Protokoll der Sitzung vom 20.01.2005

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist mit dem Antrag der vier Fraktionen sehr einverstanden. Die Landesregierung ist auch froh, dass es zu diesem bedeutenden Gegenstand ein Antrag von vier Fraktionen ist. In den Reden, die Sie

gehalten haben, ist nichts enthalten gewesen, das mich als Vertreter der Landesregierung dazu bringen könnte, ein kritisches Wort zu sagen, im Gegenteil.

Erlauben Sie mir, dass ich ein Wort zu Herrn Dr. Dieter Schiffmann sage? Dr. Dieter Schiffmann ist mir in den mehr als zehn Jahren, die ich in dieser Funktion verbringe, ein freundschaftlicher, gelegentlich leidenschaftlicher Kritiker gewesen. Er hat Dinge gewusst, die mir nicht aufgefallen waren. Das hat es mir leichter gemacht und nicht schwerer. Ich schulde ihm Achtung und Dank und bekunde dies gern vor diesem hohen Hause, besonders nach dieser Rede.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung das Ihre dazu beitragen wird, dass die Beteiligung des Landtags, die von Ihnen allen angemahnt wurde, die der Ministerpräsident zugestanden hat, in einer Art und Weise in Zukunft erfolgen wird, die Ihre Zufriedenheit auslösen wird.

Ich habe mich über den Hinweis von Herrn Schreiner über die Rolle der Europäischen Union als Motor der Föderalisierung gefreut. Das wird viel zu selten beachtet. Es ist aber wahr. Auch die Anmerkungen von Herrn Geisen über die Betonung der Unionsbürgerschaft und die Betonung des territorialen Zusammenhangs von Herrn Wiechmann sind alles wichtige Elemente, die gern verloren gehen, wenn man sich nur im eigenen Teller bewegt. Aber das ist etwas, was auf die Zukunft gerichtet ist.

Ich nenne das von Herrn Dr. Dieter Schiffmann am Ende genannte Zitat von Jeremy Rifkin, was dieses Europa der Europäischen Union im Vergleich zu anderen ist. Wir wollen die anderen jetzt nicht mit Namen nennen. Das ist ein sehr treffendes Zitat. Das ist auch etwas schmeichelhaft für uns. Es ist nicht nur so, dass wir nur auf Gemeinschaft schauen. Wir schauen zunehmend auch auf Eigentum, aber bitte. Es ist insgesamt ein sehr treffendes Zitat.

Ich will noch drei bis vier Sätze dazu sagen, was es beschreibt. Es beschreibt das Bedeutende des Vorgangs, dessen Zeugen wir sind, sehr gut. Auf der einen Seite ist es bemerkenswert, dass in der Bevölkerung der Union, in der Bürgerschaft keine Begeisterung, keine Hochstimmung herrscht. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt eine gewisse Teilnahmslosigkeit, was den Verfassungsprozess und seine Ratifizierung anbelangt. Trotzdem ist dies ein großes Werk. Es wird vollbracht werden. Ich will es mit den Worten eines bedeutenden Gelehrten sagen: Viele Leute wissen es nicht, aber sie tun es, ein großes Werk vollbringen.

Diese Union, zu der sich die alte Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt hat, lebt im Kern von der Zusammenarbeit. Jacques Delors hat in der Einheitlichen Politischen Akte gesagt, es geht um den Wettbewerb, der uns voranbringt, es geht um die Zusammenarbeit, die uns stärkt, und es geht um Kohäsion, also Solidarität. Das Wichtigste ist die Zusammenarbeit; denn erst aus der Zusammenarbeit erwächst die Solidarität. Man ist nicht

zu Leuten solidarisch, die man nicht kennt und mit deren Schicksal man sich nicht verbunden fühlt. Die Zusammenarbeit ist das Wichtigste.

Insofern gehöre ich auch nicht zu denen, die der Meinung sind, dass der Wettbewerb ein Wettbewerb nicht nur der Unternehmen sein sollte, sondern auch einer der Mitgliedsstaaten. Die Meinung teile ich nicht. Ich bin aber sehr wohl der Meinung, dass es einen Wettbewerb zwischen den Regionen gibt. Ich glaube, in einem gewissen Umfang ist er vernünftig. Aber es ist nicht der Wettbewerb der Nationen; denn bei dem sind wir immer einen Schritt davor, dass es zu viel wird. Das ist die Lehre der europäischen Geschichte der letzten 200 Jahre.

