Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

........................................................................................................................... 5865, 5878 Abg. Hartloff, SPD:.................................................................................................................. 5869, 5879, 5883 Abg. Mertin, FDP:.................................................................................................................... 5873, 5880, 5882 Beck, Ministerpräsident:.............................................................................................................................. 5881 Dr. Bamberger, Minister der Justiz:............................................................................................................. 5875 Präsident Mertes:................................................................................................. 5865, 5869, 5872, 5874, 5878............................................................................................................................. 5879, 5880, 5881, 5882, 5883

100. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 11. November 2010

Die Sitzung wird um 09:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur 100. Plenarsitzung des Landtags herzlich begrüßen. Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Herren Kollegen Martin Haller und Bertrand Adams. Die Rednerliste führt Herr Kollege Haller.

Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Heike Scharfenberger, Frau Ulla Schmidt und Herr Walter Wirz. Herr Staatssekretär Michael Ebling befindet sich wegen einer Sitzung des Wissenschaftsrates in Lübeck.

Wir dürfen Frau Kollegin Anne Spurzem zum Geburtstag und Herrn Kollegen Guido Ernst zu seinem runden Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Zukunft!

(Beifall im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die für 09:00 Uhr vorgesehene Sitzung des Untersuchungsausschusses 15/3 „CDU-Fraktionsfinanzen der Jahre 2003 bis 2006“ findet im Anschluss an die Plenarsitzung in Saal 6 statt. Im Anschluss an die Sitzung des Untersuchungsausschusses beginnen die ursprünglich für 10:00 Uhr vorgesehenen Sitzungen des Rechtsausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Landwirtschaft und Weinbau.

32 Mitglieder der Fraktion der CDU und zehn Mitglieder der Fraktion der FDP haben zu dem vorliegenden Antrag – Drucksache 15/5121 – einen Misstrauensantrag gegen den Minister der Justiz gemäß Artikel 99 der Verfassung für Rheinland-Pfalz i.V.m. § 50 der Geschäftsordnung des Landtags gestellt, der Ihnen als Drucksache 15/5129 vorgelegt worden ist.

Ich darf Ihnen vorschlagen, die Tagesordnung festzustellen. – Wir kommen dann zur Tagesordnung.

Verantwortung der Landeregierung für die rechtswidrige Ernennung des Koblenzer OLG-Präsiden- ten und Konsequenzen aus dem Urteil des Bun- desverwaltungsgerichts vom 4. November 2010 Antrag der Abgeordneten Christian Baldauf und 36 weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU sowie des Abgeordneten Herbert Mertin und neun weite- rer Abgeordneter der Fraktion der FDP gemäß Artikel 83 Abs. 3 der Verfassung für Rhein- land-Pfalz i.V.m. § 21 Abs. 3 der Ge- schäftsordnung des Landtags Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 15/5121 –

dazu:

Misstrauensantrag gegen den Minister der Justiz Antrag der Abgeordneten Christian Baldauf und 31 weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU sowie des Abgeordneten Herbert Mertin und neun weiterer Abgeordneter der Fraktion der FDP gemäß Artikel 99 der Verfassung für Rheinland-Pfalz i.V.m. § 50 der Ge- schäftsordnung des Landtags – Drucksache 15/5129 –

Wir haben eine Grundredezeit von 30 Minuten je Fraktion vereinbart. Ich erteile dem antragstellenden Abgeordneten, Herrn Baldauf, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum zweiten Mal trifft sich in dieser Legislaturperiode der Landtag von Rheinland-Pfalz zu einer Sondersitzung, und zum zweiten Mal sieht sich auch die CDUFraktion in der Pflicht, Regierungshandeln aufzuklären und Schaden von unserem Land und unseren Bürgern abzuwenden.

(Beifall der CDU und der FDP)

Unsere Sorge, dass die Regierung Beck die politischen Geschäfte nicht ordentlich führt und geltendes Recht verletzt, hat sich einmal mehr bestätigt. Wir haben es diesmal sogar schwarz auf weiß im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorliegen.

Justizminister Heinz Georg Bamberger hat geltendes Recht gebrochen. Die Art und Weise, wie er einen ranghohen Richterposten in Koblenz besetzt hat, war unrecht. Die Rüge der Bundesrichter ist eine schallende Ohrfeige für Sie, Herr Minister Bamberger, und damit für Ihre ganze Regierung.

(Beifall der CDU)

Rechtsschutzvereitelung und Grundrechtsverletzung – Herr Hartloff, was muss einem Justizminister, der in diesem Land zugleich Verfassungsminister ist,

(Licht, CDU: So ist das!)

noch alles bescheinigt werden, dass er seinen Sessel räumt, Herr Bamberger?

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein dramatischer politischer Schaden und ein Ansehensverlust für die Justiz im Land. Wie sollen denn unsere Bürger in dieses Justizministerium und in diesen Justizminister noch Vertrauen haben, wenn schon ganz oben bei der Besetzung von Stellen nicht nach Recht und Gesetz verfahren wird? Die Erklärung von Bamberger und Beck lautet, man habe zum Zeitpunkt 2007 nach geltendem Recht gehandelt.

Herr Ministerpräsident, auf dem SPD-Parteitag haben Sie das wiederholt. Bamberger habe alle seine Ent

scheidungen auf der Grundlage einer Rechtsüberzeugung getroffen, die von der Mehrheit der Juristen geteilt werde.

