Protokoll der Sitzung vom 30.05.2006

Rheinland-Pfalz wird deshalb weiterhin auf der Basis von Studienkonten ein gebührenfreies Erststudium anbieten. Wir werden zugleich – anders als viele CDUgeführte Länder – unser Angebot an Studienplätzen schrittweise ausbauen.

(Beifall der SPD)

Wir halten es aber für notwendig, dass für die Finanzierung des Studienplatzes dasjenige Land aufkommt, aus dem die Studierenden kommen, nicht dasjenige, das Studienplätze zur Verfügung stellt. Diese von Herrn Kollegen Professor Dr. Zöllner auf den Weg gebrachten Rahmenbedingungen sind zeitgemäß für einen qualitätssteigernden Wettbewerb. Sollten aber andere ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nicht gerecht werden, müssen wir – dies sage ich deutlich – die Studiengebührenfreiheit im Grundsatz auf Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer beschränken, um die Arbeitsfähigkeit an unseren Hochschulen auch zukünftig zu gewährleisten.

(Beifall der SPD)

Verehrte Damen und Herren Abgeordnete, unser Programm „Wissen schafft Zukunft“ hat in der gesamten rheinland-pfälzischen Hochschul- und Forschungslandschaft einen enormen Schub ausgelöst. Es ist ein zentraler Faktor für die Dynamik des Landes. Die Katalysatorwirkung wollen wir noch verstärken. Deshalb setzen wir dieses Programm nicht nur fort, sondern stocken es ab dem Jahr 2008 um 50 % auf dann jeweils jährlich 37,5 Millionen Euro auf.

(Beifall der SPD)

Lassen Sie mich in diesem Kontext noch ein Wort zur Föderalismusreform und ihren Auswirkungen auf den Hochschulbau sagen, weil immer wieder – wie ich meine irreal – Befürchtungen geäußert werden. Die Landesregierung – dies versichere ich Ihnen mit allem Nachdruck – wird den Hochschulbau auch nach dem Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau in gleicher Größenordnung wie bisher fortführen, das heißt, mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 330 Millionen Euro!

(Beifall der SPD)

Durch eine Novelle des Hochschulgesetzes werden wir unseren Hochschulen noch mehr Freiheit und Eigenverantwortung geben. So stärken wir ihre nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Dies geschieht auch durch die Einführung des Globalhaushalts an allen Hochschulen. Weiterhin werden wir ein Flächenmanagement einführen, bei dem wir die Ergebnis- und Kostenverantwortung für die Nutzung von Gebäuden den Hochschulen übertragen. Das wirtschaftliche Eigentum geht auf den Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung über.

Verehrte Damen und Herren, in einer älter werdenden Gesellschaft und einer sich immer rascher wandelnden Arbeitswelt wollen wir dafür sorgen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, sich während ihres ganzen Lebens weiterzubilden und neue Qualifikationen zu erwerben. Wir werden deshalb den Einsatz von Weiterbildungskonten – analog zu den Studienkonten – prüfen. Mit der Einführung eines systematischen Qualitätsmanagements, einer nachfrageorientierten Finanzierung und der besseren Verzahnung mit anderen Bildungsbereichen werden wir einen deutlichen Qualitätsschub in der Weiterbildung erreichen.

(Beifall der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können es uns nicht länger leisten, die Potenziale unserer Zuwanderinnen und Zuwanderer und ihrer Kinder zu vernachlässigen! In keiner anderen entwickelten Industrienation haben Kinder aus Zuwandererfamilien schlechtere Chancen beim Zugang zur Bildung und zum Arbeitsmarkt als in Deutschland! Auch hier wollen und werden wir vorangehen. Dabei geht es uns nicht um wie auch immer geartete Gesinnungstests, sondern wir wollen vernünftige Angebote machen, die echte Integration ermöglichen!

(Beifall der SPD)

Zur besseren Koordination werden wir eine weitgehende Bündelung aller Aktivitäten rund um das Themenfeld „Integration“ im Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit bei Frau Kollegin Dreyer vornehmen.

Zentral ist für uns die Sprachförderung, für Kinder und Jugendliche, aber auch für deren Eltern und Großeltern. Wir haben geregelt, dass Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, vor der Einschulung an einer Überprüfung zur Feststellung des Sprachförderbedarfs teilnehmen und eine entsprechende Förderung erhalten.

Wir werden den Fokus noch mehr auf die Verbesserung der schulischen und beruflichen Bildungschancen von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien legen. Verstärkt wollen wir Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund dafür gewinnen auszubilden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gerechte Verteilung von Zukunftschancen ist eng verknüpft mit der Herstellung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Frauenpolitik findet deshalb bei uns nicht am Rande statt, sondern in der Mitte aller Politikfelder!

