25Jährigen liegen. Ich nenne als Beispiel nur die Jugendscouts, die Jobfüxe, die bisher auf kommunaler Ebene vor Ort sehr wichtige und erfolgreiche Arbeit für uns geleistet haben und politisch für uns von außerordentlich großer Bedeutung sind.

Frau Thelen, wir arbeiten auch in der EnqueteKommission „Zukunft der Arbeit“ zusammen und waren uns auch gar nicht so fremd in der Bewertung der Ausbildungsplatzsituation für junge Menschen. Aber ich frage mich schon, wie ernst Sie es vonseiten der CDU meinen, wenn es um die Bildungsexpansion von unten sowie um die Förderung der jungen Menschen, insbesondere der gering qualifizierten, geht, da dies ein Problem ist, das uns auch im Zuge der demografischen Entwicklung immer weiter begleiten wird. Ich frage mich, wie ernst Sie es wirklich damit meinen, wenn Sie bereit sind, so viel an arbeitsmarktpolitischen Mitteln zu streichen; denn das würde bedeuten, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Benachteiligte in diesem Land überhaupt nicht mehr stattfinden. Das wollen wir nicht; denn wir wollen diese erfolgreiche Politik auch weiterhin betreiben, die uns so weit gebracht hat, dass wir uns auf Platz 3 in der Arbeitslosenstatistik befinden. Das ist ein hervorragender Platz.

(Rösch, SPD: Das hat auch damit zu tun!)

Auch in der Ausbildungsquote nehmen wir bundesweit einen Spitzenplatz ein. Das kommt nicht von ungefähr, sondern hat unbedingt mit den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu tun, die das Land zur Verfügung stellt.

(Beifall der SPD und der FDP – Schweitzer, SPD: Warum kapiert ihr das nur nicht?)

In der Argumentation der CDU wird oft angeführt, man könne gar nicht nachvollziehen, ob diese Maßnahmen tatsächlich bedeutsam seien und tatsächlich etwas brächten. Ich verweise hierzu auf den Finanzhilfebericht, der ganz deutlich zeigt, wie wichtig die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vonseiten des Landes sind und wie viele Menschen von diesen Maßnahmen profitieren.

Ich darf die Begründung in Ihrem Antrag vorlesen, die ich immer als so ersprießlich empfinde. Sie begründen: „Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden auch in Rheinland-Pfalz in ausreichendem Maße durch die Bundesagentur für Arbeit durchgeführt bzw. finanziert. Eine zusätzliche Finanzierung aus Landesmitteln ist auch angesichts der dramatischen Haushaltslage nicht zu verantworten.“

Dann habe ich das wirklich richtig verstanden: Das heißt, Sie sagen, der Bund, die Bundesanstalt für Arbeit übernimmt die Finanzierung, und das Land macht arbeitsmarktpolitisch das Kapitel zu.

Das halte ich insgesamt für außerordentlich schwierig.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das kann nicht im Sinn unserer politischen Gestaltung sein. Zu den Familien komme ich nachher auch noch, weil ich das Gefühl habe, dass das dann kaum mehr stattfindet.

Im Übrigen sollen nicht nur junge Menschen von diesen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen profitieren, sondern natürlich auch Frauen, dies vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, natürlich auch Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung. In den letzten Jahren haben wir erhebliche Steigerungen zu verzeichnen gehabt, Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Damit werden wir auf keinen Fall diesen Streichungen zustimmen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Nicht nur das, es geht auch noch um etwas anderes. Als ich Ihre Anträge gelesen habe, habe ich gedacht, sie sind im Verhältnis zur letzten Haushaltsberatung relativ moderat. Damals lagen Ihre Kürzungen bei 15 Millionen Euro, was die Arbeitsmarktpolitik anging.

Dann habe ich in dem zweiten Antrag die globalen Minderausgaben gesehen. Die globalen Minderausgaben im Jahr 2005 sollen 5 Millionen Euro sein, im Jahr 2006 zu den veranschlagten 6 Millionen von der Landesregierung noch einmal 3 Millionen Euro zusätzlich, also insgesamt für die beiden Haushaltsjahre 8 Millionen Euro. Sie haben allerdings nicht Ross und Reiter benannt. Es ist sehr geschickt zu sagen: Macht ihr einmal. – Die 8 Millionen Euro werden sich natürlich zwingend auf den Arbeitsmarkt auswirken, das ist völlig klar. Das heißt, wir werden auf keinen Fall diese globalen Minderausgaben mittragen können. Nicht nur das nicht, wir können sie auch nicht richtig nachvollziehen.

