Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Innenminister Bruch hat bereits am 15. August 2005 der Presse gegenüber erklärt, dass die Sicherheitsbehörden des Landes in dieser Richtung besonders sensibilisiert und engagiert seien, und – so der Minister wörtlich – dieser Entwicklung gilt es weiterhin mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und mit unvermindertem Nachdruck entgegenzuwirken. Dabei hat er auch die Priorität hervorgehoben, mit der die Zielgruppe der Jugendlichen über die Hintergründe und Gefahren des Rechtsextremismus informiert werde.

Mit repressiven Maßnahmen wird man sicherlich die eine oder andere CD einziehen können. Aber niemand wird so blauäugig sein anzunehmen, dass nicht dennoch auf uns allen bekannte Art und Weise die Tonträger Verbreitung finden. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich alle Betroffenen – das sind neben der Politik insbesondere Eltern und Lehrer – inhaltlich mit dem vermittelten Gedankengut der Rechtsextremen auseinander setzen.

Gruppen wie „Carpe Diem“, die auf subtile Weise antisemitische Stereotypen verbreiten, oder „Faustrecht“, die die Macht des Kapitals anprangern, oder zum Beispiel „Nahkampf“, die auf sozialdarwinistischen Vorstellungen beruhende Werte vertreten, oder gar Frank Rennecke, der wohl bekannteste Liedermacher des neonazistischen Spektrums, der von dem Mädel mit der Fahne singt, das trotz der Niederlage am Kriegsende 1945 die Fahne vom Deutschen Reich aufrechthält: Es ist eine wahrlich wirre Mixtur unausgegorener Gedanken und diffuser Weltbilder, mit der wir die jungen Menschen nicht allein lassen dürfen. Die Lieder bzw. Texte bedürfen der Entwirrung, um durch die kritische Auseinandersetzung mit ihnen deren Menschenverachtung und undemokratischen Inhalt zu entlarven. Dann wird schnell klar, wes Geistes Kinder die Produzenten dieses Machwerks sind. Deren Gedankengut darf nie mehr Boden greifen.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in Rheinland-Pfalz – Herr Kollege Klöckner hat es angesprochen – verteilt die NPD diese CDs. Mir persönlich sind drei Fälle bekannt, in denen nach Gesprächen zwischen Lehrern und Schülern die Schüler die CDs wieder abgegeben haben. Es war möglich, in den betreffenden Schulen Hausverbot zu erteilen; denn auf dem Schulhof ist es auch zum Glück der NPD verboten, solche Dinge zu verteilen.

Aber drei Sachen sollten uns wichtig sein, und zwar zum Ersten, dass die Aufmerksamkeit gegenüber dem Extremismus in Deutschland für uns alle, für Politiker, Polizei, Verfassungsschutz, Erzieherinnen und Lehrer, aber vor allen Dingen für die Eltern und auch für die Klassenkameraden, die Schülerinnen und Schüler, die am Schultor eine solche CD in die Hand gedrückt bekommen, eine Daueraufgabe sein muss, und zwar eben auch und gerade für diese sehr subtilen Erscheinungsformen, wie zum Beispiel extremistische Musik, vor der wir die Augen nicht verschließen können.

Zum Zweiten sollte uns wichtig sein, dass wir in Rheinland-Pfalz mit diesen Problemen, die – auch wenn in kleinerer Zahl – nicht zu unterschätzen sind, nicht allein

stehen, sondern auch von anderen Bundesländern lernen können.

Für mich ist in diesem Zusammenhang Brandenburg ein wirkliches Vorbild, das viel größere Probleme damit hat. Gerade auch der dortige Verfassungsschutz mit seiner Idee, eine Umtauschaktion zu starten, weil das Gefährdungspotenzial dieser extremistischen CDs so groß ist, zeigt einen sehr kreativen Umgang mit diesem Thema. Jede CD, die eingesammelt wird und für die die Schülerinnen und Schüler eine neue CD mit Liedern erhalten, die im Zweifelsfall nicht nur besser sind, sondern vor allen Dingen nicht strafbar, entzieht den Rechtsextremen ein Stück des Bodens; denn es ist umgekehrt richtig – Sie haben es angesprochen –, Musik spricht die Gefühle an. Die CDs sind so gemacht, dass sie eine gefährliche Werbung für die NPD sind, und zwar eine Werbung in einer gefährlichen Verpackung.

