Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Es ist wirklich schwer, eine Debatte zu führen, wenn man sich nicht einmal zuhört. Ich rede – – –

(Zurufe von der FDP)

Ich habe jetzt nicht Sie angesprochen, sondern all die Zwischenrufer der Union. Ich rede zu dem Zeitpunkt der Übergabe der Urkunde oder meiner Unterschrift und der Bewertung. Diese Bewertung von damals ist jetzt bei Auswertung dieses Urteils von damals noch einmal bestätigt worden. Da sage ich: Warum sollte diese Bewertung eine schlechtere sein als die, die Sie hier vorgetragen haben? – Das akzeptiere ich nicht. Ich akzeptiere, dass Sie eine andere Bewertung abgeben, aber nicht, dass Ihre damals genauso als richtig hätte unterstellt werden müssen. Das ist der Unterschied. Vielleicht hören wir uns ab und zu einmal zu.

(Beifall der SPD)

Wenn ich die zentralen Vorwürfe hier noch einmal Revue passieren lasse, dann war es einmal das Anklingenlassen, ohne dass es dafür, weil die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts jetzt neuerer Art noch gar nicht vorliegt, Anhaltspunkte gibt. Dann geht es darum: Ist da vielleicht irgendetwas in der Abwägung falsch gewesen? – Das wird man zu prüfen haben, wenn das vorliegt. Dann wird man es in der Zukunft zu berücksichtigen haben, wenn es da Anhalte gibt.

Der zweite Punkt: Sie haben davon geredet, dass man zu einer anderen Entscheidung oder Einschätzung damals hätte kommen können, aus Ihrer Sicht kommen müssen.

Beides halte ich weder für zwingend noch aus der Situation der damaligen Entscheidung heraus für schlüssig. Da dies so ist, bleibe ich bei meiner Entscheidung der Prüfung, nachdem dieses Urteil bekannt geworden ist, dass es keinen Grund gibt, Herrn Kollegen Dr. Bamberger in irgendeiner Weise das Misstrauen auszusprechen. Er hat mein Vertrauen.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Mertin das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, gegen den Vorwurf, ich würde Vorwahlkampf betreiben, verwahre ich mich ausdrücklich.

(Beifall der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Ist aber so!)

Ich möchte es Ihnen auch gern erläutern. In dieser Legislaturperiode sind aus vielerlei Ursachen gegen Mitglieder Ihrer Regierung sehr häufig Rücktrittsforderungen erhoben worden. Sie haben von meiner Fraktion nie eine gehört, auch vor wenigen Wochen noch nicht. Auch damals war schon Vorwahlkampf. Ich habe dazu gar nichts gesagt, nur hier und jetzt.

Ich hatte sehr viel Redezeit. Fragen Sie meine Freunde in der Fraktion.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe die Zwischenrufe von Herrn Eymael gehört!)

Ja, Herr Ministerpräsident, fragen Sie sie einmal. Fragen Sie einmal, wie schön ich die Affären, die sich über diese Legislaturperiode hinweg ereignet haben, darstellen kann. – Ich habe darauf verzichtet. Ich habe mich nur auf das Thema von hier und heute beschränkt.

(Beifall der FDP)

Ich meine, in diesem Fall ist es sehr berechtigt, an dieser Stelle den Rücktritt zu fordern, weil das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat – auch wenn Sie es nicht gerne hören oder nicht gerne wahrhaben wollen –, dass in krasser Weise die Rechtsschutzmöglichkeiten des unterlegenen Bewerbers vom Justizminister unterlaufen worden sind, und zwar – wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt hat – in erkennbarer Weise unterlaufen worden sind. Das ist doch der Vorwurf, um den es geht.

(Beifall der FDP und der CDU)

Sie sind in erkennbarer Weise unterlaufen worden, und das habe nicht ich festgestellt, sondern das hat das Gericht festgestellt. Das muss doch wohl noch respektiert werden können, und dann ist es das gute Recht der Opposition, aus so einem Gerichtsurteil, in dem so etwas über einen Minister festgestellt wird, die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Das ist kein Vorwahlkampf, sondern das ist das, was eine Opposition zu leisten hat, und das mache ich auch.

(Beifall der FDP und der CDU – Ministerpräsident Beck: Jetzt blasen Sie sich doch nicht so auf! – Ramsauer, SPD: Das ist kein Vorwahlkampf, das ist schon Wahlkampf!)

Das Wort hat Herr Kollege Hartloff.

Herr Kollege Mertin, nach dieser Emphase glaube ich Ihnen natürlich, dass das überhaupt nichts mit Umfrageergebnissen zu tun hat. Ich glaube Ihnen, dass es überhaupt nichts damit zu tun hat, dass im nächsten März Wahlen sind.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU – Baldauf, CDU: Du meine Güte, was für ein Niveau! – Zuruf von der SPD: Hat Herr Baldauf von Niveau gesprochen?)

