Protokoll der Sitzung vom 06.12.2006

Es geht heute vielmehr darum, in dem Doppelhaushalt der kommenden Jahre die Weichenstellungen für die vielfältigen Aufgaben der Justiz vorzunehmen und zu zeigen, dass die Justiz auch in Zeiten angespannter öffentlicher Kassen ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Wir wissen alle, dass das Drehen an einer Stellschraube zwingend Einfluss auf die anderen Räder und Schrauben der gesamten Justiz bedingt. Wir sind gewillt und motiviert, dieses Rad zu drehen, und zwar in die richtige Richtung. Aber ein Rad braucht man nicht neu zu erfinden. Das beweist die Bilanz der rheinlandpfälzischen Justiz.

Die Richterinnen und Richter des Landes, seine Beamtinnen und Beamten und selbstverständlich auch die tariflich angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten doch Beachtliches auch wenn Sie das immer so schwarz malen. Deshalb können wir uns auch jedem Benchmarking stellen. Kein Vergleich wird hier mit anderen Bundesländern gescheut. Wir wissen aus eigener Anschauung und haben das gerade wieder bestätigt erhalten, dass unser Personal gut motiviert ist, ordentliche Arbeit leistet und effizient mit den Ressourcen des Staates umgeht. Dafür möchten wir Ihnen danken, sehr geehrter Herr Minister. Ich bitte, das auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterzugeben.

(Beifall der SPD)

Bundesweit sind wir Flaggschiff, nicht nur in Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit, aber da insbesondere mit deutlichem Abstand. Viereinhalb Monate bei den Verwaltungsgerichten für ein allgemeines Verfahren, 3,1 Monate für ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht und glänzende 5,9 Monate im Schnitt für eine Normenkontrolle, da können selbst Ihre hochgelobten Bayern nicht mithalten. Fahren Sie da einmal hin, wie neidisch die nach Rheinland-Pfalz schauen. Neid zu haben, muss man sich erst einmal verdienen. Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hinbekommen.

Nicht nur da, sondern auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit ist das so. Ich gebe Ihr Kompliment gern an die FDP weiter. Herr Mertin hat das Haus hervorragend geführt und ein gut bestelltes Haus hinterlassen. Wir werden jetzt die Stellschrauben – ich habe Ihnen das gerade gesagt – ein bisschen verändern. Wir kriegen das schon hin.

Bei der Arbeitsgerichtsbarkeit ist es ähnlich. In 3,3 Monaten im Schnitt werden die Verfahren zum Rechtsfrieden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erledigt. Trotz wachsender Verfahrenszahlen wurden die offenen Verfahren um 23 % gesenkt. Das sorgt für Sicherheit auf beiden Seiten und bewirkt gegenseitiges Verständnis;

denn gerade dieser Bereich liegt uns doch allen am Herzen. Zügiger Rechtsschutz im Arbeitsrecht ist von besonderer Bedeutung; denn jeder Bürger und jeder Arbeitnehmer blickt hier sehr genau darauf, wie die Justiz arbeitet. Hier geht es in Zeiten angespannter Arbeitsmärkte für die Betroffenen häufig um die eigene Existenz oder um die Existenz ihrer Familien.

Meine Damen und Herren, insgesamt können wir uns mit Recht dieser Bilanz stellen. Ich sagte das gerade, die anderen schauen neidisch. Sprechen Sie einmal mit den Kolleginnen und Kollegen aus Hessen und aus anderen Bundesländern, wo Widerspruchsverfahren für Landesangelegenheiten abgeschafft werden. Das geht alles zulasten des Justizhaushalts. Wir können und wollen uns aber darauf nicht ausruhen. Wir stellen uns zu Recht immer wieder die Frage: Wie können wir diesen Erfolg halten, wie können wir ihn ausbauen, und wo beginnt er?

Ich sagte das bereits, er beginnt mit gut ausgebildetem, motiviertem Personal und mit vernünftiger Sachausstattung. Ich nannte gerade die Arbeitsgerichtsbarkeit. Wir haben hier die fachliche Kompetenz und Motivation, insbesondere der Richterinnen und Richter, die Betriebspraktika in der Unternehmensführung und bei den Personalräten absolvieren. Wir arbeiten hier in Kooperation mit der Wirtschaft, und Sie sehen, es läuft.