Ich darf den brandenburgischen Innenminister zitieren, der sagt, wenn die Einstiegsdroge Musik erst einmal wirkt, ist es für manchen jungen Menschen leider nur noch ein kleiner Schritt bis in die Szene. Dem müssen alle, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche tragen, konsequent entgegentreten. Die CD-Umtauschaktion ist ein Beitrag dazu. Brandenburg tut noch mehr. Sie sind, zugegebenermaßen wegen der großen Probleme, die sie dort haben, diejenigen, die, wenn es darum geht, Indizierungsanträge für solche Tonträger zu stellen, ein besonderes Augenmerk darauf haben und vehement das Ziel verfolgen, diese CDs zu verbieten und vor allen Dingen die Strafbarkeit der Verbreitung insbesondere an Jugendliche im Auge haben.

Das dortige Bildungsministerium hat eine sehr gute, kurze und prägnante Information für den Umgang mit diesem rechtsradikalen, rechtsextremen Werbematerial herausgegeben. Es sind im Wesentlichen drei DIN-A4Seiten, deren Kernbotschaft ist, dass man Öffentlichkeit schaffen muss. Wenn man als Lehrer, Eltern oder Klassenkamerad so etwas erlebt, kann man die Augen davor nicht verschließen und muss Öffentlichkeit schaffen, um all diesen Dingen das Geheimnisvolle und Nebulöse zu entziehen. Im Weiteren wird in dieser Broschüre auf eine Vielzahl von Kontaktadressen verwiesen, an die Eltern, Lehrer oder auch Schüler sich wenden können, wenn sie weitere Information brauchen.

Ich glaube, eine so knappe und prägnante Information wäre auch ein gutes Vorbild für uns in diesem Land.

Ich glaube aber auch – das sollte man nicht unterschätzen –, dass wir dem Rechtsextremismus den Nährboden entziehen müssen, indem wir gerade junge Menschen überall in Deutschland, aber auch hier in RheinlandPfalz Perspektiven bieten.

Die wirtschaftliche Situation ist im Moment nicht dazu angetan, dass gerade die jungen Menschen Perspektiven haben. Wir müssen erleben, dass seit 1945 in der Bundesrepublik Deutschland noch nie so viele Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos waren. Das ist nichts, was nur für Deutschland insgesamt, sondern auch für Rheinland-Pfalz gilt. Im Monat August waren in Rheinland-Pfalz 29.447 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos. Das sind 5.324 mehr, also 22 % mehr, als im

gleichen Monat des Vorjahres. Unsere Bundesagentur sagt speziell für Rheinland-Pfalz, dass vor allen Dingen Jugendliche mit abgeschlossener Berufsausbildung davon betroffen waren.

Es ist einfach so, wir müssen dem Rechtsextremismus den Nährboden entziehen. Deshalb ist es gerade wichtig, jungen Menschen Perspektiven, auch wirtschaftliche Perspektiven zu geben.

(Glocke des Präsidenten)

Nur so wird es uns in Rheinland-Pfalz und deutschlandweit gelingen, den Rechtsextremismus dauerhaft zu bekämpfen.

Vielen Dank. (Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit längerem verfolgt die Nationaldemokratische Partei Deutschlands und deren Jugendorganisation bundesweit die Strategie, insbesondere junge Menschen für ihre Ideologie und Politik zu interessieren, um auf diese Weise bei Wahlen größere Stimmenanteile gerade aus dem Bereich der Jungwählerinnen und Jungwähler zu gewinnen.

Im Rahmen dieser Strategie genießt seit dem Wahlkampf für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein Anfang dieses Jahres die Schulhofoffensive oder auch das Projekt „Schulhof“ größte Beliebtheit.

Im Rahmen dieser so genannten Verteilaktionen wird gezielt Wahlwerbung an potenzielle Erstwählerinnen und Erstwähler sowie an Jungwählerinnen und Jungwähler, die nicht der rechtsextremistischen Szene angehören, verteilt.

