Protokoll der Sitzung vom 06.07.2005

Es wird die Luitpoldschule zitiert, die in dem Stadtteil liegt, in dem ich wohne. Ich hätte sie auch gern herausgehalten,

(Heiterkeit bei der SPD – Mertes, SPD: Das hat man deutlich gespürt!)

aber so wie das dargestellt wurde, ist das nicht möglich. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Einführung der Selbstverantwortlichen Schule an dieser Schule als so genannte geheime Kommandosache gehandhabt wird.

Ich habe dem Schulleiter vor dem Elternbrief – ich bin so frank und frei zu sagen, dass der Elternbrief deshalb kam, weil ich dort angerufen habe –

(Unruhe bei der SPD)

den Vorschlag gemacht, in einer öffentlichen Veranstaltung das Konzept vorzustellen. Der Schulleiter hat daraufhin gesagt: Jetzt noch nicht; wir reden darüber, wenn wir den Zuschlag erhalten haben. – Dann wurde der Zuschlag gegeben. Einen Termin hatte ich auch schon genannt. Dann kam kurz vorher die Absage, dass die Schulleitung und der Schulelternbeirat nicht die Absicht haben, mit mir das öffentlich zu diskutieren.

(Unruhe bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So kann man Bildungspolitik nicht machen. Ein Konzept muss öffentlich dargelegt werden.

Ach, der Herr Ministerpräsident lacht jetzt auch einmal. Haben Sie das jetzt wenigstens verstanden?

(Zuruf von Ministerpräsident Beck)

So geht das nicht. Es geht nicht, dass ein Schulleiter kneift. Bildung ist öffentlich.

Ein Schulleiter muss gegenüber Vertretern der Öffentlichkeit den Mumm haben, sein Konzept zu vertreten. Ich unterbreite weiter das Angebot: Ich bin gern bereit, sowohl politisch als auch pädagogisch über diese Frage zu diskutieren.

(Beifall der CDU)

Ich bin gespannt, ob wieder gekniffen wird. Es gibt kein Wort, das so oft von dieser Landesregierung in den Mund genommen wird wie die Qualität. Das Reden ist die eine Sache, die Taten sind eine andere.

(Glocke des Präsidenten)

Wir haben in den letzten Jahren einen massiven Abbau von Qualität erlebt, nämlich bei dem Schulversuch der Vollen Halbtagsschule, dem großen Unterrichtsausfall und den fehlenden Rahmenbedingungen. Heute erfahren wir gerade einmal in drei Sätzen, dass jetzt eine Qualitätssicherungsagentur für die Schulen eingerichtet werden soll.

(Zurufe von der SPD)

Versetzen Sie erst einmal die Schulen in die Lage, qualitätsvolles Lehren und Lernen für alle garantieren zu können. Dann kann man über so etwas reden. Bei tausend fehlenden Lehrerstellen und einem hohen aktuellen Unterrichtsausfall usw. besteht noch ein großer Nachholbedarf.

(Beifall bei der CDU)

Es spricht Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Keller, eine Qualität ist bis zum Boden gesunken, nämlich die Ihrer Reden und Bemerkungen.

(Beifall der SPD)

Lassen Sie mich wenige Worte zu dem Vorwurf sagen, in einer Presseerklärung des Ministeriums sei gelogen worden. Das Ministerium hat darauf hingewiesen, dass es die Auswahl, vor allem die Qualität der vorgelegten Konzepte, berücksichtigt habe und anknüpfend an die jeweiligen Qualitätsprogramme – ich zitiere – „die ausgewählten Schulen überzeugend darlegen konnten, dass sie im Rahmen des Schulversuchs neue Wege der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler gehen wollen und die Weiterentwicklung des Unterrichts im Zentrum ihrer Bemühungen steht.“

Jetzt möchte ich auch zitieren, wie die Luitpoldschule dieses formuliert hat. Nachdem sie auf die Schwerpunkte ihrer eigenen Schulentwicklungsarbeit hingewiesen hat, hat die Schule dem Ministerium mitgeteilt, „dass die Optionen des ausgeschriebenen Schulversuchs eine ideale Ergänzung ihrer geschilderten Bemühungen sei. Zwar stellen einige der im Ausschreibungstext“ – hören Sie genau zu – „genannten Positionen für uns als Grundschule keine wesentliche Neuerung dar, so zum Beispiel die selbstverantwortliche Entscheidung über Lerninhalte auf der Grundlage der Rahmenpläne, die Auflösung des 60-Minuten-Taktes oder die weitgehende Freiheit im Bereich einer individuellen Leistungsmessung. Von großem Interesse wäre für uns aber die Option“ – sie wusste noch nicht, ob sie ausgewählt wird –, „unsere jahrgangsübergreifende Atelierarbeit auszubauen, mittelfristig gegebenenfalls entsprechende Klassen phasenweise oder konstant einzurichten. Weiterhin möchten wir umfassende Konzepte zur differenzierten Leistungsmessung inklusive der Selbstbewertung der Kinder im Rahmen eines geöffneten Unterrichts erproben.“

