Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Kollegin, meine Damen, meine Herren! Ich will erst einmal nach den Ausführungen des Kollegen Dr. Schmitz sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass es nicht ein Urteil gegeben hätte, das eine solche Gesetzesinitiative notwendig gemacht hätte. Ich halte die Struktur, insbesondere der ambulanten Pflege in Rheinland-Pfalz, im Grunde genommen für vorbildlich. Wir müssten uns ernsthafte Sorgen darum machen, wenn nicht etwas verändert würde aufgrund dieses Urteils. Herr Dr. Schmitz, für mich zeigt dieser Vorgang wieder einmal, dass nicht alles in unserer Gesellschaft dem Wettbewerb überlassen werden kann oder wir Gefahr laufen, dass uns bestimmte Strukturen wegbrechen, wenn wir sie dem Wettbewerb aussetzen. Sie haben selbst gesagt, dass das Ihr liberales Glaubensbekenntnis sei, das so zu tun.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Ich kann das ausdrücklich nicht unterstreichen.

Zum Zweiten, der Kollege Rüddel hat nun Themen hier eingeführt, die durch ein solches Gesetz nicht im Kern gelöst werden können. Das Problem der Schwarzarbeit in der Pflege ist bestimmt eins, hat aber nur am Rand mit diesem Thema zu tun. Ich erwähne es allerdings deshalb, weil Kollege Rüddel es auf der einen Seite beklagt und auf der anderen Seite das Hohelied der qualitativ hoch stehenden Pflegeangebote in unserem Land singt, auf der anderen Seite direkt wieder gegen Standards schimpft. Woher kommen denn qualitativ hoch stehende Pflegeangebote, Herr Rüddel? Sie kommen natürlich dadurch, dass wir auch hohe Standards haben. Wenn wir die Standards absenken – ich glaube, das dürfen wir nicht tun –, dann wird die Qualität der Pflege sinken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zurück zum Gesetzentwurf. Um es vorweg zu sagen, ich halte den vorliegenden Entwurf – ich will mich dabei nicht bei den Formalien aufhalten, wie der Kollege der CDU – für eine gute Diskussionsgrundlage. Ich glaube, dass er geeignet ist, als Diskussionsgrundlage das Ziel umzusetzen, das sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts ergibt.

Ich möchte an dieser Stelle auf einen inhaltlichen Aspekt hinweisen, den wir in den Beratungen im Ausschuss einer besonderen Prüfung unterziehen werden. Das ist die Frage der zukünftigen Rolle und der zukünftigen Förderung und Einbeziehung der ehrenamtlichen Pflege. Pflege muss in einem Netzwerk erfolgen, sonst funktioniert sie nicht, sonst ist sie auch nicht bezahlbar. Sie machen im Gesetzentwurf Ansätze dazu, wie in Zukunft mit der ehrenamtlichen Pflege umgegangen werden soll. Diese Ansätze sind zunächst einmal zu begrüßen.

Sie sagen auch in § 1: "Pflegende Angehörige, soziale Netzwerke und in der Pflege bürgerschaftlich engagierte Menschen sind zu unterstützen und in die Angebotsstrukturen einzubeziehen." Das begrüße ich ausdrücklich. Wenn das allerdings so ist, dann sind sie nicht nur als Pflegende zu unterstützen, sondern sie müssen im System der Pflege als Akteurin und Akteure wahrgenommen werden, das heißt, sie müssen, auch was die Konzeption angeht, gehört werden. Das sehen Sie zwar vor durch eine Beteiligung in den Pflegekonferenzen, allerdings, glaube ich, dass in die Frage der Zusammenarbeit zwischen professioneller Pflege und ehrenamtlicher Pflege, ehrenamtlichem Engagements etwas mehr Verbindlichkeit hineingebracht werden muss. Heute und auch nach dem, was Sie hier vorsehen, gibt es keine Pflicht der professionellen Seite, mit der ehrenamtlichen Seite zusammenzuarbeiten. Ich denke, da muss etwas mehr Verbindlichkeit hinein.

In diesem Zusammenhang müssen wir auch – ich sage das ausdrücklich so vorsichtig – über den Haushaltsvorbehalt bei der Frage der Förderung der ehrenamtlichen Pflege sprechen. Ich halte Haushaltsvorbehalte bei vielen Dingen für richtig. Ich glaube, man kann es auch nicht ohne machen. Ich denke, man muss an dieser Stelle noch einmal darüber reden, wie das im Detail ausgestaltet werden soll; denn auch das noch einmal, weil Sie schon so schauen, Herr Dr. Schmitz, auch an Ihre Adresse.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss.

