Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Wir meinen, nun kommt es darauf an, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten mit diesem neuen Ladenschlussgesetz, sondern mit Bedacht ein gutes und funktionierendes Gesetz zu verabschieden.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat dazu einen Kompromiss vorgelegt. Dieser Kompromiss ist nach unserer Auffassung ein guter und ausgewogener. Er berücksichtigt alle Wünsche, die in der Anhörung geäußert worden sind. Natürlich können sie nicht bis zum Anschlag umgesetzt werden. Darum ist es ein Kompromiss geworden.

Der Gesetzentwurf sieht Folgendes vor – drei Schwerpunkte möchte ich Ihnen nennen –: Die Ladenöffnungszeit an den Werktagen wird verlängert von bisher möglich 20:00 Uhr auf mögliche Ladenöffnungszeit bis 22:00 Uhr.

Es wird wie bisher vier verkaufsoffene Sonntage geben, an denen jeweils fünf Stunden die Ladenöffnung gestattet ist. Allerdings ist die bürokratische Anforderung sehr viel unkomplizierter geworden als bisher.

Als dritten Punkt gibt es Ausnahmeregelungen an Werktagen. Diese Ausnahmeregelungen besagen, dass an Werktagen – allerdings nicht an Werktagen vor Sonntagen und auch nicht an Werktagen vor Feiertagen – die Öffnungszeiten von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr erlaubt sind.

Nun haben wir die Anhörung am Dienstag natürlich dazu genutzt, um zu prüfen, was noch in dem Gesetzentwurf der Landesregierung änderungsbedürftig ist, woran wir noch feilen müssen, was wir ändern müssen. Zunächst einmal habe ich auch da drei Punkte:

Geändert wird das, womit es beginnt, nämlich der Titel. Der Titel heißt nunmehr: Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz. – Wir hielten das für wichtig, um den Bezug für Rheinland-Pfalz noch einmal hervorzuheben.

(Hartloff, SPD: Guter Vorschlag von der FDP)

Daran sieht man unsere alten Wurzeln zum alten Koalitionspartner. Ich finde, das hat doch auch etwas.

(Beifall bei der SDP und des Abg. Eymael, FDP)

Das Zweite ist, die kirchlichen Vertreter hatten bei der Anhörung angemerkt, dass sie gern die Regelung, wie sie im Gesetzentwurf stand, nämlich die sogenannte Soll-Regelung, die in § 10 besagte „An den vier verkaufsoffenen Sonntagen soll die Öffnungszeit nicht zu den Zeiten der Hauptgottesdienstzeiten sein“ in der Weise geändert hätten, dass aus der Soll-Regelung eine Muss-Regelung wird oder aber Zeiten genannt werden. Wir haben gedacht, das ist sinnvoll. Somit ist das Gesetz nunmehr dadurch ergänzt worden, dass diese vier Sonntagsöffnungsmöglichkeiten nicht stattfinden dürfen in der Zeit zwischen 06:00 Uhr morgens und 11:00 Uhr. Damit sind wir dem Wunsch der Kirchen entgegengekommen.

Des Weiteren haben uns die Gewerkschaften erläutert, dass die zwölf Möglichkeiten der zusätzlichen Öffnungszeiten an Werktagen, nämlich den Öffnungszeiten von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr morgens, also diese zwölf Tage zu viel wären. Auch dem haben wir Rechnung getragen. Wir haben gesagt, wir begrenzen das auf acht Tage. Das heißt, nunmehr wird es acht Möglichkeiten geben, an den Werktagen zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr zu öffnen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, damit haben wir erstens die Ergebnisse der Anhörung sehr schnell durchgesehen und durchgearbeitet und sie zweitens auch, weil heute die Verabschiedung ansteht, sehr schnell umgesetzt.

Nun komme ich zum Antrag der CDU-Fraktion und zu dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion. Meine Damen und Herren, grundsätzlich geht den Sozialdemokraten das natürlich zu weit, nämlich die totale Freigabe der Ladenöffnungszeiten, die totale Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten. Das heißt, wir möchten schon, dass es jeden Tag auf maximal 22:00 Uhr begrenzt ist.

(Beifall bei der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sagen Sie einmal, was dazu in der Anhörung gesagt wurde!)

Frau Kohnle-Gros, Sie können gern dazu gleich Stellung beziehen.