Auch in der Sozialgerichtsbarkeit läuft es, aber nicht zu unserer Zufriedenheit. Auch wenn wir mit einem Verfahren, das regelmäßig in etwa einem Jahr abgeschlossen wird, in der bundesweiten Spitzengruppe liegen, ist das meines Erachtens immer noch zu lang. Wünschenswert wäre hier deshalb eine deutliche Straffung und Beschleunigung der Prozesse. Richtig ist deshalb auch eine Reform des Sozialgerichtsgesetzes, die – Herr Dr. Wilke, Sie haben das eben so destruktiv dargestellt – mit sehr weisen Beschlüssen in der Justizministerkonferenz auch vorangebracht wurde, auch mit den Stimmen von Rheinland-Pfalz.

(Billen, CDU: Haben Sie eigentlich eine andere Rede von Herrn Wilke gehört als ich?)

Scheinbar. Vielleicht geht sie in diese Richtung anders als in Ihre.

(Billen, CDU: Ich habe da eine andere Rede gehört!)

Auch organisatorisch können wir uns vorstellen, dass man hier in die Diskussion einsteigt, ob man nicht fachlich – ich betone das ausdrücklich –, oder organisatorisch schaut, wie man die Fachgerichtsbarkeiten untereinander strafft. Verbesserungsbedarf in Sachen Personal sehen wir aber vor allem und gerade im Bereich der Strafjustiz und der Staatsanwaltschaften. Von dem Dogma des Gesetzes, das eine Strafe der Tat auf dem Fuße folgen sollte, sind wir leider noch ein Stück entfernt. Geschuldet ist das sicher den hohen Eingangszahlen, die wir bei den Staatsanwaltschaften haben. Aber Herr Dr. Wilke, das ist die Kehrseite der Medaille, dass

unsere Polizei in Rheinland-Pfalz eine hervorragende Ermittlungsarbeit leistet.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Mir liegt es fern, die Polizei dafür zu kritisieren, dass sie ihren Job gut macht. Infolgedessen haben wir sicher auch eine Überbelegung unserer Justizvollzugsanstalten, und auch Haftsachen bleiben länger liegen, als uns das lieb ist. Sie haben vollkommen recht, niemand von uns möchte jemandem erklären wollen, dass ein Häftling nur deshalb entlassen wird, weil das Verfahren nicht ordnungsgemäß beschleunigt wird. Gerade deshalb setzen wir die Akzente im Haushalt und schaffen hier 15 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte bereits im Jahr 2007. Das wird hier in der Strafjustiz deutlich Entlastung bringen.

Auch der Sozialdienst der Justiz – Abteilung Bewährungshilfe – wird in den beiden kommenden Haushaltsjahren sechs zusätzliche Stellen erhalten. Sie haben es selbst angesprochen, der Strafvollzug wird ausgeweitet im Zuge des Neubaus in Wittlich. Kurzfristig werden Anwärterstellen dafür geschaffen, die ab dem Jahr 2008 nach und nach in Beamtenstellen umgewandelt werden.

Meine Damen und Herren, immerhin sind es insgesamt 130 neue Stellen. Sehen Sie sich den Gesamthaushalt an. Hervorzuheben ist, dass das nicht nur Stellen von Menschen sind, die aufpassen im Strafvollzug, sondern gerade auch für Menschen – Psychologen, Sozialarbeiter –, die uns helfen, die Resozialisierung weiter auszuweiten; denn nur eine Strafhaft, die dem Gedanken der Resozialisierung ausreichend Rechnung trägt, ist eine sichere, vielleicht sogar – verzeihen Sie mir den Ausdruck – eine sinnstiftende Strafhaft; denn die einschlägige Fachliteratur und bereits existierende Konzepte der Betreuung und Therapie für Strafgefangene belegen auch, dass wir deutlich bessere Rückfallzahlen erreichen können und der Einsatz dieser Fachkräfte ein richtiger Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel ist, die heute noch zu hohen Rückfallquoten zu verringern.

