Im Übrigen sei mir die Bemerkung gestattet, weil Sie sehr oft auf Ihre praktischen Kenntnisse des Schulwesens abstellen. Ihre Aussage, dass in den berufsbildenden Schulen alle Schülerinnen und Schüler ab dem 1. Schultag da seien, spricht von einer völligen Fehleinschätzung der Situation.
Das, was unsere berufsbildenden Schulen leisten – dafür sind wir Ihnen dankbar –, ist, dass sie im ganzen Herbst flexibel auf die Situation reagieren. Das ist der große Verdienst der berufsbildenden Schulen. Ich will ihnen an dieser Stelle dafür noch einmal danken.
Wir haben, um diese Unterrichtsversorgung zu erreichen, in diesem Jahr 110 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Jetzt sage ich das auch: Wir haben im Vergleich zum Jahr 2000 heute 400 Vollzeitlehrereinheiten mehr an unseren berufsbildenden Schulen. Das war eine echte Schwerpunktsetzung, und die war auch so notwendig.
Wir haben vor allen Dingen dafür gesorgt, dass wir unseren Beitrag dazu leisten können, dass die Nachwuchssituation besser wird. Ich sage überhaupt nicht, dass die Nachwuchssituation im berufsbildenden Bereich zufriedenstellend ist. Ich wäre froh, wenn sich viel mehr junge Menschen vorstellen könnten, ihr Lehramt in einer berufsbildenden Schule auszuüben, weil das aus meiner Sicht eine wichtige, aber auch eine herausfordernde Aufgabe ist.
Aber wir können dafür werben. Wir können Einstellungsangebote machen. Wir können nicht dazu verpflichten.
Weil sich in dem notwendigen Umfang die Menschen in den letzten Jahren nicht dafür entschieden haben, haben wir neue Wege eröffnet. Wir haben den Quereinstieg ermöglicht, wir haben den Seiteneinstieg ermöglicht, und wir haben heute eine gute Auslastung unserer Seminare mit 260 Referendarinnen und Referendaren. Es war eine Anstrengung, das hinzubekommen. Auch dafür danke ich allen Beteiligten.
Frau Abgeordnete Morsblech, natürlich geht es im Übrigen darum, dort, wo es geht, Signale an die Betroffenen zu geben. Aber das, was in der letzten Legislaturperiode diskutiert worden ist, war nicht die Eingangsbesoldung, sondern da ging es um die Anwärterbezüge. In der Tat gab es unter den Ländern auch einmal Überlegungen: Müsste man nicht die Anwärterbezüge verbessern, damit sich mehr Menschen für den berufsbildenden Bereich entscheiden? – Nach meinem Wissen hat es bis heute nicht ein Bundesland getan, weil alle in denselben finanziellen Schwierigkeiten sind und um die Begrenztheit der öffentlichen Mittel wissen. Deswegen ist es nicht ermöglicht worden. Wenn man viel mehr Geld hätte, würde man gerne noch vieles tun, aber manches realisiert sich bei dieser Situation der öffentlichen Haushalte nicht. Das muss man realistisch einschätzen.
Wo wir ein Signal setzen können, worauf die Fraktionen, insbesondere die SPD-Fraktion, aber auch die FDPFraktion, immer wieder Wert gelegt haben, ist der Bereich Faktor für Fachpraxis. Ich habe den berufsbilden
den Schulen gesagt, dass wir dieses Problem in dieser Legislaturperiode sobald wie möglich lösen wollen, weil ich das für ein wichtiges Signal halte.
Lassen Sie mich zu der zweiten großen Aufgabe etwas sagen. Wir hätten natürlich heute eine noch bessere Statistik – man würde mir zu Recht vorwerfen, sie sei geschönt –, wenn wir einfach das Angebot der berufsbildenden Schulen eingefroren hätten.
Hätten wir keine Berufsoberschule I und II eingerichtet, hätten wir nicht ermöglicht, dass Sie die fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife über den beruflichen Weg erreichen können, hätten wir heute statistisch einen wunderbaren Wert. Aber darum geht es doch nicht. Es geht darum, den jungen Menschen Perspektiven zu eröffnen. Deswegen haben wir uns auf den schwierigen Weg gemacht, Angebote abzusichern, aber Angebotserweiterungen dort zu ermöglichen, wo es den jungen Menschen Perspektiven eröffnet.
Wir können ein Drittes nicht verschweigen. Wir haben die Aufgabe, die Unterrichtsversorgung bei steigenden Schülerzahlen zu sichern. Wir haben die Aufgabe der qualitativen Weiterentwicklung. Wir haben aber auch noch eine dritte Aufgabe in den berufsbildenden Schulen in den letzten Jahren übernommen, dass wir aufgrund schwieriger Ausbildungsmarktsituation zusätzliche vollzeitschulische Angebote in den berufsbildenden Schulen in erheblichem Umfange gemacht haben. Das war die dritte große Herausforderung. Deswegen kann man nicht wie Sie argumentieren, indem man sich stoisch Zahlen betrachtet, sondern man muss das Angebot gegenüberstellen.