Wenn wir insbesondere in der Pflege nicht dieses große ehrenamtliche Familienengagement hätten, dann wäre Pflege bei uns nicht bezahlbar. Weil wir das wissen, ist es auch in dem sozusagen betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen Hintergrund notwendig, die ehrenamtliche Pflege zu fördern. Es spart der Gemeinschaft am Ende sehr viel mehr Geld, als es kostet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich möchte gern eine Minute auf die heutige Situation verwenden, bevor ich auf den Entwurf des Landesgesetzes eingehen möchte.

Ich glaube schon, es ist wichtig zu erwähnen, dass Rheinland-Pfalz das erste Bundesland im Jahr 1959 war, das Vorgaben des SGB XI umgesetzt hat und mit dessen Landesgesetz, über dessen Weiterentwicklung wir heute sprechen, es tatsächlich gelungen ist, dass im

Land Rheinland-Pfalz eine flächendeckende Grundversorgung in der Pflege entstanden ist.

Ich erinnere gern noch einmal daran, wenn wir an vor zehn Jahren denken: Damals gab es 189 ambulante Pflegedienste einschließlich der 98 Sozialstationen. Heute gibt es eine bedarfsgerechte Struktur, die sich entwickelt hat, mit rund 400 ambulanten Pflegediensten einschließlich der Sozialstationen.

Ich denke, das ist eine gute Basis, auf der man weiterarbeiten und das Gesetz den heutigen Ansprüchen bzw. den künftigen Ansprüchen der Pflege entsprechend weiterentwickeln kann.

Dass das so ist, hat viel damit zu tun, dass Land und Kommunen an dieser Stelle sehr eng miteinander zusammengearbeitet haben. Man kann sagen, dass man inklusive der Beratungs- und Koordinierungsstellen (BEKOS) rund 100 Millionen Euro verausgabt hat, um diese Struktur tatsächlich so weiterzuentwickeln.

Die Pflegeversicherung war natürlich auch das Gewicht schlechthin, das es überhaupt erst möglich gemacht hat, dass diese pflegerische Infrastruktur entstehen konnte.

Wir wissen alle – das ist von allen Parlamentariern gesagt worden –, dass aufgrund von Klagen sowohl privater Anbieter als auch freier gemeinnütziger ambulanter Pflegediensteanbieter wir heute in der Situation sind, dass wir einer Weiterentwicklung des Landesgesetzes bedürfen.

Es ist eigentlich völlig egal, ob wir das jetzt gut oder schlecht finden, das ist die Situation, mit der wir umzugehen haben. Herr Rüddel, es gibt ansonsten überhaupt keinen Anlass, im Moment auf dieses bewährte Gesetz einzugehen oder es zu verändern.

Man kann im Moment nur sagen, die rechtliche Situation sollte uns dazu zwingen, tatsächlich eine Weiterentwicklung der Pflege mit diesem Gesetz zu verbinden, um damit auch in der Zukunft, vor allem vor dem Hintergrund der Demografie, entsprechende Zeichen zu setzen.

Wenn Sie den Zeitpunkt ansprechen, möchte ich noch einmal sagen, es hat zwar das von Ihnen zitierte Urteil gegeben, aber im Jahr 2003 hat dasselbe Oberverwaltungsgericht (OVG), das uns Ende letzten Jahres ein anderes Urteil beschert hat, noch einmal eine vollkommen andere Rechtsauffassung gehabt.

Damals hat das OVG Rheinland-Pfalz ganz klar geurteilt, dass die praktizierte Förderung im Rahmen unseres Landesgesetzes zulässig ist.

Deshalb hat das Ministerium gerade aufgrund der Tatsache, dass sich das Gesetz bewährt hat, keine Veranlassung gesehen, frühzeitiger zu agieren.

Ich möchte zwei, drei Sätze zu diesem Entwurf sagen. Ich möchte zunächst dankbar aufgreifen, dass die Mittel, die ursprünglich in die Pflege gebracht worden sind, auch in diesem Gesetzentwurf in Zukunft der Pflege wieder voll zur Verfügung gestellt werden sollen.

Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal zu sagen, dass die Pflege jetzt eine neue Form annimmt. Während man vorher eher eine formatische, eine rein medizinische Pflege im Vordergrund hatte, geht man heute – das ist die gleiche Debatte wie bei der Pflegeversicherung auch – von einem umfassenderen Begriff der Pflege aus. Dazu gehört die soziale Betreuung, die Sicherung der Teilhabe und die Beratung und Unterstützung auch schon vor Eintritt in den Pflegefall.