Leitmotiv unserer Politik ist dabei, die konkrete Lebenssituation von Frauen zu verbessern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Die Einführung von Vollen Halbtagsschulen, der Ausbau von Ganztagsschulen und das Programm „Zukunftschance Kinder“ haben dazu beigetragen, dass Frauen in RheinlandPfalz heute gleichberechtigter und mit besseren Chancen ihren Weg gehen können.

(Beifall der SPD)

Dennoch bleibt einiges zu tun: Wir wollen das Berufswahlspektrum junger Frauen und Männer erweitern.

Trotz aller Fortschritte ist der Frauenanteil in Führungsfunktionen und Gremien zu gering. Dies zu ändern, darauf wollen wir unsere Anstrengungen in den nächsten Jahren konzentrieren. Wir werden im öffentlichen Dienst mit gutem Beispiel vorangehen!

Gewalt gegen Frauen und Gewalt in engen sozialen Beziehungen müssen bekämpft werden. Die engagierten Träger der Notrufe, Frauenhäuser und Interventionsstellen leisten hier eine wichtige Aufgabe, die wir weiter unterstützen.

(Beifall der SPD)

Die Frage der Gleichberechtigung ist eng verknüpft mit der Frage, wie sich Familien heutzutage organisieren, wie sie ihr Zusammenleben gestalten. Wir erleben derzeit einen Wettbewerb um die besten Konzepte in der Familienpolitik, und das ist gut so. Nur wenn wir Familien ein gesichertes und planbares Leben ermöglichen, kann unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft und der Demografie annehmen.

Für uns war und ist dabei entscheidend: Familie ist da, wo Kinder sind und sich Menschen für ihre Angehörigen einsetzen. Alle Maßnahmen haben sich deshalb in erster Linie am Wohl und den Chancen der Kinder zu orientieren. An oberster Stelle steht für uns die Bekämpfung der Armut von Kindern und Jugendlichen.

Lassen Sie mich hier ein persönliches Wort hinzufügen: Meine Damen und Herren, es ist ein Skandal, wenn in unserer reichen Gesellschaft auch in unserem Land Rheinland-Pfalz Kinder an Schulen vom Mittagessen abgemeldet werden, weil man das Geld nicht aufbringt! Das werden wir ändern.

(Starker Beifall der SPD)

Wir werden deshalb zum Schuljahresbeginn in diesem Jahr einen Fonds – ausgestattet mit 1 Million Euro – auflegen, um diesen Kindern diesen Zugang zu dieser Teilhabe am Mittagessen – das ist mehr als nur Ernährung, das ist auch Teilhabe an der Gemeinschaft einer Schule – zu ermöglichen. Das wollen wir uns leisten, und wir werden es uns leisten, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall der SPD)

Wir werden möglichst flächendeckend so genannte „Häuser für Familien“ einrichten. Dort werden Familienberatung, Nachbarschaftshilfe und andere familiennahe Dienstleistungen gebündelt. Besondere Aufmerksamkeit wollen wir Familien in schwierigen Lebenslagen schenken.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Fälle von Vernachlässigung und Misshandlungen von Kindern wollen wir die Verbindlichkeit bei den Vorsorgeuntersuchungen steigern. Vorsorgeuntersuchungen bleiben weiter freiwillig, aber wir wollen durch die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Gesundheitshilfe frühzeitig Schwierigkeiten erkennen und Eltern mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten zur Vorsorge ermutigen. Ein solches „Frühwarnsystem“ entspricht unserem Verständnis

von einem vorsorgenden Sozialstaat. Wir wollen nicht bevormunden, sondern überzeugen und als Partner dazu beitragen, dass Menschen ihr Leben in die eigene Hand nehmen.

(Starker Beifall der SPD)

Verehrte Damen und Herren, in der Gesundheitspolitik gilt für uns: Der Zugang zu medizinischer Versorgung und ihre Qualität dürfen weder vom Geldbeutel noch vom Wohnort abhängen!

Wir wollen, dass die gute haus- und fachärztliche Versorgung flächendeckend im ganzen Land erhalten bleibt. Auch die Krankenhäuser werden wir in der Fläche erhalten. Das gemeindepsychiatrische Krankenhausangebot werden wir durch gemeindeorientierte Hilfen ergänzen und die ambulante Nachsorge im Umfeld der psychiatrischen Kliniken intensivieren.

