Jetzt will ich Ihnen sagen, Herr Blüm hat es damals aus einem Grund geändert: weil wir in die hohe Arbeitslosigkeit hineingelaufen sind und Brücken gebaut werden sollten für ältere Arbeitnehmer. Zusammen mit den Gewerkschaften, den Arbeitgeberverbänden, den Betriebsräten und den Arbeitgebern sollten diese Brücken gebaut werden, um sie früher aus dem Betrieb herauszubekommen. Das war der Grund.
Im Übrigen: Die IG Metall, die heute sagt, ich habe mit der Argumentation, die ich heute vortrage, so unrecht, hat damals dagegen geklagt, und zwar genau mit der Begründung, dass das herauskäme, dass die Menschen zu früh aus den Betrieben hinauskomplimentiert würden.
Sie hat Recht. Warum sie es jetzt anders sieht? Da habe ich gerade dieser Tage Gelegenheit gehabt, mit Jürgen Peters zu diskutieren.
Eines stand im letzten Jahr an und steht jetzt wieder an, nämlich die Frage im Zusammenhang mit der Rentenreform, über die wir reden, ob wir uns vor dem Hintergrund der demografischen Veränderung in Deutschland die Mentalität bei Arbeitgebern, aber auch bei vielen Arbeitnehmern leisten können zu sagen, so früh wie möglich aus dem Betrieb heraus.
Ja, gut. Frau Thelen, aber über solche Fragen muss man sich klar werden, wenn man solche Forderungen stellt, wie Sie gerade eine stellen. Das ist eine Weichenstellung.
Ein solcher Weg zurück de facto zu einer Verkürzung der wirklichen Arbeitszeit ist ein falscher Weg. Den werden wir nicht durchhalten. Wir dürfen den Menschen, gerade den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, nicht vormachen, dass dieser Weg machbar ist. Wir haben heute auf vier Menschen im arbeitsfähigen Alter einen Menschen im Rentenalter. Wir werden in 30 Jahren auf zwei Menschen im arbeitsfähigen Alter eine Rentnerin oder einen Rentner haben.
Das hat damit zu tun, ob Sie wieder den Weg eröffnen, solche Glücksketten aufzubauen, um Leute möglichst früh aus den Betrieben herauszubringen. Damit hat es zu tun.
Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, und die Bundeskanzlerin hat dies gerade noch einmal öffentlich bekräftigt, auch bei unserem Auftritt – Ihrem und dann auch meinem – beim Deutschen Arbeitgebertag, dass es keinen Euro zusätzlich ins System gibt und wir an der Absenkung um 2,3 % der Arbeitslosenversiche
rungsbeiträge festhalten, weil wir sonst das zentrale Ziel verfehlen, unter die 40-%-Marke zu kommen, um das auch bei den Lohnzusatzkosten festhalten zu können. Keinen Cent mehr. Sie hat Recht, und sie hat meine volle Unterstützung.
Wenn Sie das Kleingedruckte in dem Antrag lesen, wie er vorgelegen hat – – – Er wird noch ein paar Mal verändert, bis Sie am Parteitag darüber abstimmen. Ich könnte Ihnen auch vorhersagen, wie er dann aussieht. Aber lassen wir es einmal.
In dem bisherigen Antrag steht, dass diese Summe – es sind schlappe 1,2 Milliarden Euro per anno – bei den Jüngeren eingespart und – jetzt kommt etwas, was für Rheinland-Pfalz ganz spannend ist – ein unbegrenztes Rückgriffsrecht auf die Kinder und die Eltern geschaffen werden soll. Es gehört dazu – ich will immer fair sein –, dass die Freibeträge etwas hochgesetzt werden sollen.
Jetzt will ich Sie einmal fragen, ob wir es wirklich verantworten können, dass wir sagen, ja, dem 56-Jährigen, dem jeder von uns jeden Euro gönnt – – –
Wenn Politik doch so einfach wäre, dass man sagt, wenn es den Menschen doch hilft, dann machen wir es. Dann müssen wir unendliche Transferzahlungen bezahlen. Das hilft den Menschen immer. So kann man doch nicht argumentieren.
Sie haben Recht, dass es nicht die kurzzeitig Beschäftigten betrifft. Es betrifft diejenigen, die zehn, zwölf oder 15 Jahre hinter sich haben. Diejenigen werden etwa 35 Jahre alt sein und Familien mit Kindern haben. Können wir bei diesen Menschen kürzen? Das wollen Sie. Das ist Ihr Vorschlag. Sie haben kein Wort zur Finanzierung gesagt. Sie können nicht einfach aufschreiben, wie Sie das Geld ausgeben, und anderen die Entscheidung darüber überlassen, wo eingespart werden soll. Ihre Partei führt eine Diskussion darüber, bei Familien mit Kindern einzusparen. Hierzu sage ich Nein und noch einmal Nein.
