Protokoll der Sitzung vom 17.01.2007

Meine Damen und Herren, der Name Magnus Gäfgen steht für ein Verbrechen, das von besonders hoher krimineller Energie und Skrupellosigkeit geprägt ist. Nicht umsonst hat das zuständige Gericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Ich gebe all denen Recht, die sagen: Wer eine Stiftung in diesem Namen errichtet, verletzt in zynischer Weise die Gefühle und

Empfindungen aller Menschen, die das Schicksal des damals elfjährigen Jungen sehr betroffen gemacht hat.

Eine Stiftung des Kindesmörders Magnus Gäfgen würde vor allem auch von den Eltern des Jungen und allen anderen Opfern einer vergleichbaren Straftat als eine tiefe Verletzung und Verhöhnung empfunden werden.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das die Gründe waren, die uns dazu bewogen haben, diesen Antrag abzulehnen.

Nun kann man sagen: Sie können doch nicht einfach einen Antrag ablehnen. Dafür brauchen sie doch eine Rechtsgrundlage. – Ich habe damals in Gesprächen mit den Juristen gesagt: Nach meinem Gefühl muss § 138 BGB herangezogen werden, in dem es um das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden geht und zu prüfen ist, ob das verletzt ist. – Ich empfand es als verletzt. Ich empfinde es auch heute noch als verletzt. Das haben wir Herrn Dr. Heuchemer mitgeteilt.

Er hat gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt. Ich komme darauf noch einmal zurück. Er hat eine Stellungnahme abgegeben, weshalb aus seiner Sicht dem Antrag auf eine Stiftung zwingend hätte stattgegeben werden müssen. Er hat aber auch gleichzeitig angekündigt, dass er eine neue Stiftung errichten wolle und hat um Hinweise gebeten, wie denn diese Stiftung aussehen könne.

Am 5. November 2006 wurde der ADD der Entwurf einer Satzung für eine Stiftung zugunsten jugendlicher Verbrechensopfer vorgelegt, in der der Name des rechtskräftig verurteilten Kindesmörders weder in der Präambel noch in der Satzung erwähnt wird.

Ich wiederhole noch einmal: Wir haben es damals abgelehnt, weil wir den Namen und die Verbindung als sittenwidrig angesehen haben.

Diese Bedenken wurden offensichtlich ausgeräumt. Die Entscheidung in einer Stiftung, wer dort im Vorstand ist, wer dort handelt, wer juristische Person ist, unterliegt weder einem staatlichen Genehmigungsvorbehalt noch einer ständigen rechtlichen Beurteilung. Die Prüfung der Stiftungsbehörde richtet sich nach § 80 Abs. 2 BGB. Damit beschränkt sich regelmäßig die Prüfung auf die Stiftungssatzung und das Vorliegen des Stiftungsvermögens.

Welche Personen in den Vorstand berufen werden, ist eigentlich nicht Gegenstand der Prüfung, sondern Sache des Stifters.

Es ist aber nun etwas eingetreten, das mit dem AugustTermin und der Entscheidung der ADD in Rücksprache mit mir zusammenhängt. Der Stifter hat in seiner Homepage erklärt – niemals gegenüber der ADD und bis heute nicht schriftlich –, dass er Magnus Gäfgen in den

Vorstand der Stiftung berufen will. Für ihn fand eine Beratung statt, die die ADD dort ohne Fehl und Tadel durchgeführt hat, als wäre es ein ganz normaler Stifter. Das ist vielleicht der einzige Vorwurf, den man machen kann.

Man hat klargemacht, warum man den Stiftungsnamen ablehnt und warum es eine Mitwirkung von Magnus Gäfgen nicht geben kann.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 haben wir das schriftlich niedergelegt. Es wurde festgelegt, dass auf eine untrennbare Verbindung der nunmehr angestrebten Stiftung mit der Person des Magnus Gäfgen verzichtet wird, von jeglicher Namensnennung des Herrn Gäfgen einschließlich der Satzungsgestaltung abgesehen wird und eine nach außen gerichtete rechtliche Vertretung der Stiftung durch Herrn Gäfgen ausgeschlossen ist.