Womit sind Sie denn nun zufrieden, liebe Kollegen? Sind Sie zufrieden, wenn ich Ihnen glaube oder wenn ich Ihnen nicht glaube?

(Dr. Weiland, CDU: Das ist ja schäbig, Herr Kollege! Das ist wie in einer Bananenrepublik! Das gibt es nur noch in Kuba, in Nordkorea und in Russland!)

Ich weiß nicht, ob Sie gehört haben, was Herr Kollege Dr. Weiland gerade gesagt hat. Wir sind eben nicht eine solche Republik, die nach krummen Früchten benannt ist,

(Dr. Weiland, CDU: Sie sind der Bananenverkäufer!)

sondern wir sind ein Rechtsstaat. In diesem Rechtsstaat werden Urteile gefällt, und das ist gut so. Diese Urteile werden von dieser Landesregierung beachtet. Auch das ist gut so. (Baldauf, CDU: Schön wär’s!)

Nun streiten wir über Fragen der Vorhersehbarkeit oder Nichtvorhersehbarkeit. Dass Sie sich dadurch bestärkt fühlen, dass das Bundesverwaltungsgericht in die von Ihnen gewünschte Richtung entschieden hat, ist Ihnen gar nicht zu verdenken.

(Mertin, FDP: Aber bitte ganz unabhängig!)

Es ist unabhängig entschieden worden, etwas anderes würde mir fern liegen.

Es ist Ihnen gar nicht zu verdenken. Aber lassen Sie mich doch noch einmal ein wenig auf das Juristische eingehen. Ich verstehe die Argumentation von Herrn Kollegen Mertin, wenn er sagt, dass er froh darüber ist, dass das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorschiebt, damit man nicht durch schnelle Ernennungen Fakten schaffen kann, die nicht mehr reversibel sind. Aber was ist die Kehrseite der Medaille? – Auch dies muss natürlich bedacht werden. Mein Studium liegt schon eine Weile zurück, in dem wir das Thema der Ämterstabilität bearbeitet haben. Aber was bedeutet es, dass es diese Ämterstabilität nicht mehr gibt? Was bedeutet dies für die Besetzung von insbesondere herausgehobenen Stellen, bei denen es keinen weiteren Sachbearbeiter oder keine weitere Sachbearbeiterin gibt?

Wir alle wissen doch, es gibt Menschen, die verantwortlich mit ihrem Klagerecht umgehen – das unterstelle ich auch in diesem konkreten Fall –, aber es gibt nun einmal auch Menschen, die nicht besonders verantwortlich damit umgehen. Dadurch kann es zu Verfahren kommen, die zur Folge haben, dass es sehr lange dauert, bis eine Stelle besetzt wird. Dies sind Konsequenzen, die man genau bedenken muss, wenn das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsprechung festigt, und was es in den Begründungen dazu schreibt. Das sind Konsequenzen aus diesem Fall, und das wollte ich doch zu Ihren Ausführungen des Begrüßens der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anfügen dürfen, weil ich es für notwendig halte und weil es uns alle in den öffentlichen Verwaltungen erheblich beschäftigen wird.

Daran, ob es immer nur gut ist, wenn Rechtsfrieden relativ spät nach sehr langen Rechtsstreitigkeiten eintritt, kann man durchaus Zweifel haben, und auch daran, ob jede Instanz, die höher ist, immer die weisere ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Sie zweifeln das doch manchmal an, wenn Ihnen die Entscheidungen höherer Gerichte nicht passen. Man muss doch so etwas zumindest einmal äußern dürfen, weil es in diesen Fragen auch eine Rolle spielt.

Ich glaube, es gibt keinerlei Grund, bei einem Streit über richterlich unterschiedliche Auffassungen und über rechtlich unterschiedliche Würdigungen daraus abzuleiten, dass ein Misstrauensantrag, der seine Berechtigung hat, wenn man ihn stellt, in der Entscheidung auch gerechtfertigt wäre. Deshalb haben Sie uns nicht überzeugt, und deshalb werden wir den Misstrauensantrag in der nächsten Woche auch zurückweisen.

(Beifall der SPD – Dr. Altherr, CDU: Sie sind beratungsresistent!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle den Schluss der Aussprache fest. Ab sofort beginnt die Frist über die Abstimmung über den eingebrachten Misstrauensantrag zu laufen. Die Abstimmung kann frühestens nach 48 Stunden, ansonsten binnen einer Woche stattfinden. Ich schlage Ihnen vor, dass wir die Abstimmung bei der regulären Sitzung am kommenden Mittwoch, 17. November 2010, um 14:00 Uhr durchführen.

Im Übrigen ist es mir ein Anliegen, zum Schluss noch darauf hinzuweisen, wenn wir eine Bananenrepublik wären, gäbe es keinen Misstrauensantrag gegen einen Minister, es gäbe keine offene Aussprache und auch keine freien Wahlen am 27. März nächsten Jahres.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

(Beifall der SPD)

E n d e d e r S i t z u n g: 10:59 Uhr.