Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Wir unterbrechen die Sitzung bis 14:15 Uhr.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g: 13:07 Uhr.

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g: 14:15 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich darf die Sitzung wieder eröffnen. Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Dramatische Verschlechterung der Situation auf dem Lehrstellenmarkt in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4182 –

Herr Kollege Wiechmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in RheinlandPfalz hat sich gegenüber dem Vorjahr noch einmal dramatisch verschlechtert.

Die jetzt vorliegenden Zahlen für den Mai zeigen, dass die Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze gegenüber dem Vorjahr weit zurückbleibt. Gleichzeitig ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz stark angestiegen.

Seit Oktober wurden den Arbeitsagenturen 21.028 Ausbildungsstellen gemeldet. Das sind 11 % weniger als im Vorjahr.

Im gleichen Zeitraum haben sich bei den Arbeitsagenturen 28.920 Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet. Das sind 6 % mehr als im Vorjahr.

Die Zahl an nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern ist um 17 % höher als im letzten Jahr.

Zum jetzigen Zeitraum stehen 13.404 jungen Menschen, die sich bei den Arbeitsagenturen als Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet haben, gerade einmal noch 6.372 freie Ausbildungsplätze gegenüber. Das heißt, für weniger als die Hälfte dieser jungen Menschen steht derzeit rein rechnerisch tatsächlich ein Ausbildungsplatz zur Verfügung.

Wenn diese Zahlen nicht erschreckend genug wären, dann gibt es auch noch ein weiteres gravierendes Risiko für den Lehrstellenmarkt. Im derzeit laufenden Schuljahr haben 12.823 junge Menschen den Unterricht in der neuen Berufsfachschule (BFS) I begonnen. Sehr viele davon, weil sie bereits im vergangenen Jahr keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.

Wenn, wie nach Aussagen der Verbände der Lehrkräfte an den berufsbildenden Schulen, zu erwarten ist, dass viele dieser Schülerinnen und Schüler den neu gestalteten schwierigeren Übergang in die BFS II nicht schaffen werden, dann werden zusätzlich am Ende dieses Schuljahres noch einmal mehrere tausend Menschen auf den Lehrstellenmarkt drängen.

Meine Damen und Herren, die Appelle an die Wirtschaft und die bisher durchgeführten Maßnahmen der öffentlichen Hand sind richtig und wichtig, aber sie reichen offensichtlich bei weitem nicht aus, um die berufliche Ausbildung für alle jungen Menschen zu garantieren. Zu viele Unternehmen nehmen ihre Verantwortung für die jungen Menschen nicht ernst.

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft steht im Wort. Im Ausbildungspakt hat sie versprochen, möglichst allen Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben.

Anscheinend jedoch haben es viele Verantwortliche immer noch nicht verstanden. Für den schon jetzt einsetzenden Fachkräftemangel sind auch die Unternehmen verantwortlich.

Wer im Jahr 2010 noch mit qualifiziertem Personal in Deutschland entwickeln und produzieren will, der muss die jungen Frauen und Männer dafür jetzt ausbilden, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen deshalb weiterhin an die Wirtschaft appellieren und die Wirtschaft und die Unternehmen in die Pflicht nehmen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung endlich gerecht zu werden und den Ausbildungspakt, der mit ihnen gemeinsam beschlossen worden ist, nicht ad absurdum zu führen.

Meine Damen und Herren, natürlich wollen wir als GRÜNE das duale System der Ausbildung erhalten. Wir müssen es stärken.

Aber wir können es uns insbesondere mit Hinblick auf die Zukunft nicht leisten, auch nur einen einzigen jungen Menschen ohne eine berufliche Qualifikation zurückzulassen und auf den St. Nimmerleinstag zu vertrösten. Das können wir, gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, nicht tun.

Deshalb bleibt die Landesregierung aufgefordert, die immer größer werdende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Lehrstellenmarkt zu schließen. Dabei darf es sich in Zukunft nicht mehr nur um so genannte Warteschleifenangebote oder immer wiederkehrende Praktika handeln, sondern die anerkannte berufliche Ausbildung muss auch bei öffentlich finanzierten Angeboten absoluten Vorrang haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir schlagen heute vor, wie auch schon in den vergangenen Jahren, an den berufsbildenden Schulen des Landes endlich vollschulische Berufsausbildungsgänge einzurichten, um den jungen Menschen, die im dualen System der Berufsausbildung keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, eine wirkliche Zukunftschance zu eröffnen.