Deshalb bin ich sehr dankbar, dass diese Aspekte in diesem Entwurf entsprechend aufgenommen worden sind. Ich glaube, es ist eine logische Konsequenz, dass man die kommunale Pflegestrukturplanung dementsprechend weiterentwickelt und die kommunalen Kräfte sehr viel stärker einbezieht, um dem Anspruch gerecht werden zu können, an dieser Stelle Schritt für Schritt auf eine ortsnahe und aufeinander abgestimmte Strukturplanung zu kommen.

Die Ergebnisse einer Pflegestrukturplanung sind gerade für die politischen Entscheidungsträger, nicht nur für die einzelnen Anbieter, von großer Bedeutung und auch die Frage, wie es eigentlich mit den Bedarfen vor Ort aussieht und wo weitere Entwicklungen für die Zukunft erforderlich sind.

Ich möchte darauf hinweisen, auch noch einmal Herrn Abgeordneten Rüddel, die regionalen Pflegekonferenzen sind keine neue Erfindung, die Kommunen hatten in der Vergangenheit die Pflicht, sich durch Arbeitsgemeinschaften um die Pflege vor Ort zu kümmern. Manche haben das ganz toll gemacht, andere waren noch nicht so aktiv in dieser Sache.

In vielen kommunalen Gebietskörperschaften gibt es schon so etwas wie regionale Pflegekonferenzen. Ich glaube, es ist eine gute Idee, das als Instrument der Zukunft aufzunehmen, weil man dadurch die Vernetzung vor Ort entsprechend durchsetzen kann.

Über die Beratungs- und Koordinierungsstellen möchte ich nur zwei, drei Sätze verwenden. Sie sind einmalig in der Bundesrepublik und die Anlaufstelle für ältere Menschen, wenn sie von heute auf morgen mit der Pflege konfrontiert sind und Hilfe, Planungshilfe und Unterstützung brauchen.

Deshalb bin ich froh, dass dieser, wie ich finde, unverzichtbare Bestandteil unseres Pflegeangebots auch Niederschlag in diesem Entwurf findet.

Vielleicht noch zwei, drei Sätze zu den Gesprächen. Natürlich hat das Ministerium, als die Rechtssicherheit durch das neue Urteil sozusagen vorhanden war – das ist selbstverständlich –, mit allen Partnern in der Pflege Gespräche geführt. Es war ein komplizierter, längerer Prozess, von dem man sagen kann, er hat auf der einen Seite Zeit gekostet, aber andererseits war er sehr fruchtbar, weil man gemeinsam Eckpunkte entwickeln konnte, die von allen Seiten getragen werden.

Ich denke, das kann man einem Ministerium nicht vorwerfen, genauso wenig, dass es dann nicht selbst den Gesetzentwurf einbringt, sondern die Koalitionsfraktio

nen diese Eckpunkte aufgreifen und einen eigenen Gesetzentwurf einbringen.

Ich bedanke mich auf jeden Fall dafür. Ich bin ganz gespannt, was in der gemeinsamen Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss mit diesem Gesetz weiter passiert und wie die Resonanz dazu ist.

Ein letztes Wort. Sehr verehrter Herr Abgeordneter Rüddel, die Schwarzarbeit hat mit diesem Gesetz nichts zu tun. Es ist einfach ein völlig anderes Thema.

Wir unterschätzen das im Ministerium nicht, wir haben vielmehr schon vor einigen Wochen gemeinsam mit unseren Partnern eine Arbeitsgruppe gebildet, um das Thema „illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit auf dem Pflegemarkt“ umfassender anzugehen.

Das Thema, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, ist ein Thema davon. Aber es gibt viele weitere mehr, die zurzeit bearbeitet werden. Ich denke, man wird auch im Rahmen des Parlaments Gelegenheit finden, diese Vorschläge zu diskutieren.

In diesem Sinn, ich freue mich auf das Verfahren. Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf ein wichtiger Schritt ist in die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur in Rheinland-Pfalz, und freue mich auf eine konstruktive Diskussion.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Damit ist die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs abschlossen. Der Gesetzentwurf – Drucksache 14/4050 – wird an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – und an den Innen- und Rechtsaus-schuss überwiesen.

Wir kommen zu den Punkten 15, 16 und 17 der Tagesordnung, die gemeinsam aufgerufen und beraten werden. Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten beantragt.

Zukunft der Arbeit: Zukunft für Ausbildung Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/2819 –