Fazit aus meiner Sicht: Ja, auch wir wollen noch besser werden. (Unruhe bei der CDU – Keller, CDU: Mir kommen die Tränen! Ach Gott, ach Gott!)
Herr Abgeordneter Keller, Tränen kann ich in Ihren Augen noch nicht erkennen, aber das wäre eine neue Variante für Ihren Auftritt am Rednerpult.
Fazit: Ja, wir wollen noch besser werden. Ja, wir haben aber auch einen guten Stand erreicht. – Vor allen Dingen füge ich eines hinzu: Die berufsbildenden Schulen stellen sich den vielfältigen – nicht den eindimensionalen, so wie Sie das darstellen – Aufgaben mit hohem Engagement. Dafür bin ich ausdrücklich dankbar.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie hoch muss eigentlich der Unterrichtsausfall in diesem Land noch werden, damit die Landesregierung endlich einmal zugibt, dass der Unterrichtsausfall schlimm ist und Handlungsbedarf besteht? Es ist erschreckend und es können einem wirklich die Tränen kommen, in welcher Art und Weise Sie eine systematische Desinformation der Öffentlichkeit betreiben, Frau Ministerin. (Beifall der CDU)
9,2 % Unterrichtsausfall bei einer Schulform, in der zum Teil die Ärmsten der Armen und die Schwächsten beschult werden. Das ist eine Schulform, wo sie eine letzte Chance bekommen. Sie sitzen in Klassen mit einer Stärke von bis zu 32, in denen Schüler sitzen, die null Bock haben, in denen aber auch Schüler sitzen, die die mittlere Reife erwerben wollen. Diese Klassen sind ohnehin am heterogensten und allein aufgrund ihrer Größe am schwierigsten zu beschulen. Dann kommt noch ein Unterrichtsausfall von 9,2 % hinzu. Das veranlasst Sie aber nicht, in diesem Bereich aktiv zu werden. Haben Sie eigentlich kein Gewissen, Frau Ministerin?
Ich kenne die Praxis. Für viele besteht in diesem einen Jahr Schule oft die letzte Chance, weil dann nämlich die Schulpflicht endet.
Wenn man dort nicht powert und vom Zeitumfang her nicht zumindest einen vernünftigen Unterricht gibt, sind viele verlassen. Sie sind schuld daran, wenn diese Schüler keine berufliche Perspektive und keine Lebensperspektive haben. Dann wird nur gegrinst usw. Das ist Ihre Antwort.
Dann wirft man uns noch vor, wir würden die berufsbildenden Schulen diskreditieren. Nein, wir sind diejenigen, die ihnen helfen wollen.
indem Sie diesen Schulen nicht die Lehrerwochenstunden zur Verfügung stellen, die ihnen aufgrund der Richtlinien, die Sie selbst aufgestellt haben, zukommen müssten. Sie diskreditieren die Arbeit dieser Lehrer durch Ihre geringe Wertschätzung.
Man kann auch die Diskussion eröffnen, in welcher Schulart der strukturelle Unterrichtsausfall geringer ist. Dann können wir einmal eine Debatte über soziale Gerechtigkeit usw. führen. Sie wollen doch die soziale Partei sein. Die Realität ist eine andere. Die Schwachen haben von dieser Regierung nichts zu erwarten. Sie werden von dieser Regierung nicht unterstützt. Das kann in Ihrer offiziellen Schulstatistik nachgelesen werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Keller, es wird von Sitzung zu Sitzung und von Plenum zu Plenum ein bisschen erstaunlicher, was Sie uns vortragen, aber es wird gleichzeitig auch ein bisschen unverschämter. Lassen Sie mich das als Einleitung zu meinem kurzen Beitrag sagen.
Sie haben sich zuvor darüber echauffiert, dass ein Unterrichtsausfall von 5,3 % an den berufsbildenden Schulen verursacht, dass Schülerinnen und Schüler keine Zukunft mehr haben. Sie haben aber vergessen, dass zweistellige Ausfallzahlen mit weit über 15 % zu Ihrer Regierungszeit in diesem Land an den berufsbildenden Schulen Realität waren.
Lassen Sie mich nur ein paar Zahlen zur Aufbesserung Ihrer Erinnerung nennen. Zu Ihrer Zeit gab es für 160.000 Schülerinnen und Schüler im berufsbildenden Schulsystem 4.600 Lehrerinnen und Lehrer. Im Jahr 1983 lautete das Verhältnis 160.000 zu 4.600. Im Schuljahr 2005/2006 hatten wir 125.000 Schülerinnen und Schüler – also 35.000 Schülerinnen und Schüler weniger –, dafür aber fast 5.400 Lehrerinnen und Lehrer. Es sind also rund 1.000 Lehrerinnen und Lehrer mehr als zu Ihrer Zeit bei 35.000 Schülerinnen und Schülern weniger.