Bei der Beteiligung von Behinderten in den Kommunen ist das Landesgesetz nach meiner Auffassung zu kurz gesprungen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass es in diesem Bereich keine wesentlichen Fortschritte gegeben hat. Ich bin niemand, der unbedingt einem Beirat- oder Beauftragtenunwesen in allen Bereichen das Wort reden will. Es muss nicht überall Festlegungen geben. Mir kommt es darauf an, dass die Betroffenen in diesem Bereich beteiligt werden und man ihre Kompetenzen nutzt. Das hat sich in der Praxis als sehr hilfreich, sogar als Kosten sparend herausgestellt. Leider geschieht das in diesem Land längst noch nicht in ausreichendem Maß.
Darüber hinaus stellt sich heraus, dass die Tatsache, dass man das Arbeitsstättengesetz im Zusammenhang mit der Behindertengleichstellung nicht ausreichend anfassen wollte, nun Konsequenzen hat. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es im Bereich der Landesbediensteten einen Rückgang der Beschäftigtenquote gibt. Dieser bewirkt, dass im Landesdienst im Durchschnitt noch weniger behinderte Menschen beschäftigt sind als bei den öffentlichen Arbeitgebern in Rheinland-Pfalz insgesamt. In der privaten Wirtschaft liegt das Ganze um noch einmal zwei Prozentpunkte darunter, nämlich bei etwa 3,2 %.
Ein weiterer Punkt ist die Frage der Integration Behinderter im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen. Hierbei hat es zweifellos einige gute Ansätze gegeben. Allerdings wird das, was man in diesem Bereich tun könnte und tun müsste, längst nicht getan. In dieser Hinsicht ist Rheinland-Pfalz ein gutes Stück hinter anderen Bundesländern zurück.
Es hat sich auch gezeigt, dass die Tatsache, dass man mit der Landesbauordnung in diesem Zusammenhang zu vorsichtig umgegangen ist, nicht dazu geführt hat, dass Punkte, die durch sie geregelt werden, entsprechende Verbesserungen erfahren.
Dasselbe gilt für den Bereich des öffentlichen Verkehrs. Hier sind wir in Rheinland-Pfalz zum Teil mit Standards gesegnet, die einer fortschrittlichen Integrationspolitik und einer Politik der Barrierefreiheit unwürdig sind. Stellen Sie sich vor, dass beispielsweise der Bahnhof in Bad Kreuznach – abgesehen davon wie er sonst aussieht – alles andere als behindertengerecht und barrierefrei ausgebaut ist. Das halte ich gerade vor dem Hintergrund dieses Ortes für einen Skandal.
Erlauben Sie mir, auch aus meiner Heimatstadt Trier zu berichten. Wenn Sie im Trierer Bahnhof beispielsweise mit einem Rollstuhl auf den ersten Bahnsteig kommen, werden Sie mit Freude feststellen, dass dort ein Aufzug installiert worden ist. Dieser Aufzug führt Sie in die Tiefe in die Fußgängerunterführung, die zum zweiten Bahnsteig führt. Wenn Sie mit diesem Aufzug herunterfahren, stellen sie fest, dass es auf der anderen Seite keine Entsprechung gibt. Auf der anderen Seite gibt es nur einen Treppenaufzug, von dem niemand weiß, wie er bedient wird. Wenn jemand herunterfährt – das kann übrigens auch jemand mit einem Kinderwagen oder einem großen Koffer sein –, stellt er fest, dass er auf der anderen Seite nicht hochkommt. Er muss dann wieder zurück, um einen Bahnmenschen zu suchen, der ihm unter Umständen diesen Aufzug aufschließt.
Das ist keine Barrierefreiheit, sondern das ist stümperhaft und schlecht geplant. Das ist übrigens seit Jahren schlecht geplant. Das zeigt, dass wir in diesem Bereich noch einen erheblichen Nachholbedarf haben.
Das Gleiche gilt natürlich in Anbetracht der Arbeitsmarktsituation – wir wissen, dass sie im Allgemeinen sehr schwierig ist – auch für behinderte Menschen. Es geht natürlich nicht, dass in Zeiten, in denen es behinderte Menschen besonders schwer haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, die entsprechenden Mittel für unterstützende Maßnahmen im Landeshaushalt zurückgefahren werden.
Das ist die eine Seite oder ein Teil der einen Seite, die sich mit der Integration von Behinderten bzw. mit der Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Behinderte beschäftigt. Zu dieser einen Seite, die ich nicht überbewerten will, da ich weiß, dass man durch Gesetze Benachteiligungen und Diskriminierungen nicht gänzlich verhindern kann – das wäre eine Staatsgläubigkeit, der ich nicht anhänge –, kann man einen Beitrag leisten. Wir müssen als Staat, als öffentliche Hand die Beiträge so konsequent wie möglich leisten, die wir leisten können.
Wir müssen Diskriminierung deshalb gesetzgeberisch sozusagen in die Zange nehmen. Die Herstellung von gleichwertigen Lebensbedingungen und der Abbau von Barrieren sind der eine Teil der Zange. Es gibt einen anderen Teil der Zange, das ist eine konsequente Antidiskriminierungsgesetzgebung, die – soweit das geht – verhindern soll, dass Menschen wegen bestimmter Merkmale – ein solches Merkmal kann Behinderung sein – im öffentlichen Raum, aber auch im privaten Raum diskriminiert werden.
Der Deutsche Bundestag hat eine Antidiskriminierungsgesetzgebung verabschiedet, die auf dieser Seite auch den Beitrag leisten soll, dass Diskriminierung abgebaut werden kann. Wir wollen nicht in einem Land leben – ich gehe davon aus, das gilt für Sie alle –, in dem Menschen wegen bestimmter Merkmale, zum Beispiel wegen Behinderung, diskriminiert werden. Der Deutsche Bundestag hat dieses Gesetz verabschiedet. Es ist durch den Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.