(Glocke des Präsidenten)

Ich will nicht alles herunterlesen. Wenn das für Sie kein Entwicklungskonzept einer Grundschule ist, möchte ich wissen, was für Sie das Entwicklungskonzept einer Grundschule ist. Ich empfehle Ihnen abschließend, jemanden zu lesen, dem Sie sonst nicht so fern stehen, nämlich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit

geberverbände (BDA), die ein eigenes Papier zur selbstständigen Schule erstellt hat. Man könnte glauben, diese hätte sich mit der Landesregierung und der Luitpoldschule abgesprochen.

Herr Kollege Keller, ich glaube kaum, dass der BDA in dem Geruch der Scharlatanerie bei Forderungen für das Bildungssystem steht. Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, wenn Sie es wirklich mit der Selbstständigkeit der Schule so ernst meinen – das will ich Ihnen unterstellen –, müssten Sie den Schulen wenigstens die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sich diese auf den Weg für mehr Selbstständigkeit begeben können. Mit fünf Lehrerwochenstunden – das steht in dem Konzept – ist dies wahrlich nicht zu machen.

Frau Kollegin Brede-Hoffmann, das wissen auch Sie.

(Ministerpräsident Beck: Nur Geld ausgeben!)

Herr Ministerpräsident, das hat mit nur Geld ausgeben gar nichts zu tun. Wenn Sie es mit einem solchen Schulentwicklungskonzept ernst meinen, hören Sie auf, sich feiern zu lassen und immer wieder zu sagen, wir machen das. Die Zuweisung von fünf Lehrerwochenstunden ist ein Irrsinn und überhaupt nicht praktikabel. Das wissen alle, die ein bisschen Ahnung von Schulpolitik haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns ohne Zweifel am Sieger Finnland orientieren, um unser Schulsystem insgesamt leistungsfähiger und gerechter zu machen und es zukunftsfähig zu gestalten. Wir Grünen haben dies konsequent getan. Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass wir die Landesregierung schon vor langer Zeit dazu aufgefordert haben,

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

den rechtlichen Rahmen für die weitgehende sowohl organisatorisch-finanzielle als auch pädagogischdidaktische Selbstständigkeit an den rheinlandpfälzischen Schulen auszubauen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zur Leistungsbewertung und zu den Noten sagen. Frau Brede-Hoffmann hat eine Broschüre des BDA zitiert. Ich möchte auch aus dieser Broschüre zitieren. Unter der Überschrift „Bildungsbiographien und Berufskarrieren neu entwickeln für ein durchlässiges Bildungssystem“ ist

der folgende Satz zu lesen: „In der Schule werden alle Bildungsschritte und Leistungsergebnisse kontinuierlich in einem Bildungsportfolio dokumentiert.“

Diese Studie ist mit Dr. Dieter Hundt unterschrieben, seines Zeichens Arbeitgeberpräsident. Sie ist vom Juni des Jahres 2005. In dieser Broschüre werden Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, aber auch Sie, verehrte Frau Kollegin Frau Morsblech, in diesem Zusammenhang nicht ein einziges Mal die Begriffe „Noten“ oder „Sitzenbleiben“ finden, weil nämlich zu den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen die Ergebnisse der internationalen und der nationalen Leistungsvergleichsstudien inzwischen durchgedrungen sind, aber zu Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, leider bis heute nicht.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben eine große Chance, auch dieses Schulentwicklungskonzept und dieses Projekt zu einem Erfolg werden zu lassen.

(Glocke des Präsidenten)

Die Landesregierung ist dafür da, dass sie es nicht öffentlich zerredet, vernünftig unterfüttert und die Ressourcen zur Verfügung stellt.

Meine Damen und Herren, das sollten wir immer und immer wieder von dieser Landesregierung einfordern. Insofern bedanke ich mich noch einmal bei Herrn Kollegen Keller, dass er das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Danke schön.

(Ramsauer, SPD: Wer zerredet jetzt?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe die Punkte 2, 3 und 4 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3241 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 14/4270 –