Die gesetzlichen Möglichkeiten für die Einrichtung dieser vollschulischen beruflichen Ausbildungsgänge sind jetzt durch das neue Berufsbildungsgesetz, das im Bundestag mit einer überwältigenden Mehrheit verabschiedet worden ist, vorhanden.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss.

Vor dem Hintergrund der diesjährigen Zahlen muss die Landesregierung an den berufsbildenden Schulen bereits im neuen Schuljahr endlich aktiv werden und entsprechende Bildungsgänge einrichten und so möglichst allen jungen Menschen eine berufliche Perspektive zeigen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich Frau Kollegin Grosse das Wort erteile, begrüße ich auf der Zuschauertribüne die Donnerstagsrunde der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Sobernheim. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Frau Kollegin, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich finden wir auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere auf dem Ausbildungsmarkt eine sehr angespannte Situation vor. Herr Wiechmann, da stimmen wir völlig überein, keine Frage.

Natürlich ist das mit einer sehr schwierigen Situation für viele junge Menschen verbunden, die gerade die Schule verlassen. Auch das ist keine Frage und erfüllt uns mit Sorge.

Es ist allerdings kein Problem, das sich auf RheinlandPfalz beschränkt, leider, möchte man sagen. Es handelt sich hierbei um ein bundesweites Problem. Es hängt damit zusammen, dass wir eine anhaltend schwierige angespannte konjunkturelle Situation vorfinden.

Wir können uns in Rheinland-Pfalz nicht herausbeamen aus der gesamtwirtschaftspolitischen Lage, in der wir uns im Moment befinden.

Nun schauen wir uns die Zahlen in Rheinland-Pfalz etwas genauer an. Herr Wiechmann, wir stimmen im Wesentlichen überein, weil Zahlen eben Zahlen sind.

Die angebotenen offenen Lehrstellen sind erheblich zurückgegangen im Vergleich zum letzten Jahr. Das mag damit zusammenhängen, dass die konjunkturelle Situation die Betriebe etwas zurückhaltend gestimmt hat, zu diesem Zeitpunkt offene Lehrstellen zu melden.

Hier folgt mein Appell an die Wirtschaft, so schnell wie möglich offene Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen, damit wir so viele junge Menschen wie es geht in den Ausbildungsmarkt vermitteln können.

Jetzt kommen wir zu einem Punkt, der für RheinlandPfalz eine besondere Herausforderung darstellt, nämlich dass immer mehr junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt drängen.

Bundesweit liegen die Prozentpunkte bei den gesamten Bundesländern bei 1,8 %, in Rheinland-Pfalz bei 5,1 Prozentpunkten. Das heißt, wir finden eine ganz besonders schwierige Lage vor.

Meine Damen und Herren, dennoch, wenn wir uns ansehen, dass auf 100 Bewerber in Rheinland-Pfalz rein rechnerisch 74 Ausbildungsplätze kommen, der Bun

desschnitt allerdings bei 72 Ausbildungsplätzen liegt, stellen wir fest, dass unsere Ausbildungsquote bundesweit sehr hoch ist.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das soll keinerlei Anlass zur Entwarnung geben. Darum hatte ich meine Bemerkung vorabgeschickt. Ich möchte aber schon hervorheben, dass wir in Rheinland-Pfalz eine im Verhältnis gute Situation vorfinden.

Das hängt mit den bewährten Konzepten zusammen, die wir in Rheinland-Pfalz finden, allen voran der „Ovale Tisch“ des Ministerpräsidenten, den es bereits sei 1991 gibt, natürlich die Vereinbarung „Rheinland-Pfalz für Ausbildung“, die im Übrigen – das möchte ich noch einmal ausdrücklich hervorheben – auf der Freiwilligkeit basiert.

Das ist in Rheinland-Pfalz ein sehr wichtiger Punkt, auf den wir großen Wert legen.