Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Nach der Wahl wurde dann alles wieder relativiert, und heute würde man am liebsten das damals gegebene große vollmundige Versprechen als kleinen Versprecher darstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Jedenfalls sind wir heute mit diesem Haushalt von der Einlösung dieses Versprechens eines ausgeglichenen Haushaltes so weit entfernt wie nie zuvor in der Geschichte dieses Landes.

(Beifall der CDU)

1,9 Milliarden Euro neue Schulden im Jahr 2005 und 1,5 Milliarden Euro neue Schulden im Jahr 2006!

In diesem Zusammenhang hat der Ministerpräsident im Rahmen einer seiner Redebeiträge den Vergleich der CDU-Opposition mit Kassandra bemüht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist klar: Kassandra hat immer die Wahrheit gesagt, und ihre Vorhersagen sind immer eingetroffen. Kassandra hat sich verzweifelt bemüht, ihre Leute vor großem Unheil zu bewahren, so wie wir 1999 und so wie unsere Vorhersagen von 1999 auch eingetroffen sind, nämlich was von dem Versprechen eines ausgeglichenen Haushalts schon damals zu halten war.

Franz Josef Bischel, einer der solidesten Haushälter in diesem Parlament,

(Böhr, CDU: Sehr wahr!)

hält Becks Ziel „nur für eine Schau“, hieß es in der „Rhein-Zeitung“. Christoph Böhr in der „Rheinpfalz“: „Beck baut Potemkin‘sche Spardörfer.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Trümmer dieser Potemkin‘schen Spardörfer drohen uns mittlerweile zu erschlagen. Schon damals war für denjenigen, der sehen konnte und sehen wollte, klar, die Sucht des Schuldenmachens war schon so weit fortgeschritten, dass das Versprechen, 2008 oder gar 2006 auf Entzug zu gehen, bestenfalls ein Wahlkampfgag sein konnte, nicht mehr.

Was geschah danach? – Danach wurden in diesem Land hemmungsloser Schulden gemacht als je zuvor. Es ist auch klar: 2006 sind wieder Wahlen, so wie 2001 Wahlen waren. Da geht es halt in die Vollen, koste es, was es wolle. Nach uns die Sintflut!

(Beifall der CDU)

Weil das mit dem Entzug von der Sucht des Schuldenmachens nicht geklappt hat und weil es mit dieser Landesregierung nicht klappen wird, ist man gezwungen, nach immer neuen Wegen zu suchen, sich das Geld zu beschaffen, das man nicht hat. Es wird nach immer neuen Methoden der Geldbeschaffung gesucht. Nur so kann man das riesige Schuldenkarussell immer schneller drehen. Da finanziert dann ein Wechsel den anderen, und eine Schuldverschreibung generiert die nächste. Es liegt in der Logik des eingeschlagenen Weges: Dieses Schuldenfinanzierungskarussell muss sich immer schneller drehen; denn wenn es zum Stehen kommt, das heißt, wenn an einer einzigen Stelle auch nur einer mal Cash sehen will, bricht alles in sich zusammen, und die Trümmer begraben diesen Haushalt unter sich.

(Beifall der CDU)

Was hier verlorengeht, ist der Zusammenhang zwischen im Haushalt veranschlagten Einnahmen und der Leistung, der Arbeit, die diese Einnahmen erwirtschaften. Bei Steuern, Abgaben und Gebühren, den eigentlichen, den klassischen Einnahmenarten des Staates, ist klar: Dahinter steht die Arbeit der Menschen, die das Geld verdient haben, das sie dann an den Staat zahlen. Hier aber werden Einnahmen virtuell generiert. Wie in konzentrischen Kreisen wird eine virtuelle Geldquelle an die andere virtuell angefügt. Dabei entfernt man sich immer weiter vom Kernhaushalt und damit von dem, was Haushalt eigentlich sein soll, nämlich die nachvollziehbare Veranschlagung realistischer Einnahmen für die Wahrnehmung dringend notwendiger staatlicher Aufgaben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist davor zu warnen. Ein staatlicher Haushalt kann nicht nach den Gesetzen der New Economy gefahren werden.

