Wenn Sie das Integrationskonzept lesen, dann lesen Sie ganz klar, dass Integration eine Aufgabe für die hier Lebenden und für die Zugewanderten ist. Auch das haben wir in der Enquete-Kommission an verschiedensten Stellen immer wieder festgestellt und auch belegt bekommen.
Wenn Sie schon von Integrationsverweigerung sprechen, auch das gibt es. Es gibt aber auch die langen Wartelisten bei den Integrationskursen, weil der Bund die Kurse nicht vernünftig ausfinanziert hat. Da sprechen Sie von Sanktionen, wenn die Leute die Kurse nicht besuchen.
Aber das ist das System der CDU, Ängste schüren, Leute kriminalisieren, die es gar nicht sind, und Dinge in den Raum stellen, die in keiner Weise belegt sind.
Wenn Sie von Sprachstandserfassung und Sprachtests sprechen und das nur allein auf die Menschen mit Migrationshintergrund beziehen, wir haben als rheinlandpfälzisches Projekt Sprachstandserfassung in den Kindertagesstätten mit sehr gutem Erfolg. Wir haben Sprachförderkurse. Was stellen wir fest? – Auch das haben Sie in der Enquete-Kommission gehört, dass über 50 % der daran teilnehmenden Kinder Kinder aus rein deutschen Familien sind. Das Sprachproblem ist nicht allein ein Problem der Migrantenkinder.
Ich frage mich deshalb nur, warum Sie es so begrüßen, dass die Bundesregierung ein Programm auflegt, das sich genau an die Migrantenkinder richtet.
Sie fordern, dass die Landesregierung eine Liste darüber erstellen soll, wo besonders viele Migrantenkinder leben, damit man diese Maßnahmen gezielt in diesen Kindertagesstätten durchführen kann. Das ist gegen unseren Ansatz. Wir haben in der Enquete-Kommission mehrfach ganz klar festgestellt, das Defizit ist nicht die Migration, und der Förderbedarf ergibt sich nicht aus dem Migrationshintergrund, sondern der Förderbedarf ist bei jedem Einzelnen festzustellen. Insoweit sehen wir das Ganze auch als sehr sinnvoll an. Aber dann darf der Bund bei diesen Sprachfördermaßnahmen – bitte schön – nicht nur so lange finanzieren, wie die Wahlkämpfe ausgetragen werden, sondern er muss diese Dinge ausfinanzieren. Er darf es nicht – wie auch in diesem Fall so üblich – wieder auf dem Rücken der Länder weiterlaufen lassen und kann nicht davon ausgehen, dass die Länder das Geld mitbringen. Das muss der Bund auch weiter finanzieren, auch nach der Wahl!
Der muttersprachliche Unterricht ist ein leidiges Thema für Sie. Ich weiß nicht, wo eine gewisse Dame die 8 Millionen Euro herbekommt, die sie dafür in andere Bereiche stecken möchte. Im Haushalt des Landes Rheinland-Pfalz stehen knapp 1,4 Millionen Euro, aber mit dem Zählen haben wir es bei der CDU-Fraktion nicht so.
Ich komme nun noch kurz zu Ihrem Antrag. Die Religionsfreiheit in Zusammenhang mit der Zwangsheirat und mit Ehrenmorden zu bringen, ist das typische System, das sich durch diesen Antrag hindurchzieht: Man bringt etwas in Zusammenhang, was gar nicht in einem ursächlichen Zusammenhang steht, und schürt damit die entsprechenden Ängste. Sie behaupten einfach, Migrantenkinder schwänzten häufiger die Schule als deutsche Kinder. – Wo wurde denn das nun schon wieder in der Enquete-Kommission belegt? – Diese Statistik würde ich sehr gern sehen.