Der Psychologe und der Sozialarbeiter sind zwar sicher kein hundertprozentiger Garant für die Vermeidung von Straftaten, aber sicher ein wesentlicher Pfeiler für unser Ziel „Sicherheit der Bevölkerung“.

Sie wissen es selbst alle – der Kollege hat es eben erwähnt –, ein Personalkostenanteil von 63 % ist ordentlich, gerade in Anbetracht des Gesamtetats und das trotz des Volumens deutlich unter 5 % des Haushaltes. Das ist keine Größe, die einen stolz oder traurig macht, sondern das ist der Ausweis dessen, dass die Justiz mit vielen Menschen arbeitet und für viele Menschen in den täglichen Rechtsangelegenheiten sowie bei denen, die Rechtsschutz suchen, da ist. Das zeigt unsere besondere Verantwortung, die wir den Menschen gegenüber haben.

Genau deshalb haben wir uns stark gemacht, damit wir die Effizienz auch mit dem bestehenden Personal hinbekommen, nämlich Aufgabenübertragung von Richterinnen und Richtern auf Rechtspfleger. Das sind nämlich gut ausgebildete und motivierte Menschen, Beamtinnen und Beamte, denen wir eine Chance geben möchten,

sich in der Justiz weiter fortzuentwickeln. Das geht natürlich nicht einfach so, weil deren Belastung enorm hoch ist, sondern wir sagen auch, da muss es eine Fortentwicklung geben, nämlich Übertragung von Aufgaben auf den mittleren Dienst, zum Beispiel im Kostenrecht.

Wir sind gewillt, justizverwaltungsinterne Lösungen gestaltend zu begleiten, insbesondere dann, wenn der Staat hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Staat solche hoheitlichen Aufgaben genauso effizient wahrnehmen kann, wenn er sich anstrengt und man die richtigen Rahmenbedingungen wie ein Privater setzt. Deshalb gehe ich sogar noch weiter, er kann das sogar ressourcenschonender, weil der Private – Herr Dr. Wilke, ich bleibe bei Ihrem Beispiel mit den Notaren – immer für das, was er tut, einen kleinen Gewinnaufschlag hätte. Den muss die öffentliche Hand nicht nehmen bzw. kann ihn für andere Sachen sinnvoll einsetzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Wilke, CDU)

Die Gerichtsvollzieher üben insbesondere hoheitliche Aufgaben erster Güte aus. Sie pfänden und versteigern, öffnen Wohnungen, können sogar Schuldner verhaften. Hinzu kommt auch der Gläubiger. Er wäre doch mit einem privaten Gerichtsvollzieher nicht bessergestellt. Häufig genug werfen die Gläubiger gutes Geld schlechtem hinterher, weil nichts zu pfänden da ist.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass die Gebühren in etwa auf das Dreifache steigen würden – so schätzt man –, wenn es privatisiert ist. Das heißt, Sie muten vielen Gläubigern zu, die dreifachen Gebühren in den Raum zu schmeißen, ohne dass es nachher einen Erfolg hat.

Lange Rede, kurzer Sinn: Privatisierung von Kernaufgaben der Justiz, sei es im Gerichtsvollzieherwesen oder im Strafvollzug, kommt jedenfalls für uns nicht infrage.

Eine weitere Möglichkeit, um Ressourcen zu sparen oder freizusetzen und gleichzeitig für die Menschen da zu sein, ist die Konfliktvermeidung. Sie haben vollkommen zu Recht das Prestigeprojekt, das Cochemer Modell angesprochen. Auch wir stellen uns vor, dass man gerichtsnahe Mediation auf andere Bereiche ausdehnen kann. Man muss natürlich immer sehr genau schauen, wo man das hinbekommt. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass wir zu solchen Ergebnissen kommen, die wir sicherlich alle gutheißen, dass wir Absprachen im Strafprozess, die sicher richtig und wichtig sind, als gerichtsnahe Mediation verkaufen und sich dann reiche Menschen wie Herr Ackermann und Co. für 5,8 Millionen Euro freikaufen können.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Wir müssen uns aber auch weiter auf die Einsparmöglichkeiten konzentrieren, die wir haben.