Ein Finanzstaatssekretär, dem die rheinland-pfälzische Finanzverfassung, dem die Landeshaushaltsordnung und dem der Rechnungshof mehr oder weniger egal ist,

(Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich!)

spielt mit dem Geld der Steuerzahler den Global Player.

(Zuruf des Abg. Schwarz, SPD)

Während der Finanzstaatssekretär mit internationalen Anwaltssozietäten und global tätigen Finanzdienstleistern das große Finanztennis spielt, dürfen die Regierungsfraktionen reihenweise Anträge folgender Güteklasse stellen: Deckblatt Nummer 55 als Beispiel für viele andere Deckblätter: Streichung einer sage und schreibe halben Stelle der Vergütungsgruppe II a bei Titel 425 01, Kapitel 08 56. Begründung: Anpassung an die mittlerweile eingetretenen Änderungen bei der Agrarverwaltung.

Mehr sehr geehrten Damen und Herren, wenn der politische Entscheidungshorizont von SPD und FDP sich darin erschöpft – er scheint sich darin zu erschöpfen –, dann gute Nacht Rheinland-Pfalz!

(Beifall der CDU)

Doch zurück zu unserem Global Player, dessen Lieblingsspielzeug zurzeit das PLP ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das PLP, so könnte man meinen, ist so etwas wie die „Eier legende Wollmilchsau“ für die internationale Finanzwelt oder, anders ausgedrückt, „das Profit-linked Perpetual ist ein innovatives hybrides Kernkapitalprodukt, das nach den Vorschriften des Kreditwesengesetzes als stille Einlage zu qualifizieren ist“. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist keine Pers iflage, sondern stammt aus einer Presseinformation von Clifford Chance. Clifford Chance berät die Landesregierung bei der Strukturierung eines innovativen Kernkapitalprodukts.

Mit dem PLP kommt jetzt der neue Aufschlag im Finanztennis, meine sehr geehrten Damen und Herren. Jetzt nämlich hat das Land einen Weg gefunden, diese PLPs an sich selbst zu verkaufen und dafür zusätzliche 400 Millionen Euro neue Schulden aufzunehmen, ohne dass diese irgendwo ausgewiesen werden müssen.

Nun wird es ernst: Diese Form der Geldbeschaffung zur Finanzierung der Schuldensucht entzieht sich nach eigenen Angaben der Landesregierung jeder parlamentarischer Kontrolle. Ich zitiere: „Das Vertragswerk setzt sich aus einer Vielzahl von umfangreichen und komplexen Einzelverträgen mit zahlreichen Details zusammen. Diese Gegebenheiten führen notwendigerweise zu Vertragswerken, die nicht zuletzt wegen ihres ,Ineinandergreifens‘“ – also ihrer Unüberschaubarkeit – „kompliziert und detailliert ausgestaltet sind. Es ist deshalb schlicht unmöglich, dem Haushalts- und Finanzausschuss jeden Vertrag im Einzelnen dezidiert zu erläutern.“

An einer anderen Stelle heißt es in einem anderem Schreiben auf unsere Anfrage: „Es ist nicht Aufgabe des jeweiligen Haushaltsplans und dessen Erläuterungen, komplexe Finanzströme, um die es sich hier zugegebenermaßen handelt, bis ins Detail darzustellen. Dies würde den üblichen Umfang eines Haushaltsplans sprengen. Vielmehr sind die Erläuterungen auf das sachlich unbedingt notwendige Maß zu beschränken.“

Das sachlich notwendige Maß, das sind dann die zwei winzigen Buchstaben KG in den Erläuterungen zu Titel 182 71 im Einzelplan 12.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist keine Erläuterung im notwendigen Umfang, das ist eine Veräppelung des Parlaments.