Sie behaupten, Schulschwänzer seien eher kriminell, oder jeder Kriminelle sei auch einmal Schulschwänzer gewesen. – Auch das sind Unterstellungen, die wir in keiner Weise belegt haben, die die Menschen mit Migrationshintergrund wieder in eine Ecke stellen und die wieder die entsprechenden Ängste schüren. – Da, wo wir mitmachen, gerne, so bei Ihrem Appell an die Bundesregierung, sich bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu bewegen – das sollte schon sein –, aber wenn Sie von der Umressortierung, also von der Zusammenführung von Integrationspolitik und dem Zusammenleben der Generationen sprechen, muss ich mich schon fragen: Was versuchen Sie uns damit als neu zu verkaufen? – Wir haben eine Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration. Wir haben ein Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen, in dem diese Beauftragte angesiedelt ist. Wenn dies nicht ressortübergreifend organisiert ist, weiß ich es wirklich nicht.
Sie sehen also, bei unserer SPD-geführten Landesregierung sind Ihre Forderungen, die berechtigt sind, bereits umgesetzt, noch bevor Sie sie überhaupt formuliert
haben. Das nenne ich Service, das nenne ich Bürgernähe. Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank für diese Arbeit.
Ich möchte noch ein Wort an die CDU-Fraktion richten. Lassen Sie uns doch gemeinsam Ende des Monats in der Enquete-Kommission „Integration und Migration“ die notwendigen Empfehlungen formulieren, und lassen Sie uns daraus gemeinsam die notwendigen Anträge erstellen. Dann haben wir etwas getan, mit dem wir dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe aller in Rheinland-Pfalz lebenden Menschen näher kommen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So fühlen wir Liberale uns am wohlsten, wenn von beiden Seiten richtig viel Platz gemacht wird, wenn die eine Partei – Ausländerfeindlichkeit würde ich ihr nie unterstellen – ihre latente Ausländerdistanz in der Wählerschaft bedient und die andere Partei, wie in der Enquete-Kommission, ein Gefühl warmer Nächstenliebe transportiert – Frau Sahler-Fesel, wenn Sie das Wort „Gutmensch“ hören wollen, nun habe ich es erwähnt; ich komme dem gerne nach –, das vom Grundsatz her gewisse Probleme ausgliedert und im Ergebnis sagt, wir haben kein Integrationsproblem, sondern ein Sozialschichtproblem. – Ich habe Ihnen nicht zum ersten Mal gesagt, dann lösen Sie doch dieses Problem.
Aber die Dinge einfach „zusammenzuquasen“, ist nicht zielführend. Ich nenne das stets gleiche Beispiel. Wir diskutieren über eine schreckliche Kategorie. Wir diskutieren über Kinder und Jugendliche ohne Schulabschluss. Das ist mit das Schlimmste, was es für jemanden gibt, der Chancengerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Politik stellt, so wie wir es tun.
Die Zahlen sind sehr unangenehm: 3,5 % der deutschen Kinder und Jugendlichen haben keinen Schulabschluss. Ca. 16 % der ausländischen Kinder und Jugendlichen haben keinen Schulabschluss. Dies ist eine Zahl, die leider Gottes hängenbleibt und die sich trotz aller Beteuerungen der Landesregierung in den letzten Jahren im Grunde nicht verbessert hat.
Was sagt uns die Landesregierung? – Erst auf Nachfrage werden diese Zahlen bekannt. Die Landesregierung sagt, in der Gesamtbevölkerung haben wir in etwa 7,8 % Kinder und Jugendliche ohne Schulabschluss, und bei der Migrationsbevölkerung sind es 12,8 %. Das hört sich dann nicht mehr so schlimm an. – In Wirklichkeit entstehen diese Zahlen aber dadurch, dass man beide Grup
pen munter so lange zusammenmischt, bis man die gewünschten statistischen Ergebnisse erzielt. Mit Analyse hat das nichts zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass man die Dinge so darstellt, wie man sie gern hätte.
Mich interessieren bei der Gruppe der Migrantinnen und Migranten aber nicht die Kinder des österreichischen Professorenehepaars, sondern mich interessieren die Problemkinder, damit ich diesen Kindern zielgerichtet helfen kann.