Es ist Ziel der Landesregierung, die Rahmenbedingungen für Pflege so zu gestalten, dass pflegebedürftige Menschen längstmöglich zu Hause leben können. Neben den klassischen Angeboten der ambulanten und stationären Pflege wird es künftig darum gehen, neue Formen des Wohnens für pflegebedürftige Menschen zu schaffen und quartiernahe Betreuungskonzepte zu realisieren.

Wir sind uns gewiss: Das Sterben gehört zum Leben und seiner Würde, und deshalb bin ich ganz besonders dankbar dafür, dass es ein ausgeprägtes Engagement in und für die Hospizbewegung in Rheinland-Pfalz gibt. Gerade die Hospize leben von Erfahrung und vom ehrenamtlichen Engagement. Sie sind die Garantie dafür, dass immer mehr Menschen dort würdig die letzte Phase ihres Lebens verbringen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass die Hospizangebote in Zukunft noch enger mit den Palliative-Care-Diensten der Krankenhäuser und der niedergelassenen Ärzteschaft zusammenarbeiten und letztlich regionale Palliative-Care-Teams bilden. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde gilt auch in den letzten Stunden des Lebens. Sie – diese Anstrengung – ist unsere Antwort auf die Diskussion um aktive Sterbehilfe.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weiterentwickeln wollen und müssen wir die Organisationsstrukturen des Mainzer Universitätsklinikums. Fachleute zählen die Klinik zu den besten in Deutschland. Damit dies so bleibt, werden wir Reformen mit dem Ziel größerer betriebswirtschaftlicher Effizienz einleiten.

Die bisherigen Bemühungen des Klinikums um die notwendigen Verbesserungen der betriebswirtschaftlichen Effizienz in der Krankenversorgung reichen vor dem Hintergrund der Umbrüche im deutschen Gesundheitswesen nicht aus. Die Organisationsstruktur des Klinikums muss daher verändert werden, um die Handlungsmöglichkeiten der kaufmännischen Leitung zu stärken. In diesem Zusammenhang werden wir alternativ

auch eine Kooperation mit privaten Betreibern prüfen. Ich will aber klarstellen: In jedem Fall werden wir den maßgeblichen Einfluss des Landes auf die Kernbereiche des Universitätsklinikums sicherstellen. Eine Privatisierung nach hessischem Modell kommt für uns nicht infrage!

(Starker Beifall der SPD)

Verehrte Damen und Herren, unsere Umweltpolitik schützt die Lebensgrundlagen und gibt Impulse für Lebensqualität, Innovation und Beschäftigung. Wir werden in den Hochwasserschutz bis zum Jahr 2011 weitere 340 Millionen Euro investieren. Wir halten am 200jährlichen Hochwasserschutz für den Oberrhein fest. Frau Kollegin Conrad hat mir versichert, dass wir es bis 2012 schaffen, alle geplanten Polder einsatzbereit zu haben und die Ertüchtigung der Rheinhauptdeiche abgeschlossen zu haben.

Mit örtlichen Hochwasserschutzmaßnahmen – zum Beispiel am Mittelrhein und im Einzugsbereich von Mosel und Nahe, auch an anderen Flüssen – wollen wir Sicherheit für die Menschen auch dort schaffen, wo keine durchgehenden Deichsysteme möglich sind. Im Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ werden wir die Investitionen für den Hochwasserschutz und für die Renaturierung mit Maßnahmen der Stadt- und Dorferneuerung, des Naturschutzes und der Tourismusinfrastruktur verbinden und somit auch einen Beitrag für eine positive Entwicklung des Welterbes leisten.

Im Verständnis dieser Landesregierung ist es richtig, die Wasserversorgung zu den zentralen Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge zu zählen. Ihre Privatisierung lehnen wir deshalb ab.

(Beifall der SPD)

In der Abfallwirtschaft fördern wir den Aufbau eines regionalen Stoffstrommanagements, um Ressourcen aus der Region für die Region zu nutzen.

Der Verbraucherschutz wird von uns deutlich gestärkt und die wesentlichen Kompetenzen im Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz gebündelt. Wir wollen die Verbraucherkompetenz durch Information und unabhängige Beratung stärken. Deshalb werden wir die Verbraucherzentralen auf hohem Niveau weiter fördern. Den Verbraucherdialog werden wir zur festen Einrichtung machen.

Um die Vielfalt der Arten und die Schönheit unserer Naturlandschaften zu erhalten, werden wir die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landnutzern weiter ausbauen. Unser Grundsatz ist: Naturschutz durch Nutzung. In diesem Sinn werden wir den Wald gleichermaßen als Naturraum, als Erholungsraum für die Menschen sowie auch als Wirtschaftsfaktor erhalten und nutzen.