Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Wenn man dem Menschen immer wieder sagt, du musst das so und so und so machen, ihn einpackt und begrenzt und ihm die Freiheit wegnimmt, geht auch die Leistung des Menschen zurück. Wenn Ihr den Menschen mit unserem Vorschlag Freiheit und Verantwortung vor Ort gebt, werdet Ihr sehen, was sie daraus machen. Die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und der Umsatz werden blühen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Thelen das Wort.

(Frau Thelen, CDU: Herr Präsident, ich würde zuerst gerne die Ministerin hören!)

Frau Kollegin, bisher hat sich die Frau Ministerin noch nicht zu Wort gemeldet. – Zunächst hat aber Frau Mohr für eine Kurzintervention das Wort.

Meine Damen und Herren, ich meine, es ist relativ einfach, auf Herrn Billen zu antworten. Herr Billen, Freiheit kann man nicht morgens so und mittags so auslegen. Das nur zu dieser Sache.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Herr Billen, Sie haben uns vorgeworfen, dass unser Gesetz äußerst bürokratisch wäre. In Ihrem Antrag steht: „Deshalb soll an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich keine Ladenöffnung erfolgen.“ Dieser Satz ist noch in Ordnung und den kann man so akzeptieren. Sie schreiben dann aber weiter: „Ausnahmeregelungen sollten zurückhaltend gehandhabt werden und nur in begründe

ten Fällen erfolgen, um dem Stellenwert der Sonn- und Feiertage gerecht zu werden.“ Ist das keine Bürokratie?

(Billen, CDU: Das ist die Gesetzeslage heute!)

Danke, dass Sie das sagen. Genau das wollte ich Ihnen nämlich sagen.

Wo steht denn, dass unser Gesetz wesentlicher bürokratischer ist? Es gibt heute schon ein Antragsverfahren für die vier Sonntage. In dieses Antragsverfahren können genauso die acht Tage eingebracht werden. Wo ist da die Bürokratie? Sie bauen doch hier einen Popanz auf.

(Beifall der SPD – Billen, CDU: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)

Ich erteile Frau Staatsministerin Malu Dreyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte zunächst mit einem Dankeschön beginnen, und zwar beim Parlament für die intensive und konstruktive Diskussion und für das schnelle Verfahren, weil uns dadurch ermöglicht wird, dass wir die erweiterten Öffnungszeiten schon in der Adventszeit sicherstellen können, ohne dass wir umständliche Verfahren wählen müssen. Vielen herzlichen Dank.

Die Debatte zeigt, wie schwierig dieses Thema ist. Das haben wir auch in den Anhörungen erlebt, egal ob das die Anhörung der Landesregierung oder des Parlaments war. Ich bin davon überzeugt, dass die Landesregierung ein Gesetz anstrebt, das eine sehr, sehr gute Lösung darstellt und den Interessen der unterschiedlichen Beteiligten, nämlich der Kunden, des Einzelhandels und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Herr Dr. Schmitz, auch die sind uns sehr wichtig und auf die komme ich gleich noch zu sprechen – gerecht wird.

(Beifall der SPD)

Der Gesetzentwurf wird den veränderten Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung gerecht. Die Bedürfnisse haben sich inzwischen geändert. Genau das wird vor Ort über die Sonderregelungen aufgegriffen. Gleichzeitig werden mögliche Auswirkungen begrenzt.

Zunächst einmal ein Wort zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Man erlebt immer wieder Neues in einem Parlament. Ich bin jetzt auch immerhin schon viereinhalb Jahre dabei. Es erstaunt mich aber, dass ausgerechnet die FDP die Tarifverträge, die sie eigentlich immer und ewig bekämpft, und den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwähnt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP)

Einerseits beziehen Sie sich auf das Arbeitsschutzgesetz, was wichtig ist, aber darüber hinaus hat Herr Creutzmann erklärt, dass alles andere über Tarifverträge geregelt werden könne. Diese Haltung freut mich.

Ich erinnere an meine erste Pressemeldung zu diesem Thema, in der ich die Partner objektiv daran erinnert habe, dass bei neuen Ladenöffnungszeiten auch faire Tarifverhandlungen über Zuschläge und Ähnliches zu führen sind. Das hat damals in vielen Reihen zu Empörung geführt.

Vielleicht noch ein Wort. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir leider im Einzelhandel inzwischen eine sehr niedrige Tarifbindung haben und gerade die Großkonzerne – auf die wird es ankommen – sich in ihren Strukturen permanent so organisieren, dass die Mitbestimmung so gut wie überhaupt nicht mehr zum Zuge kommt.

(Beifall bei der SPD – Harald Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, deshalb achten wir darauf, dass die Schutzinteressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Gesetz auch ihren Ausdruck finden.

(Beifall bei der SPD)

Warum gehen wir nicht auf die Forderung ein, über 22:00 Uhr hinauszugehen? Den ersten Punkt habe ich genannt; das ist ein relevanter. Ich möchte darauf hinweisen – das ist von Frau Mohr und Frau Grosse schon gesagt worden –: Wir haben auch eine Verpflichtung, ein Stück weit auf das Leben in unseren Städten zu achten. Das meine ich sehr ernst. Wir haben dort immissionsschutzrechtliche Richtlinien. Wir wollen keine Städte, in denen man zwar bis 24:00 Uhr einkaufen, aber eigentlich nicht mehr wohnen kann.