Wenn ich keine adäquate Diagnose habe, bekomme ich keine vernünftige Therapie hin. Es ist das Grunddilemma der SPD – und dies erleben wir in jeder Wortäußerung in der Enquete-Kommission –, dass man, zumindest teilweise, anstatt die Probleme zu lösen, die Realität ausblendet.
Das letzte Mal habe ich umgekehrt angefangen: Frau Kohnle-Gros hat dazu gesprochen, und die SPD hat zuerst geklatscht.
Ich komme nun zu meiner geschätzten Kollegen Hedi Thelen, die in ihrem Beitrag heute etwas durchaus Vernünftiges gesagt hat. Aber das entspricht nicht dem, was die CDU zu Papier gebracht hat. Ich teile die Grundkritik, dass in diesem Antrag Dinge zusammengeführt wurden, die – um es vorsichtig zu formulieren – im Gesamtduktus einseitig sind. Es ist kein Versehen, wenn schon im ersten Passus der Halbsatz auftaucht: „(…) und die Anerkennung der Kultur, die uns leitet und zusammenhält“.
Das ist genau die Stoßrichtung: Sie beabsichtigen es, Sie machen es, und Sie müssen auch die Kritik ertragen. – Da ist sie nämlich wieder, die Leitkultur. Nennen Sie das Kind beim Namen! Stehen Sie dazu!
Diese Diskussion ist wichtig. Wir sind anderer Meinung, weil wir von einem Miteinander ausgehen und nicht von einer defizit- und konfliktorientierten Politik, die Dinge in den Mittelpunkt stellt, die einseitig sind.
Wir wollen Kindern, die die schulische oder sprachliche Qualifikation nicht haben, die aber vielleicht brillant und intelligent sind, nicht zurückstellen und vom Schulbesuch ausschließen. Das halten wir für falsch und als Signal auch für verheerend.
Wir wollen, wenn überhaupt, diese Kinder in eine Vorklasse im Schulunterricht integrieren und ihnen Chancen eröffnen, die uns allen im Ergebnis dienen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie schließen sie mit
Es gibt weitere Punkte, die ich in der einseitigen Darstellung für ganz verheerend halte. Das ist die Betrachtung von Islam und Christentum auf einem Niveau, wie ich es nicht lesen will. Ich habe mich gestern erregt über die Diktion, die die SPD in ihrem gesundheitspolitischen Antrag gestellt hat,
und ich ärgere mich darüber, dass man Islam und Christentum gegeneinander in Position bringt, anstatt eine wertefreie Gesellschaft gegen eine wertegehaltvolle Gesellschaft in Stellung zu bringen. Das sind die Dinge, die zählen.
Deshalb begrüße ich außerordentlich das, was unser Fraktionsvorsitzender und mein Freund, der DeutschChilene Herbert Mertin, in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt hat: Heimatkunde als Zeichen für eine selbstbewusste und stolze Aufnahmenation, die das Miteinander sucht und nicht das Gegeneinander.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich darf zunächst Gäste bei uns begrüßen. Sie sind leider erst beim letzten Tagesordnungspunkt zu uns gekommen, aber ich denke, Sie konnten einen Eindruck davon bekommen, wie intensiv, aber auch sachlich bei uns diskutiert wird. Ich begrüße Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße. Herzlich willkommen!
Herzlichen Dank. Lieber Herr Präsident, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, wo genau die Kollegen und Kolleginnen der CDU-Fraktion leben. Ich weiß, ich lebe in Rheinland-Pfalz und komme aus Neustadt und lebe in Trier.
Ich weiß, dass in Rheinland-Pfalz Menschen mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund sehr gut zusammenleben. Dagegen gibt es auch überhaupt nichts einzuwenden.
Frau Thelen, wenn man Ihren Schilderungen folgt, kann man wirklich einen ganz anderen Eindruck erhalten. Sie sprechen davon, dass die Akzeptanz gefährdet wird. In