Sie wissen beide genau, dass das nicht stimmt. Das Bundesverwaltungsgericht liegt nämlich ganz auf der Linie einer Rechtsprechung bereits aus den Jahren 2001 und 2003. Danach gilt diese Ämterstabilität gerade dann nicht mehr, wenn der Dienstherr Rechtsschutz vereitelt oder Grundrechte verletzt.

Interessant ist auch Ihre Schutzbehauptung über die verblüffende neue Rechtsprechung. Sie tun so, als gehe es lediglich um die unterschiedliche Beurteilung von Rechtsfragen. Auch das ist falsch. Noch eines fällt auf.

Herr Justizminister, wenn Sie auf den Fortbestand der Ämterstabilität vertraut haben wollen, dann zweifle ich an Ihrem Verständnis vom Rechtsstaat; denn damit geben Sie zu erkennen, dass Sie darauf vertrauten, dass Ihre Auswahlentscheidung zugunsten von Bartz nicht mehr gerichtlich überprüfbar sein würde.

(Ministerpräsident Beck: Herr Bartz!)

Man muss sich das einmal vorstellen. Der Justizminister verteidigt sein Vorgehen und sein rechtswidriges Verhalten mit dem Hinweis, dass er nicht mit einem negativen Urteil rechnen musste, frei nach dem Motto: Ich dachte halt, der Grundsatz der Ämterstabilität schützt mich davor, dass meine Entscheidung nie mehr in der Sache Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle werden kann.

Meine Damen und Herren, ich darf ausdrücklich in Erinnerung rufen, dass das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2005 entschieden hat, dass vor der Besetzung von öffentlichen Ämtern und Übergabe der Urkunde ein Verfassungsbeschwerdeverfahren abgewartet werden muss.

(Licht, CDU: So ist es!)

Herr Bamberger, das müssen Sie doch gewusst haben. Sie hätten darüber hinaus die Möglichkeit gehabt, die hochkarätige Verfassungsabteilung Ihres Hauses mit dieser Frage zu befassen. Das ist aber nicht erfolgt, weil das nicht gewollt und es klarer Wille war, einen bestimmten Bewerber zum Gerichtspräsidenten zu machen.

Völlig ungeachtet von rechtlichen Verpflichtungen hatte der unterlegene Mitbewerber Graefen bereits im Vorfeld schriftlich Verfassungsbeschwerde angekündigt. Das wussten Sie. Es entspricht dem Anstand und unserem Recht, den Ausgang schriftlich angekündigter Verfassungsbeschwerden abzuwarten.

(Beifall der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDUFraktion hatte bereits am 8. November 2007 in einer Plenarsondersitzung den Verfassungsbruch von Minister Bamberger thematisiert. Lassen Sie uns deshalb nochmals auf den 22. Juni 2007 zurückblicken, was an diesem Tag geschah; denn daraus wird sehr deutlich, wie

aktiv Justizminister Bamberger die Ernennung geplant hatte.

12:24 Uhr: Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geht per Fax an das Justizministerium ohne Anforderung eines Empfangsbekenntnisses. – 12:45 Uhr, also 21 Minuten danach hatte Minister Bamberger seinen nächsten Termin. Im Verlauf dieser 21 Minuten hat er sage und schreibe den Beschluss gelesen, ihn rechtlich bewertet, ihn verstanden, in seinem Haus prüfen lassen, ob sich das Bundesverfassungsgericht gemeldet hat, festgestellt, dass dies nicht der Fall ist, und anschließend den obsiegenden Bewerber in das Justizministerium gebeten und ihm dort die Urkunde ausgehändigt.

All das in 21 Minuten.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

21 Minuten, die für den unterlegenen Bewerber Graefen viel zu kurz waren, um seine Rechte zu wahren. Allein schon der zeitliche Ablauf zeigt, hier wurde mit rechtswidrigen Methoden vorgegangen, um die erwünschten Fakten zu schaffen. Bamberger wollte seinen Favoriten, der als SPD-nah gilt, am Oberlandesgericht mit allen Mitteln durchbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU und bei der FDP – Zurufe der Abg. Fuhr und Ramsauer, SPD, und weitere Zurufe von der SPD)

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch,

(Licht, CDU: Ihr Niveau! – Weitere Zurufe von der CDU)

die Ernennungsurkunde für den neuen Gerichtspräsidenten lag bereits in der Schublade. Herr Ministerpräsident Beck, Sie hatten diese bereits am 14. Februar unterzeichnet und damit Herrn Bamberger eine Blankovollmacht gegeben. Einen Blankoscheck für einen Verfassungsbruch, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)

Laut Bamberger gab es eine mündliche Maßgabe, die Urkunde auszuhändigen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Herr Beck, das kam doch von Ihnen, das kam aus der Staatskanzlei.

All diese Vorgänge haben Sie und Herr Hartloff 2007 als ganz normale Verwaltungsvorgänge abgetan. Dass dem nicht so ist, hat Ihnen das höchste deutsche Verwaltungsgericht unmissverständlich ins Stammbuch geschrieben. Hier gibt es keinen Interpretationsspielraum.

Gerade vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts richtig; denn damit haben die Richter dem Dienstherrn einen Riegel vorgeschoben, wenn dieser versucht, unter dem Deckmantel der Ämterstabilität seine sachwidrigen Interessen durchzuset

zen. Damit haben die Richter Ihrem Handeln einen Riegel vorgeschoben.