(Hartloff, SPD: Sehr richtig!)

Wer von uns will eigentlich, dass rund um die Uhr in der Innenstadt dieses Tamtam, das einhergeht mit Einkaufen, vorhanden ist. Wir sehen in vielen anderen Regionen, dass dort, wo die Gastronomie und die Geschäfte lange geöffnet haben – nicht hier in Deutschland –, die Innenstädte aussterben. Das ist nicht unser Konzept. Wir wollen eine Stärkung der Innenstädte und deshalb die Begrenzung auf 22:00 Uhr.

(Beifall bei der SPD)

Zwei Worte zum Einzelhandel. Der Einzelhandelsverband ist nicht der Einzelhandelsverband, und der Einzelhandel ist nicht der Einzelhandel. Das zeigen beispielsweise die zwei Einzelhandelsverbände in Rheinland-Pfalz und in Hessen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Während in Rheinland-Pfalz der Einzelhandelsverband die Öffnung der Läden insgesamt fordert, ist in Hessen der Verband gegen die geplanten Öffnungszeiten der

hessischen Landesregierung Sturm gelaufen. Womit hat das zu tun? Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß es genau. Es hat damit zu tun, wie das Stimmenverhältnis zwischen den Großen und Kleinen im Verband verteilt ist. In Hessen haben die Kleinen, vor allem die inhaberbetriebenen Läden, ein gewichtiges Wort mitzusprechen, teilweise ein gewichtigeres Wort als hier beim Einzelhandelsverband. Das führte dazu, dass in Hessen genau die gegenteilige Meinung vom Einzelhandelsverband vertreten wurde als in Rheinland-Pfalz.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

So war es zumindest den Zeitungen zu entnehmen; denn der Einzelhandelsverband ist dort in den Anhörungen zitiert worden als ein Verband, der diese Regelung der Gesamtöffnung nicht wollte.

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer?

Ja.

Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben das Wort.

Der Vertreter des Einzelhandelverbandes hat in der Anhörung genau das Gegenteil belegt und gesagt: Gerade die kleinen und mittelständischen Betriebe haben gesagt, keine Begrenzung in der Woche, weil dann genau das eintritt, was Kollege Schmitz erzählt hat, dass, wenn bis 22:00 Uhr eine Zeit ist, dass die Großen öffnen und die Kleinen mitziehen müssen; denn nur wer ganz offen lassen kann, kann wirklich den Kundenströmen gerecht werden.

Herr Dr. Rosenbauer, ich weiß nicht, ob Sie mir eben zugehört haben. Ich habe dargestellt, dass die Einzelhandelsverbände in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Meinungen vertreten. Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass der Einzelhandelsverband keine homogene Gruppe ist. Mir ist bekannt, was in der Anhörung gesagt worden ist. Das ist ein Argument, das ich von inhaberbetriebenen Betrieben vorher noch nie gehört habe, dass es sinnvoll ist, die Läden weiter zu öffnen, weil damit sozusagen der psychologische Druck bei den Großen reduziert wird. Es ändert aber auch nichts an meiner Aussage, dass der Einzelhandel in Hessen und Rheinland-Pfalz unterschiedliche Meinungen vertritt.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Vielleicht noch ein Wort zum Thema „Wettbewerb“. Dazu hat Frau Mohr schon einiges gesagt.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Das ist bei der Anhörung lange diskutiert worden!)

Es ist eine Anmaßung, den Sozialdemokraten zu unterstellen, dass es uns nicht wichtig ist, dass die Betriebe in unserem Land konkurrenzfähig sind und entsprechende Umsätze machen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Genauso ist das gewesen!)

Natürlich ist es unser Anliegen und unser Bestreben. Wir sind fest davon überzeugt – die Unterschiedlichkeit der Argumentationen bei der Anhörung und andernorts zeigt es auch –, dass dieses Argument Wettbewerbsfähigkeit sehr unterschiedlich bewertet wird.

Wir stehen auf dem Standpunkt, dass mit den Regelungen, wie wir sie vorgesehen haben, unsere Betriebe wettbewerbsfähig sind, und wir sind sicher, dass sie sehr positiv in die Zukunft gehen werden. Man kann nicht die Öffnungszeiten tagtäglich und bis 24:00 Uhr, Herr Dr. Schmitz, vergleichen mit einer Situation, wo an einem Feiertag in einem Bundesland geöffnet und im anderen geschlossen ist. Es geht in dem Moment um völlig andere Kundenströme, vor allem auch um andere Uhrzeiten.

(Pörksen, SPD: So ist es!)

Es ist ein Unterschied, ob sich Menschen nach 22:00 Uhr noch in einer anderen Region bewegen oder morgens um 08:30 Uhr, weil Feiertag im eigenen Land ist.

(Beifall bei der SPD)