Herr Dr. Wilke, Sie gehen etwas weit, dem Justizminister den Vorwurf zu machen, er müsste sich in der Justizministerkonferenz verstärkt dafür einsetzen, dass die Aufwendungen für Prozesskostenhilfe, Pflichtverteidigervergütungen, Zeugenentschädigungen, Sachverständigen

vergütungen, Betreuungskosten, Treuhänderentschädigungen, Verbraucherinsolvenzverfahren usw. im Bund reformiert werden. Sprechen Sie einmal mit Ihrer eigenen Bundestagsfraktion. Die sind emanzipiert genug, auch einmal zu sagen, was sie wollen, und nicht nur, was die Justizminister machen.

(Beifall der SPD)

Aber Sie haben völlig recht, das frisst unseren Haushalt auf. Allein in Insolvenzverfahren steigen die Beträge im nächsten Haushalt um 72 %. Das ist neben den Versorgungslasten sicher ein Bereich, den wir genau im Auge behalten müssen. Deshalb wollen wir es konstruktiv begleiten, wie man dahin kommen kann. Bei der Vereins- und Berufsbetreuung ist es ähnlich: eine Steigerung auf über 30 Millionen Euro, das heißt, um satte 40 %.

Ich bin trotz aller fiskalischen Probleme der festen Überzeugung, dass sich die Justizgewährung für sozial Schwächere mit einem verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Ressourcen in einen guten Ausgleich bringen lässt; denn das Primärziel von uns allen ist, auch wenn das bei Ihnen heute Morgen immer wieder etwas anders klang, die Absenkung der Nettoneuverschuldung. Auch deshalb sind globale Minderausgaben richtig und wichtig; denn sie führen zur Haushaltsdisziplin und zur sparsamen Nutzung. Wir haben 5,5 Millionen Euro nächstes Jahr und weitere 8,8 Millionen Euro im zweiten Jahr, im Jahr 2008.

Meine Damen und Herren, ich habe viel über die Effizienz gesprochen. Ich glaube, das läuft ordentlich.

Herr Dr. Wilke, wir haben auf Ihren Antrag hin, den Antrag der CDU-Fraktion, etwas über das elektronische Handelsregister zum 1. Januar gehört. Das ist ein Meilenstein in der rheinland-pfälzischen Justiz. Wir nutzen die Möglichkeiten, die uns die modernen Kommunikationsmittel geben. Wir haben den elektronischen Rechtsverkehr in weiten Teilen schon eingeführt. Am 1. Januar geht es erfolgreich weiter.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir gehen diesen Weg für die Menschen und mit den Menschen der Justiz. Die, wenn auch kleinen Spielräume, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Engagement und Fleiß erarbeiten, werden wir positiv begleiten. Wir werden in den beiden kommenden Jahren die Rahmenbedingungen für die Bediensteten und für die Rechtsuchenden mit dem vorliegenden Haushalt deutlich verbessern.

Wir sind, Rheinland-Pfalz ist auf einem guten Weg.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass der Justizhaushalt einer der Gewinner des zukünftigen Doppelhaushaltes ist. Ich bin ebenso davon überzeugt, dass Sie ihm ruhigen Gewissens Ihre Stimme geben können und sich nicht enthalten müssen wie im Haushalts- und Finanzausschuss.

Ich danke Ihnen, und für alle die, die ich nicht mehr sehe, eine besinnliche Weihnachtszeit.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Lejeune das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für mich ist der Rechtstaat in Ordnung,

(Beifall der FDP und der SPD)

und das nicht nur in Rheinland-Pfalz und in Deutschland. Jeder, der dies infrage stellt, und das mit so deutlichen Worten, Herr Kollege Wilke, diskreditiert die Justiz und stellt diese Republik in den Bereich einer Bananenrepublik. Auch dagegen muss auch ich mich verwahren.

(Beifall der FDP und der SPD – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Damit treten Sie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz in den Rücken. Da kann ich ganz ehrlich nur sagen, das ist unfair und alles andere als gerecht.

(Beifall der FDP und der SPD)

Auch in der Rolle der Opposition sollte an der Stelle Fairness gewahrt und sich nicht solcher Mittel bedient werden.