(Beifall der CDU)

Nach solchen Antworten durch den Finanzminister braucht uns dann die SPD, die sich ihre eigenen Anträge im Haushalts- und Finanzausschuss von den Regierungsvertretern erklären lässt und längst zum Bleistift

spitzer der Regierung degeneriert ist, nicht vorzuwerfen, wir wollten uns um das Verständnis nicht bemühen.

Dieser Haushalt entzieht ein zentrales Instrument der Geldbeschaffung der vernünftigen, der nachprüfbaren Kommunikation und somit der parlamentarischen Kontrolle. Dieser Haushalt tut das noch in anderer Weise, indem er nämlich Begriffe und Sachverhalte in ihr genaues Gegenteil verkehrt.

Vermögen wird verkauft, uns wird aber gesagt, Vermögen wird vermehrt. Kredite werden aufgenommen, die Kreditaufnahme aber steigt nicht. Auf der einen Seite stehen die Klagen über zu geringe Steuereinnahmen. Gleichzeitig ist aber jeder Trick recht, um sich selbst Steuereinnahmen durch Finanzierungsmodelle zu verkürzen.

Wir können uns in diesem Zusammenhang im Übrigen noch sehr gut daran erinnern, dass von Vertretern der Landesregierung Leute, die sich so verhalten haben, einmal als schlechte Patrioten bezeichnet worden sind.

(Zurufe von der CDU: So war es!)

Schließlich wird eine besinnungslose Verschuldung noch als Nachhaltigkeit gepriesen. Nun kann man sagen, das ist alles clever, und Cleverness gehört zum Geschäft. Da ist auch etwas dran. Natürlich gehört Cleverness zum Geschäft. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, das, was Sie machen, ist nicht clever, sondern das überschreitet die Grenzen zur Unseriösität und zur Dreistigkeit.

(Beifall der CDU)

Wer einen solchen Haushalt vorlegt, verweigert sich jeder Kommunikation zur Lösung der Probleme in diesem Land. Wer einen solchen Haushalt vorlegt, leidet unter extremem Realitätsverlust. Deshalb ist es auch nicht möglich, sich mit dieser Landesregierung ernsthaft einmal darüber zu unterhalten – – –

(Pörksen, SPD: Das kann man mit Ihnen doch gar nicht!)

Sie liefern gerade den Beweis, Herr Pörksen, dass Sie davon überhaupt keine Ahnung haben.

(Pörksen, SPD: Danke schön!)

(Jullien, CDU: Höflich!)

Deshalb ist es schlicht und ergreifend nicht möglich, sich mit dieser Landesregierung ernsthaft und vernünftig einmal darüber zu unterhalten, wer für die Einbrüche auf der Einnahmenseite überhaupt verantwortlich ist. Natürlich ist die Landesregierung für die Einbrüche auf der Einnahmenseite nicht allein verantwortlich. Die Landesregierung wird möglicherweise sagen, sie ist dafür überhaupt nicht verantwortlich.

Aber ein vernünftiges Gespräch darüber ist schlicht und ergreifend auf der Grundlage dieses Haushalts nicht

möglich. Mit diesem Haushalt entziehen Sie einem solchen Gespräch schlicht die Gesprächsgrundlage; denn erste Grundvoraussetzung hierfür wäre, dass die Landesregierung den Menschen in diesem Land endlich einmal die Wahrheit sagt.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Wiederholt er jetzt alles, was Herr Böhr schon gesagt hat?)

Herr Ministerpräsident, was richtig ist, kann man gar nicht oft genug sagen.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe nur den Kollegen Bauckhage gefragt, weil wir verzweifelt auf etwas Neues warten!)

Ich sage Ihnen gleich noch etwas Neues. Sie könnten einmal etwas Neues tun, Herr Ministerpräs ident.