Ich zitiere die Begründung: „Aufgrund der hohen Ausgabensteigerungen in beiden Jahren gegenüber den Vorjahren und der Haushaltslage ist eine erhöhte Minderausgabe in beiden Jahren angebracht.“ Das zeugt unter dem Strich nicht von viel Verständnis, was den Haushaltsplan 06 angeht. Es gibt einmal Ausgabensteigerungen durch Hartz IV, die gesetzlich so festgelegt sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Einzelplan 06 Ausgabensteigerungen enthalten sind, die sich dadurch ergeben, dass es gesetzliche Regelungen gibt, denen

wir uns nicht bzw. die Landesregierung sich nicht entziehen kann. Wir meinen, dass Sie mit diesen globalen Minderausgaben die Ungenauigkeit auf die Spitze treiben, was nicht gerade von kreativer Oppositionspolitik zeugt.

(Rösch, SPD: Wer das macht, dem fehlt Mut und Charakter!)

Ebenso wenig kreativ ist, dass Sie das wiederholen, was die Technologieberatungsstellen angeht. Frau Thelen, Sie haben es eben auch angesprochen. Wieder einmal wollen Sie die gesamten Mittel von 620.000 Euro auf null stellen, wobei ich noch immer glaube, dass Sie nicht richtig verstanden haben, dass es nicht darum geht, einen Computer an- und auszustellen, sondern dass es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine immer globalisierter werdende Arbeitswelt mitzunehmen, dass sie an der Modernisierung ihres Arbeitsplatzes selbst teilhaben können und es also wertvolle technologische Qualifikationen sind, die dort erworben werden. Mit uns ist das nicht zu machen. Das bestätigen wir wieder. Die Technologieberatungsstellen werden bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gesamte politische Entwicklung, demografische und andere gesellschaftspolitische Entwicklungen machen natürlich nicht nur eine verantwortungsvolle Arbeitsmarktpolitik zwingend notwendig, sondern auch in der Familienpolitik und in der Politik für Menschen mit Behinderung muss dies berücksichtigt werden. Lassen Sie mich sagen, dass wir es sehr begrüßen, dass das gute Netz der Beratungsstellen für Familien keinerlei Kürzungen erfahren musste. Beide Ansätze liegen um 4,2 bzw. 4,3 Millionen Euro.

Bei der Suchtprävention gibt es einen fast identischen Ansatz im Haushalt. Auch diesen halten wir für außerordentlich wichtig.

Bei der dritten Beratungsstelle, nämlich der Schuldnerberatungsstelle, liegen wir mit 1,88 Millionen Euro bundesweit auf einem Spitzenplatz.

Was den Antrag der GRÜNEN angeht, diese Haushaltsstelle zu erhöhen, so können wir dem deshalb nicht folgen, weil wir bundesweit mit diesem Haushaltsansatz so weit oben liegen, dass wir meinen, dass aufgrund der haushaltspolitischen Lage eine Erweiterung oder Steigerung nicht möglich ist.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war aber eine Begründung!)

Die inhaltliche Begründung ist, dass wir bundespolitisch so weit oben liegen. Ich finde, damit haben wir uns sehr gut positioniert.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das vertrete ich auch sehr offensiv. Wenn wir bundespolitisch bei der Bezuschussung der Schuldnerberatungsstellen sehr weit oben sind und verantwortungsvoll mit der schwierigen Finanzsituation unseres Haushaltes

umgehen wollen, dann halte ich es für angemessen, wenn wir sagen, wir bleiben dabei und kürzen nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch darauf eingehen, dass wir es für außerordentlich wichtig halten, was die Familienförderung angeht, dass die Zuschüsse zu den familienfördernden Maßnahmen von etwas mehr als 1,8 Millionen Euro in den Jahren 2005 und 2006 um je 1 Million Euro angehoben werden können. Das ist deshalb wichtig, weil wir die Familien insgesamt für das Zentrum der gesellschaftlichen Entwicklung halten und das entsprechend unterstützen wollen. Dahinter verbergen sich beispielsweise familienfreundliche Arbeitsbedingungen in Unternehmen, aber auch die Steigerung der Erziehungskompetenz der Eltern.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, was die Menschen mit Behinderungen angeht, so möchte ich auf diesen Paradigmenwechsel von stationär zu ambulant kommen. Das Wichtige ist das Projekt „Selbst bestimmen – Hilfe nach Maß für Behinderte“. Dieses beschreibt einen solchen Paradigmenwechsel. Ich kann Ihnen sagen, dass wir gleichzeitig Haushaltsberatungen im Landkreis MainzBingen haben und wir in diesem Jahr wie auch im letzten Jahr erhebliche Einsparungen durch dieses Projekt verzeichnen konnten.

Sie sehen, dass wir nicht nur den Einsparungen zustimmen, die die Landesregierung in diesem Einzelplan 06 zum Teil hat vornehmen müssen, sondern wir meinen auch, dass wir wichtige Signale gesetzt haben, unserer sozialen Verantwortung nachkommen und weiterhin das Gefühl haben wollen, dass wir jungen Menschen mit einem guten Gewissen entgegenstreben und sagen: Wir unterstützen euch weiterhin nicht nur in der Arbeitsmarktpolitik, sondern in allen sozialpolitischen Bereichen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und FDP)