Ich will sagen, das Bedeutende an dieser Union ist Folgendes: Das waren am Anfang sechs, und jetzt sind wir weit über 20, demnächst 27, vielleicht sogar 28. Das ist ein Gebilde, das auf Erweiterung angelegt ist, aber nicht herrschsüchtig ist. Es ist nicht auf Erweiterung angelegt wie in der europäischen und nicht nur in der europäischen Geschichte der letzten 100 Jahre, sondern auf Erweiterung zum gemeinsamen Nutzen.

Fast hätte ich gesagt, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen, weil vom christlichen Erbe die Rede war. Der gemeinsame Nutzen durch Zusammenarbeit ist eine historische Neuerung. Das gab es im staatlichem Leben auf dieser Welt vorher nicht. Es ist die bedeutendste staatliche „Errungenschaft“ des 20. Jahrhunderts und wahrscheinlich auf lange Zeit auch die bedeutendste des 21. Jahrhunderts.

Diese Union ist weltweit ein Vorbild. Wenn Sie nach Lateinamerika kommen, dann sagen die alle, wenn die Amerikaner das mit uns machen würden, würde es uns auch besser gehen. Mit den Amerikanern meinen sie die Gringos. Darauf wollte ich hinweisen.

Das soll jetzt mein Schluss sein. Diese Europäische Union ist Menschenwerk. Sie ist ein Erzeugnis der nachdenklichen, die Geschichte wertenden Vernunft. Wir sind nicht bloß dabei. Wir sind die Urheber dieses Erzeugnisses. Wenn man will, dann kann man darauf stolz sein; denn es ist eine Tat. Es ist eine Leistung. Es ist nicht eine Gnade oder Zufall.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, damit ist die Debatte über den Punkt 10 der Tagesordnung beendet. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, EUVerfassungsvertrag rasch ratifizieren – Mitwirkung der Parlamente sichern – Drucksache 14/3757 –. Ich denke, wir stimmen direkt über den Antrag ab; so war das gemeint.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Direkt abstimmen, okay.

Wir stimmen direkt über den Antrag ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Meine Damen und Herren, wir haben am Anfang, am Mittwoch bei der Feststellung der Tagesordnung einen Punkt auf die Tagesordnung eingefügt, und zwar folgenden: Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Landes Rheinland-Pfalz in den Ausschuss der Regionen Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 14/3767 –

Die Landesregierung hat Herrn Dr. Schiffmann als stellvertretendes Mitglied des Landes Rheinland-Pfalz in den Ausschuss der Regionen vorgeschlagen.

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Ja, zur Tagesordnung, zur Geschäftsordnung meinte ich natürlich.

Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Jullien das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den gestern genannten Gründen wird die CDU-Fraktion nicht an der Wahl teilnehmen.

Herr Dr. Schiffmann, ich betone, dass dies nichts mit Ihrer Person zu tun hat, sondern sich ausschließlich auf die Vorgehens- und Verfahrensweise bezieht.

(Beifall bei der CDU – Mertes, SPD: Frenetischer Beifall der CDU)

Gut, das war zur Geschäftsordnung.

Wir kommen jetzt zur Wahl. Wer der Wahl von Herrn Dr. Dieter Schiffmann als stellvertretendes Mitglied des Landes Rheinland-Pfalz in den Ausschuss der Regionen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Herr Dr. Dieter Schiffmann mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung des Betroffenen gewählt. Die Fraktion der CDU hat nicht mitgewählt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:

Landesgesetz zur Einführung des Landesbodenschutzgesetzes und zur Änderung des Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/3723 – Erste Beratung

Zur Begründung durch die Landesregierung hat Frau Conrad das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legt die Landesregierung erstmals ein eigenständiges Regelwerk zum Schutz des Bodens vor. Damit wird der Schutz des Bodens dem Schutz der Umweltmedien Luft und Wasser gleichgestellt. Ziel ist es, den Boden als Grundlage der natürlichen Kreisläufe dauerhaft zu sichern. Boden ist – das wird oft übersehen – eine endliche Ressource, die leicht und unwiederbringlich zerstört werden kann. Es dauert Jahrhunderte, um eine nur mehrere Zentimeter dicke Vegetationsschicht aufzubauen. Böden haben ein langes Gedächtnis, wie uns die kostspieligen Altlasten der Vergangenheit beweisen. Eine nachhaltige Entwicklung unserer Umwelt ist insofern ohne intensiven Bodenschutz nicht möglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das neue Landesbodenschutzgesetz will diesen Schutz in mehrerer Hinsicht stärken. Zum einen wird der Stellenwert und die Bedeutung vorsorgenden Bodenschutzes herausgehoben. Zum anderen geht es um den Schutz wertvoller Böden, um Vorsorge vor negativen Einflüssen und um die Sanierung von verunreinigten Böden.