Neben Handzetteln und Flyern beinhalten die Schulaktionen auch kostenlose CDs mit Liedern rechtsextremistischer Bands und Liedermachern sowie Internet- und Kontaktadressen rechtsextremistischer Gruppierungen. Die Texte schüren Ängste vor Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogen und Gewalt.

Herr Kollege Schreiner, deshalb sollte man diese wirklich tief greifenden Probleme nicht direkt in Verbindung auch mit der Jugendarbeitslosigkeit bei uns im Land verbinden.

Ich denke, das ist ein schlechter Ansatz.

Meine Damen und Herren, dabei wird auf die Wirkung der Musik gesetzt und die Ideologie der Initiatoren auf subtile Weise an ein möglichst breites jugendliches Publikum herangetragen, um dessen Interesse für die rechtsextremistische Szene zu wecken.

Meine Damen und Herren, nicht nur in der Endphase des aktuellen Bundestagswahlkampfs, sondern auch anlässlich des an diesen nahezu nahtlos anschließenden Wahlkampfs für die Landtagswahl im März nächsten Jahres ist zu befürchten, dass Aktionen dieser Art nunmehr vermehrt vor und in rheinland-pfälzischen Schulen stattfinden werden; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die NPD seit vorgestern erneut bundesweit ihre so genannte Schulhof-CD verteilt.

Im benachbarten Saarland waren bereits zahlreiche Schulhöfe Schwerpunkte der Propagandaaktionen. In Rheinland-Pfalz wurden bislang nur vereinzelte Fälle im Kreis Bad Kreuznach sowie in Trier bekannt.

Den Bestrebungen der Rechtsextremisten auf Nachwuchswerbung gilt es mit aller Entschiedenheit und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzuwirken. Wir dürfen es nicht zulassen, dass gerade unsere Kinder in den Sumpf brauner Ideologie geraten.

Die rheinland-pfälzische Polizei wird in diesen Tagen während ihres regulären Streifendienstes ein besonderes Augenmerk auf Schulhöfe legen. Die Sicherheitsbehörden sind hierauf ebenso vorbereitet wie alle Schulen in Rheinland-Pfalz, deren Leitungen bereits frühzeitig über die Aktivitäten der NPD und deren Jugendorganisationen an und in Schulen informiert wurden. Das heißt, es wurden aus Sicht der Landesregierung bereits die richtigen Vorkehrungen getroffen. Ich gehe im zweiten Teil meiner Ausführungen noch etwas näher darauf ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Ich begrüße es sehr, dass die SPD die Verteilung von rechtsextremistischen CDs an Schulen zum Anlass für eine Aktuelle Stunde genommen hat. Ich begrüße es, weil dies zeigt, dass in der SPD die Problematik der rechtsextremistischen Musik erkannt und ernst genommen wird.

Um zu belegen, wie ernst das Thema ist, möchte ich Herrn Dr. Lutz Neitzert, den Experten für rechtsextremistische Musik, zitieren. Er hat in der Enquete-Kommission „Jugend und Politik“ nur einen einzigen, aber sehr gravierenden Satz gesagt. Er hat gesagt: „Die Musik ist das Medium der rechten Jugendszene.“

Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie das Problem ernst nehmen, dann dürfen wir nicht immer nur punktuell agieren, also immer dann, wenn gerade etwas passiert ist, sondern dann muss es unserer Meinung nach zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung in dieser Auseinandersetzung kommen. Dann darf diese Auseinandersetzung nicht nur als Polizeiaufgabe und als

innenpolitische Aufgabe gesehen werden. Diese Auseinandersetzung gehört viel dringender in das Bildungsministerium und das Jugendressort. Auch dort darf die Auseinandersetzung mit dem verächtlichen Menschenbild, das die Rechtsextremisten vor sich hertragen, nicht immer nur auf die üblichen Fächer beschränkt bleiben, nämlich auf Geschichte, Sozialkunde und Ethik. Diese Auseinandersetzung gehört ebenso in den Lehrplan der Fächer Deutsch – das leuchtet ein –, Musik – wir wissen jetzt, wie wichtig das ist –, Kunst – hierzu gehört das Schönheitsideal der Nazis –, Biologie, und selbst im Sportunterricht sollte man über diese Dinge reden. Dass dies in die Lehrpläne gehört, hat übrigens auch Herr Dr. Lutz Neitzert gesagt, weil er weiß, dass diese Auseinandersetzung sehr breit in allen Fächern geführt werden muss.