Dann passierte etwas Weiteres. Entgegen dieser am 21. Dezember 2006 gegebenen Erklärung bzw. des Briefes von uns an Herrn Dr. Heuchemer hat er auf seiner Internetseite am 1. Januar 2007 verkündet, dass er die Gründung der geplanten Stiftung zugunsten jugendlicher Verbrechensopfer vorantreiben will, dass Herr Gäfgen dem Vorstand der Stiftung angehören soll und es praktisch keine neue Stiftung sei.

Dieser Sachverhalt wurde mir dann mitgeteilt. Damit war für mich klar, dass meine Entscheidung vom August richtig war. Herr Dr. Wilke, jetzt kommt vielleicht das, was Sie mir und ich mir vielleicht selbst zu Recht ein wenig vorwerfen, dass ich nämlich drei Stunden mit Juristen geredet habe, wie ich das vernünftigerweise mache. Es gab dann zwei Meinungen.

(Dr. Wilke, CDU: Das kann nie verkehrt sein!)

Ja, es ist nie verkehrt. Ich bin bei meiner Meinung geblieben. Wenn mir das jemand vorwirft, muss ich das hinnehmen. Das ist in Ordnung.

Ich bin bei meiner Meinung geblieben und habe gesagt, dass es dabei bleibt. Die Stiftung ist sittenwidrig, verstößt gegen den Anstand und verletzt das Gefühl vieler Menschen.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bis heute, bis zu dieser Stunde liegt kein Antrag vor. Niemals war ein Brief von einem Herrn Gäfgen bei uns im Hause. Bisher hat immer nur ein Rechtsanwalt gesprochen. Mir wäre lieb gewesen, man wäre dem Ratschlag bzw. der Beratung der ADD gefolgt und hätte dies nicht so sehr in die Öffentlichkeit getragen. Die Beweggründe, warum ein Rechtsanwalt einen Stifter so in die Öffentlichkeit trägt, mögen Sie selbst beurteilen. Eine Bewertung mögen Sie selbst vornehmen. Meine Bewertung steht fest. Dieser Rechtsanwalt hat dem Rechtsstaat, dem Ansehen der Opfer, aber auch Herrn Gäfgen geschadet.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Vielen Dank. Durch die längere Redezeit des Herrn Innenministers stehen den Fraktionen noch 35 Sekunden zu.

(Zurufe von der SPD und CDU: Zusätzlich!)

Natürlich zusätzlich.

Herr Abgeordneter Mertin hat das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege, seien Sie ohne Sorge, auch wir wirken auf bestimmte Persönlichkeiten ein. Es ist nicht so, dass wir das einfach so hinnehmen. Ich habe mich mit Bedacht deutlich distanziert.

(Beifall der FDP, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Anknüpfend an die letzten Bemerkungen des Herrn Innenministers möchte ich ihm ausdrücklich zustimmen. Falls der Zweck der Stiftung gewesen sein sollte, Herrn Gäfgen zu bestimmten Zeitpunkten, an denen in unserem Rechtsstaat bestimmte Überprüfungen stattzufinden haben, zu helfen, erreicht er das mit diesem Mittel nicht.

Er erreicht genau das Gegenteil. Durch das, was hier geschehen ist, wird nur deutlich, dass das, was wir unter Täter-Opfer-Ausgleich und vieles mehr verstehen, damit nicht in Einklang gebracht werden kann. Dieser Ausgleich steht jedem offen, auch wenn das Verbrechen noch so schwer war, was er in unserem Rechtsstaat begangen hat, wenn er bestimmte Änderungen der Haltung deutlich macht.

Wer diese Stiftung, die mit seinem Namen wie auch immer verbunden ist, unterstützt, kann nicht erwarten, dass zu bestimmten Terminen vergessen wird, auf welche Art und Weise hier versucht worden ist, für ihn selbst einen Vorteil zu erreichen. Auch davon distanziert sich die FDP-Fraktion ausdrücklich.