Jetzt komme ich zum nächsten Punkt dieser wunderbaren Dünnbrettbohrerei, die Sie uns vorlegen. Wie stehen Sie denn zur Frage des Rückgriffs auf Kinder und Eltern?
Das macht Ihr nicht. Darüber wurde aber auf Eurem Parteitag diskutiert. Ihr müsst doch die 1,2 Milliarden Euro erwirtschaften.
Die Arbeitslosenversicherung hat einen Überschuss erwirtschaftet, und deshalb senken wir die Beiträge. Seid Ihr dagegen? Ihr wollt die Beiträge senken und noch mehr Geld ausgeben. Der Überschuss von 5 Milliarden Euro reicht nicht einmal annähernd für die Beitragssenkung. Wir müssen noch weiter erfolgreich sein, damit die Beitragssenkungen aus dem System finanziert werden können. Das ist die Wahrheit.
Wie viel entspricht 1 Prozentpunkt der Arbeitslosenversicherung? Sagen Sie mir bitte einmal, wie viel das ist!
Sehen Sie. Sie haben keine Ahnung, legen aber solche Anträge vor. Das entspricht 7 Milliarden Euro. Wir wollen um 2,3 % absenken. Das werden wir schaffen. Das kann das System erwirtschaften. Das muss es erwirtschaften. Man kann aber nicht weitere 1,2 Milliarden Euro herausnehmen. Wir hätten gern – das war auch der Wunsch der Kanzlerin, und ich hätte nichts dagegen gehabt – den Satz noch um weitere 0,5 % Prozentpunkte abgesenkt. Wo nichts ist, kann man aber auch nichts holen.
Dieser Weg geht also nicht. Sie reden über zusätzliche Ausgaben, äußern sich aber nicht zur Frage der zusätzlichen Einnahmen. Deshalb bleibe ich dabei. Herr Rüttgers hat sich für das Durchgriffsrecht ausgesprochen. Was heißt denn das? Das heißt doch nichts anderes, als dass diejenigen, die sich ein Leben lang etwas angespart haben, ein Häuschen haben, wie dies in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz häufig der Fall ist, für ein arbeitsloses Kind voll haften. Sie bekämen gar nichts, solange bei den Eltern noch etwas zu holen ist. Umgekehrt gelte das natürlich auch für die Kinder. Halten Sie das für gerecht? Das wollen Sie uns als Angebot der Gerechtigkeit verkaufen?
Jetzt kommen Sie nicht mit Ihrem Antrag. Sie weichen den Dingen aus. Herr Baldauf verweist dann auf den Antrag. Das ist aber gerade das Dramatische an diesem Antrag, dass es nirgendwo steht, weil Sie den wichtigen Fragen ausweichen und nur den Leuten ein X für ein U vormachen wollen.
So geht das nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Sie erzählen den Leuten, was schön ist, und sprechen die anderen Dinge nicht an. Sie muten ernsthaft einem Landesparlament zu, einen solchen Antrag verabschieden zu sollen, der zum völligen Ruin der Sozialversicherung führen würde oder der dazu führt, dass wir diese Eingriffe bei Familien mit Kindern ein Leben lang hätten. Überlegen Sie sich einmal, was Sie damit der Menschheit zumuten wollen. Das ist keinen parteipolitischen Taktikzug wert, meine Damen und Herren.
Ich will im Übrigen auf einen Irrtum hinweisen dürfen. Es ist schlicht falsch, dass 55-Jährige und Ältere nur ein Jahr Arbeitslosengeld I bekommen. Das ist schlicht
falsch. Richtig ist, dass sie 18 Monate lang Arbeitslosengeld I bekommen, wenn sie 36 Monate Beiträge gezahlt haben. Wenn sie keine 36 Monate eingezahlt haben, bekommen sie 15 Monate lang das Geld. Was Sie den Leuten jetzt versprechen, macht also keinen großen Unterschied mehr aus.
Ich rege mich aber darüber auf, weil es dennoch 1,2 Milliarden Euro kostet. Dies ist aber nicht gedeckt. Sie versuchen, bei den Leuten Stimmung zu machen, Stimmung auf die Parteibühnen zu lenken und dabei den Menschen die Wahrheit zu verschweigen. Solange Sie solche Versuche unternehmen, wird das nicht ohne meinen Widerspruch bleiben. Das sage ich Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das „Auf sie mit Gebrüll“ nach Franz Müntefering haben Sie gut hinbekommen, Herr Beck.