Meine Damen und Herren, die Jugendlichen, aber auch wir Erwachsenen in der Rolle als Eltern, Lehrer und Abgeordnete müssen lernen, uns mit dem Weltbild der NPD und ihrer nationalistischen, rassistischen und menschenfeindlichen Agitation aufklärerisch und vor allem argumentativ auseinander zu setzen. Wir müssen lernen, wie wir den Jugendlichen vermitteln können, welch extrem rechten und neonazistischen Inhalte und welches demokratiefeindliche und menschenverachtende Gesellschaftsbild in den Liedern der CDs steckt.

Meine Damen und Herren, das Vorbild der NPDAgitation in den vergangenen Wochen an den Schulen in Rheinland-Pfalz – mehrere wurden bereits genannt – ist das Projekt „Schulhof“ mit der CD: „Anpassung ist Feigheit, Lieder aus dem Untergrund aus dem Spektrum der neonazistischen freien Kameradschaften.“ Diese Aktion sollte schon im Sommer 2004 stattfinden. Sie wurde jedoch durch einen Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Halle gestoppt. Darüber hat uns die Landesregierung ausführlich in der Antwort auf unsere Anfrage „Verteilung von Hass-CDs durch Neonazis auf Schulhöfen“ in Rheinland-Pfalz im vergangenen Sommer informiert.

Von November 2004 bis März 2005 wurde in fünf Bundesländern – unter anderem in Rheinland-Pfalz – im Umfeld von Schulen mit Plakaten für dieses Projekt geworben. Die Verteilung von CDs auf Schulhöfen ist also nicht neu. Das hat bereits Methode und Tradition. Darauf müssen wir reagieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis wichtig, dass die neonazistischen Kameradschaften, die für die erste Schulhof-CD verantwortlich waren, nun eng mit der NPD zusammenarbeiten. Wir haben das auch in der Remagener Erklärung vom September 2004 gesehen. Die Rechtsextremisten und Neonazis bedienen sich modernen Agitationstechniken und benutzen technische Mittel, um Erlebnisangebote, Unterhaltung und ihre schlimmen politischen Botschaften zu kombinieren. So weiß die NPD, das politische Potenzial zu nutzen. Sie veröffentlicht nicht nur CDs, sondern sie organisiert auch bundesweit Konzerte von rechten Bands. Auch dabei wird für ihre politischen und menschenverachtenden Inhalte Propaganda gemacht.

Die Aufgabe, dieser Musik etwas entgegenzusetzen, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich meine, das ist das Wichtigste, was wir in diesem Bereich derzeit machen können. Wir müssen alle daran arbeiten. Ein ganz wichtiger Punkt ist es meines Erachtens, sich im Deutschunterricht mit diesen Texten auseinander zu setzen und im Musikunterricht die Verführung der Musik zu beschreiben. Dabei ist auch die Landesregierung gefordert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Herr Innenminister Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Verteilaktion wird von der NPD aus verschiedenen Gründen seit langer Zeit vorbereitet und durchgeführt. Die rheinland-pfälzische Polizei und die Verfassungsschutzbehörden haben sehr frühzeitig auf diese Entwicklung hingewiesen.

Wenn ich die Diskussion richtig verfolge, dann stelle ich fest, dass es um zwei Fragen geht: Was tun wir, und tun wir genug? Ist die gesellschaftspolitische Situation insgesamt so, dass die Gesellschaft alles unternimmt, um all das, was die NPD versucht, abzuwehren, zu verändern und zu bekämpfen?

Herr Abgeordneter Schreiner, Sie haben etwas zur Öffentlichkeit in Brandenburg gesagt. Das hat mich etwas verwundert, weil wir dieses Thema im rheinlandpfälzischen Landtag debattieren. Ich bin gern bereit, Ihnen unsere Handlungshinweise und Veröffentlichungen in diesem Bereich zur Verfügung zu stellen, sofern Sie sie noch nicht haben. Wir haben im Verfassungsschutzbericht breit dargestellt, was wir tun und wie wir es tun.