(Beifall der FDP, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Es spricht Herr Abgeordneter Clemens Hoch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist doch zunächst klar, dass es eine Situation gab, in der Unklarheit herrschte. In dieser haben zunächst das Innenministerium und nachgeordnet die ADD versucht, einem Stiftungszweck, der von uns allen als nicht verwerflich angesehen werden kann, nämlich Kindern als Verbrechensopfern zu helfen, zur Geltung zu

verhelfen. Von uns allen ist unbestritten und Tenor, was gut ist, dass das keinesfalls in Verbindung mit diesem Mörder, mit Magnus Gäfgen, geschehen kann.

Wir wollen uns alle nicht auf das schmale Brett begeben und jedem, der tatsächlich Reue zeigt, vielleicht wirklich viel Geld, eigenes Geld in die Hand nimmt, um Verbrechensopfern und anderen Opfern zu helfen, dieses Recht prinzipiell ausschlagen. Wir sollten uns eines ganz bewusst machen. Herr Gäfgen ist pleite. Er ist noch nicht einmal fähig, die aufgelaufenen Verfahrenskosten seines Strafverfahrens zu begleichen. Das Geld, das er als Stiftungsgrundkapital für jugendliche Opfer ausgeben will, kommt gar nicht von ihm.

Er behauptet immer, er hätte honorige Spender, die 25.000 Euro zur Verfügung stellen. Sein Anwalt behauptet das. Wenn ich das Vorgehen sehe, mit dem versucht wurde, durch die Hintertür eine solche Stiftung zu gründen, um durch diese Hintertür in einem zweiten Anlauf noch mehr Publicity zu erreichen, dann tut es mir leid, es so ausdrücken zu müssen, Herr Dr. Wilke: Ich befürchte, mit manchen Angriffen gerade gegen den Innenminister, der sich völlig korrekt verhalten hat, sind Sie Dr. Heuchemer völlig ins offene Messer gelaufen.

(Beifall der SPD)

Das, was hier passiert, ist reine Effekthascherei von Anwalt und Mörder, die ein kongeniales Team abgeben, glaube ich. Wir sind uns zum Glück darüber alle einig, dass das sittenwidrig ist, nämlich dass das dem Anstandsgefühl aller recht und billig Denkenden widerspricht, und in einem solchen Fall ist eine Stiftung abzulehnen. Ich finde die Position des Innenministers, die er heute sehr überzeugend dargelegt hat, genau richtig. Das gilt auch für die letzten Wochen. Herr Dr. Wilke, vielleicht sollte man einmal kurz darüber nachdenken, bevor Sie solche Pressemitteilungen herausschicken, die immer nur in die falsche Stoßrichtung gehen.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Wilke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 35 Sekunden extra brauche ich gar nicht. Ich will nur eines klar festhalten: Es war eine späte Erkenntnis von Ihnen, Herr Minister Bruch. Es war so, dass Sie am 27. Dezember in Kenntnis all dessen, was an neuen Vorschlägen des Anwalts von Herrn Gäfgen, dessen Namen ich bewusst nicht in den Mund nehme, bekannt war, gesagt haben, es bliebe nichts anderes übrig, die Stiftung müsse jetzt genehmigt werden. Drei Tage später unter dem Eindruck des großen Proteststurms sind Sie zu einer anderen Auffassung gelangt. Das begrüßen wir nachhaltig. Das ist gar keine Frage.

(Beifall der CDU)

Trotzdem ist es unser gutes Recht als Oppositionsfraktion, das zu thematisieren.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Es ist ein Thema in der Presse gewesen. Ich erinnere mich an einen Kommentar einer großen rheinlandpfälzischen Tageszeitung, in der es hieß: „Bruchs späte Erkenntnis“. – Genau darum geht es auch ein Stück weit.

Jetzt geht es darum, diese Stiftung zu verhindern. In diesem Hohen Hause sind wir uns alle einig. Alle Vorredner sehen nach wie vor eine Sittenwidrigkeit durch die Verknüpfung mit der Person Magnus Gäfgen gegeben. Lassen Sie uns an diesem Ziel arbeiten. Wir lassen uns nicht von irgendjemandem instrumentalisieren, sondern wir stehen als Demokraten zusammen und werden diese Stiftung verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Ich rufe den zweiten Teil der