Das Zweite ist, dass wir auch glauben, dass die beiden Fraktionen einem Denkfehler aufsitzen, weil es ein Immissionsschutzgesetz gibt. Herr Dr. Schmitz, wir hatten das zusammen auch schon bei einem Forum bei der IHK diskutiert. Ich glaube ganz sicher, dass die Länder, die sich da sehr weit aus dem Fenster gelehnt haben und diese 22:00-Uhr-Grenze nicht bedacht haben, mit einem Schwung an Klagen zu rechnen haben, weil dieses Immissionsschutzgesetz nicht zu kippen ist.

(Beifall der SPD – Eymael, FDP: 13 waren das!)

Meine Damen und Herren, der dritte wesentliche Punkt ist der Schutz von Sonn- und Feiertagen. Dieser Schutz

von Sonn- und Feiertagen ist von allen Fraktionen hervorgehoben worden. Nun geht es aber um einen ganz besonderen Punkt, der auch von der Vertretung der Evangelischen Kirchen und Diakonischen Werke im Land Rheinland-Pfalz in Ihrer Stellungnahme hervorgehoben wird. Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren. Zunächst einmal wird allgemein darauf eingegangen, dass begrüßt wird, dass in dem Gesetzentwurf ausdrücklich die Sonn- und Feiertage trotz der Ausweitung der Ladenschlusszeiten geschützt werden.

Dann darf ich zitieren: „Konsequenterweise muss man diese Argumentation auch auf den Samstagabend generell ausdehnen. In den Kirchen ist das Bewusstsein aus der christlich-jüdischen Tradition noch vorhanden, dass der Abend vor einem Sonntag zum Sonntag dazugehört. Wer am Sonnabend bis 24:00 Uhr arbeitet, hat vom Sonntag nur noch die Hälfte.“

Damit bin ich bei einem ganz wesentlichen Punkt, den wir auch im Ausschuss sehr strittig besprochen hatten. Den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegt sehr viel daran, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Samstag bis maximal 22:00 Uhr arbeiten, keine Minute darüber hinaus.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir nehmen da die christlichen Werte, die ich eben zitiert habe, sehr ernst. Wenn dann im Ausschuss gesagt wurde, auf die zwei Stunden wird es nicht ankommen, oder aber, diese zwei Stunden seien doch eine Bagatelle, muss ich das wie auch im Ausschuss mit aller Heftigkeit zurückweisen; denn diese zwei Stunden sind für uns durchaus wesentlich und überaus entscheidend.

Da darf ich Ihnen auch sagen, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben – ich bin da ganz offen – in ihrer Fraktion sehr munter darüber diskutiert, ob und inwieweit diese zwei Stunden von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr Sinn machen und möglich sind. Das heißt, diese zwei Stunden, um die jetzt die Ladenschlusszeit erweitert wurde, sind schon ein großer Schub, meinen wir. Weiter darüber hinausgehen werden wir auf keinen Fall.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, dies ist ein guter Kompromiss. Rheinland-Pfalz bleibt wettbewerbsfähig. Rheinland-Pfalz bleibt konkurrenzfähig. Der Forderung des Einzelhandels nach Liberalisierung der Ladenschlusszeiten wurde zum Teil entgegengekommen. Die Bedürfnisse der Kirchen wurden ernst genommen und auch bedacht, im Übrigen auch in unseren Änderungsvorschlägen. Wir haben natürlich auch die Gewerkschaften gehört und nehmen den Arbeitnehmerschutz sehr ernst.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich anmerken, der Kompromiss ist ausgewogen, er ist durchdacht, er ist gut, und er ist gerecht. Er ist sozialdemokratisch.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? –

(Frau Kohnle-Gros, CDU: War das jetzt eine Begründung der Landesregierung oder war das – – – Zuruf von der SPD: Zweite Lesung! – Frau Kohnle-Gros, CDU: Dann hätte die Opposition anfangen müssen! – Hartloff, SPD: Wenn Sie sich nicht gemeldet haben!)

Herr Kollege Dötsch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Freizeit- und Konsumverhalten der Menschen hat sich geändert. Es ist weiter im Wandel begriffen.