Weiterhin soll der sparsame und schonende Umgang mit der endlichen Ressource Boden sowie die notwendige Begrenzung der Flächeninanspruchnahme gefördert werden. Derzeit werden täglich bundesweit rund 93 Hektar und in Rheinland-Pfalz ca. 4,4 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsflächen, allerdings – dies ist erfreulich – mit rückläufiger Tendenz, neu in Anspruch genommen.

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Landesregierung für eine deutliche Verringerung des Flächenge- und -verbrauchs im Rahmen einer nachhaltigen Flächenhaushaltspolitik ein. Ich bin mir bewusst, dass das Landesbodenschutzgesetz lediglich einen Baustein für eine solche Politik darstellt. Diese Aufgabe kann nur im Zusammenwirken mit den gesetzlichen Regelungen insbesondere der Raumordnung, des Bauwesens und der Landespflege gelöst werden und braucht hier das Zusammenwirken insbesondere der Kommunen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Instrumente des neuen Landesbodenschutzgesetzes angeht, werden erstmals bei Bedarf in RheinlandPfalz Bodenbelastungs- und auch Bodenschutzgebiete festgeschrieben werden können. Es gibt in RheinlandPfalz zwar eher kleinräumige, aber ganz besondere und seltene Böden, wie zum Beispiel der „Mainzer Sand“ oder bedeutende geologische Aufschlüsse wie alte Meereskliffe im Landkreis Alzey-Worms, um nur zwei zu nennen.

Das neue Landesgesetz enthält auch Regelungen über die Errichtung eines Bodeninformationssystems. Ziel dieses Informationssystems ist es, bodenschutzrelevante Daten in einer modernen Informationsplattform zu

bündeln, einfache Abfragen und eine schnelle Nutzung und Weiterleitung von Daten zu gewährleisten sowie dadurch insgesamt Transparenz und modernen Service für Behörden und Öffentlichkeit zu schaffen.

Damit Sie eine ungefähre Vorstellung über den Umfang der Daten des Bodeninformationssystems erhalten, darf ich Ihnen einige Zahlen nennen. Es gibt ca. 15.000 Altablagerungen, 5.000 altlastenverdächtige Flächen auf den ca. 550 freigegebenen militärischen Liegenschaften. Die Erfassung der gewerblich-industriellen Altstandorte in den kreisfreien Städten allein macht ca. 35.000 potenzielle bodenschutzrelevante Flächen aus. Dies führe ich an, um die Notwendigkeit eines solchen Informationssystems zu unterstreichen.

Diese Informationen werden in Kürze auf der Basis eines geographischen Informationssystems auch unmittelbar den Kommunen zur Verfügung stehen und damit unter anderem zur Planungs- und Investitionssicherheit bei der Aufstellung von Bebauungsplänen und Flächenumwidmungen beitragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Landesbodenschutzgesetz wird das bisherige Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetz auf ein reines Abfallwirtschaftsgesetz zurückgeführt. In diesem Zusammenhang formuliert das Gesetz auch eine kommunalfreundliche Lösung für die Entsorgung von so genanntem wilden Müll an Straßen. Das Land, respektive der Landesbetrieb Straßen und Verkehr, übernimmt an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen außerhalb der Ortsdurchfahrten das Einsammeln des wilden Mülls und die Kosten hierfür. Die entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaften führen die Abfälle unentgeltlich der Entsorgung zu. Wir haben damit eine gesetzliche Grundlage für die bereits ausgeübte Praxis geschaffen.

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des neuen Landesrechts wurde auch dem Deregulierungsgedanken soweit als möglich Rechnung getragen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger – sprich: die Kreise und kreisfreien Städte – entfällt die Bestellungspflicht für Abfallberater, und auch den Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft wird ein größerer Spielraum bei der Erfüllung der aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz resultierenden Beratungspflicht eröffnet.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung schafft – – –

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, bitte einen Moment. Ich möchte doch bitten, dass es etwas ruhiger ist. Es ist ein hoher Geräuschpegel vorhanden, der sich aus vielen kleinen Geräuschen zusammensetzt. Darum sollte sich jeder angesprochen fühlen.

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.