Nun stehen wir vor der Frage, ob der Bundestag demnächst aufgelöst wird. Wir wissen nicht, ob das so sein wird. Wenn das so sein wird, bestünde trotzdem noch die Gefahr – – –
Frau Präsidentin, dann müssen Sie mir das sagen. Das kann ich am Ton der Glocke noch nicht erkennen.
So ist es. Herr Kollege Marz, ich brauche Hilfe und bitte Sie dringend um Aufklärung über die Mittel, die – so wie Sie ausgeführt haben – für Integrationsmaßnahmen zurückgeführt werden.
Herr Kollege Dr. Schmitz, wenn Sie sich den Zahlenteil des Berichts ansehen – mir stehen jetzt leider nur noch 59 Sekunden zur Verfügung –, werden Sie sehen, dass die Mittel in einem erheblichen Umfang im Hinblick auf Eingliederungsmaßnahmen usw. zurückgegangen sind. Das hat auch dazu geführt, dass die „Fälle“, die erreicht worden sind, deutlich zurückgegangen sind. Sie sind nachher auch noch an der Reihe und können dann versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Ich hoffe, das hat Ihnen weitergeholfen, und ich bin sehr froh, dass Sie von mir keine ärztliche Hilfe verlangt haben. Dann hätte ich es nämlich schwer gehabt.
Zurück zum Antidiskriminierungsgesetz. Dieses Antidiskriminierungsgesetz ist nicht zustimmungspflichtig durch den Bundesrat. Allerdings wird der Bundesrat nach Ankündigung der unionsgeführten Länder von seiner Möglichkeit der Verzögerung Gebrauch machen.
Heute lese ich meines Wissens in der „Rheinpfalz“, was die Landesregierung Rheinland-Pfalz macht. Sie enthält sich der Stimme.
Sie enthält sich der Stimme! Das ist in diesem Zusammenhang sehr peinlich. Ich kann natürlich das, was die Union macht, nicht teilen, aber es ist wenigstens aus ihrer Sicht konsequent, weil sie schon immer gegen eine konsequente Antidiskriminierungspolitik war.
Liebe Frau Ministerin Dreyer, sich in einer solchen Frage zu enthalten, ist feige. Das ist ein Wegducken vor den Problemen.
Das bedeutet, dass Sie die Probleme, die Sie in dieser Koalition zwischen dem gelben und dem roten Koalitionspartner haben, auf den Rücken derjenigen abwälzen,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu Herrn Marz sehe ich das Glas als halb voll an; denn der rheinland-pfälzische Landtag hat in seiner Sitzung am 2. Dezember 2002 als erstes Bundesland ein Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen beschlossen. Insofern sind wir doch nicht so rückständig, wie Sie das meinen.
Das darauf folgende Jahr wurde damals vom Rat der Europäischen Union zum „Europäischen Jahr für Menschen mit Behinderungen“ erklärt. Das Motto „Nichts über uns ohne uns“ und die Leitsätze „Teilhabe verwirklichen“, „Gleichstellung durchsetzen“, „Selbstbestimmung ermöglichen“ passten genau zu dem Paradigmenwechsel in unserer Politik, den wir mit dieser Gesetzgebung unterstützen wollten.
Wir haben zu dem Gesetz einen Bericht gefordert, der alle zwei Jahre erscheinen soll. Diesen Bericht bespre
chen wir heute. In ihm steht, dass viele Aktivitäten zu diesem Thema stattfanden. Es gab Regionalkonferenzen in Mainz, Koblenz, Trier und Kaiserslautern mit der Frau Ministerin. Der Ministerpräsident verlieh erstmals einen Preis für die Umsetzung, Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung behinderter Menschen.
Das Jahr der Menschen mit Behinderungen endete mit einem Fest in Mainz, dessen Motto „Gleich weiter“ zum Ausdruck brachte, dass der begonnene Umsetzungsprozess zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für behinderte Menschen kontinuierlich fortgesetzt wird.
Einige der Ziele, die dieses Landesgesetz verfolgt, sind ähnlich der der Psychiatriereform. Hilfe und Umsetzung für die Behinderten dort zu erbringen, wo sie leben, Dezentralisierung, ambulant vor stationär. In RheinlandPfalz beteiligen sich alle Ministerien, nicht nur das MASFG, an der Bewältigung dieser großen gesellschaftlichen Aufgabe.
Ich darf Ihnen nun einige Beispiele nennen. Fangen wir mit den Kleinsten an. In Rheinland-Pfalz besteht ein dichtes Netz an therapeutischer und diagnostischer Infrastruktur für Kinder. Mit der Vernetzung dieses Angebots nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Sonderstellung ein.
Es gibt sozialpädiatrische Zentren mit angegliederten Frühförderstellen. Bekannt sind uns allen die Angebote in Frankenthal, Neuwied und Trier für die Frühförderung von gehörlosen und schwerhörigen und auch sehbehinderten Kindern.
In den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kitas verpflichten sich alle Träger zur Zusammenarbeit mit allen Fachdiensten, und zwar auch mit denen im gesundheitlichen Bereich.
Das Landesgleichstellungsgesetz unterstützt auch das Schulgesetz dahin gehend, dass der Unterricht von behinderten Kindern keine Entscheidung, sondern eine Verpflichtung der Schulen ist.
Auch bei den Prüfungsordnungen aller Ausbildungsbereiche wurden Regelungen getroffen, die behindertengerechte Ausgleiche ermöglichen; denn auch für behinderte Menschen gilt: Je besser die Ausbildung, desto größer die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. – Auch hier ist das Ziel für uns, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.