Meine Damen und Herren, deshalb stellt sich die Frage, ob wir diesen Veränderungen Rechnung tragen und ob wir diesen Veränderungen ausreichend Rechnung tragen. Veränderungen wecken oft Ängste, teilweise begründet, teilweise auch geschürt. Veränderungen bergen Risiken und eröffnen Chancen. Viele Ökonomen beklagen die Kaufzurückhaltung breiter Käuferschichten. Mit viel Kreativität und Engagement wirken Einzelhändler und Projektgemeinschaften dem entgegen, wie zum Beispiel mit Einkaufsevents, Erlebniseinkauf oder Mitternachtsshopping wie vor wenigen Wochen auch in Neuwied. Diese Initiativen sind durch weniger Bürokratie, durch die Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen zu unterstützen und zu fördern.

(Beifall bei der CDU)

Die Freigabe der werktäglichen Öffnungszeiten kann hier Impulse für innovative Verkaufsstrategien im mittelständischen Einzelhandel schaffen. So können sie die Vorzüge gegenüber dem Versandhandel, dem ECommerce und großen Markteilnehmern insbesondere in den Punkten Lagevorteil, Service und Beratungsangebot besser platzieren. Die Liberalisierung der Öffnungszeiten ermöglicht dem Einzelhandel neue Spielräume für kundenorientierte Serviceangebote, innovative Veranstaltungskonzepte und Aktionen – eine Chance für die Innenstädte. Wir dürfen diese Chancen nicht verbauen.

Seit 1956 wurde das Gesetz über den Ladenschluss zuletzt in den Jahren 1996 und 2003 novelliert. Die Öffnungszeiten an Werktagen wurden bis 20:00 Uhr erweitert. Mit anlassgebend hierfür war eine von den Ministerien für Arbeit und Sozialordnung und für Wirtschaft des Bundes beim ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München in Auftrag gegebene Studie. Mit dieser Studie schlug das ifo Institut seinerzeit vor, die Öffnungszeiten an Werktagen vollständig freizugeben.

Die Verlängerung der Öffnungszeiten bis 20:00 Uhr hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Die gewünschten positiven Effekte konnten nicht in vollem Umfang realisiert werden. Durch die Freigabe der Ladenöffnungszei

ten bis 24:00 Uhr vermeiden wir einen weiteren unzureichenden Teilschritt. Wir vermeiden, dass dieser dann in absehbarer Zeit wiederum korrigiert werden muss.

Meine Damen und Herren, der Einzelhandel braucht Planungssicherheit statt Salamitaktik.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Wettbewerbsnachteile für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel werden verhindert. Wir dürfen unseren Einzelhandel nicht benachteiligen.

Herr Wirtschaftsminister Hering, ich darf Sie erinnern, Sie haben gerade gestern Abend noch beklagt, dass erhebliche Kaufkraft aus Rheinland-Pfalz in die benachbarten Zentren abwandert. Geben Sie dieser Entwicklung keinen neuen Schub.

Schauen wir uns den Gesetzentwurf und die im Gesetzentwurf beabsichtigte Regelung zur Verlängerung der Einkaufszeiten an Werktagen über 22:00 Uhr hinaus in der Praxis an: Stellungnahmen von Gewerkschaften, IHK, Handwerkskammer und Gemeinden, bei der Verbandsgemeinde bearbeitet, sehen die Zeiten, die für die Bearbeitung erforderlich sind, pro Vorgang mit ca. einem Arbeitstag oder acht Arbeitsstunden vor. Im Land bei rund 250 Städten und Verbandsgemeinden und bei einer Ausnahmeregelung von acht möglichen Ausnahmeregelungen, wie von der SPD vorgeschlagen, bedeutet dies dann 2.000 Stunden Verwaltungsaufwand.

(Zurufe von der SPD)

In ihrer Begründung zur Regelung an Werktagen verweist die Landesregierung auf die geringe Nutzung der Öffnungszeiten nach 22:00 Uhr, ohne dabei die Chancen für die Vermarktung und die Vermarktungsnischen zu berücksichtigen.

Wenn dies so ist, wenn also eine geringe Nutzung zu erwarten ist, warum dann hier eine so aufwendige Regelung, meine Damen und Herren? Warum eine Reihe unnötiger Einzelverordnungen in diesem Gesetz?

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Warum dann die sich hieraus ergebenden Kontrollmechanismen? Warum die notwendige Ausnahmeregelung, jährlich das Mehrfache von 2.000 Stunden zusätzlichem Verwaltungsaufwand?

Meine Damen und Herren, wieder einmal hat sich die Landesregierung für eine möglichst verwickelte Insellösung entschieden. Herausgekommen ist ein bürokratisches Monstrum voller Ausnahmeregelungen.