Meine Damen und Herren, im Folgenden wird die allgemeine Wirtschaftspolitik im Zentrum stehen. Zu den tragenden Säulen der rheinland-pfälzischen Wirtschaftspolitik gehören ohne Zweifel auch die Landwirtschaft und der Weinbau. Wesentliche Perspektiven der Wirtschaftspolitik liegen in agrarwirtschaftlichen Branchen, auf die ich zum Teil noch zu sprechen komme. Aber der vielfältige Agrarbereich wäre unzureichend abgedeckt, würde man ihn nur als Teil der Wirtschaftspolitik sehen. Deshalb werde ich aufgrund seiner Besonderheiten und seiner Bedeutung für unser Land im kommenden Jahr eine gesonderte Regierungserklärung abgeben. Ähnliches gilt für den Bereich der Außenwirtschaft. Sie alle wissen, Rheinland-Pfalz ist ein exportstarkes Land. Die vielfältigen außenwirtschaftlichen Perspektiven werden an anderer Stelle separat dargestellt werden müssen.
Meine Damen und Herren, „Menschen prägen Wirtschaft“ – das gilt insbesondere im Mittelstand. In Rheinland-Pfalz haben mehr als 98 % der Unternehmen weniger als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind ein Land des Mittelstands und bleiben es.
Es ist uns in Rheinland-Pfalz gelungen, eine ausgesprochene Gründerdynamik zu entfalten. Wir sind ein Land der Selbstständigen.
Auf 1.000 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer kommen knapp 43 Unternehmen. Hier liegt RheinlandPfalz bundesweit auf Platz 3.
Dazu hat unsere Politik für Existenzgründer einen Beitrag geleistet. In diesem Zusammenhang nenne ich die aktuelle Gründeroffensive „Starten mit 50+“.
Meine Damen und Herren, entscheidend für die Erfolge des rheinland-pfälzischen Mittelstands ist neben seiner Innovationsfähigkeit vor allen Dingen seine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Der stetige Wandel des wirtschaftlichen Umfelds verlangt häufig einen neuen Kurs. Unsere vielen kleinen Boote finden ihn viel schneller als so mancher große Dampfer.
Das ist gut für die Beschäftigungsentwicklung in Rheinland-Pfalz. Beides, die im Bundesländervergleich sehr günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die Tatsache, dass Rheinland-Pfalz ein Land mit einer geringen Beschäftigungsschwelle ist, verdanken wir der Flexibilität unserer Unternehmerinnen und Unternehmer und der Flexibilität der Beschäftigten insbesondere in unseren mittelständischen Unternehmen.
Nicht umsonst heißt es in einer Untersuchung von Mitarbeitern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „Kleinere und mittelgroße Betriebe wachsen, während Großbetriebe im Durchschnitt Beschäftigung abbauen. In dieser Hinsicht hat Rheinland-Pfalz eine sehr günstige Struktur.“
Meine Damen und Herren, der Mittelstand ist nicht nur beschäftigungsfreundlich, sondern er bietet auch viel Raum für ein menschliches Klima in unseren Unterneh
men. Die Beschäftigten sind nicht nur Kostenstellen. Deren Wissen und Engagement sind nicht einfach nur das Humankapital des Unternehmens. Für viele Beschäftigte ist ihr Beitrag zum Erfolg des Unternehmens unmittelbar sichtbar. Ich habe in meinen vielen Unternehmensbesuchen erfahren: Im rheinland-pfälzischen Mittelstand gibt es eine ausgeprägte Kultur des Miteinanders. Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird diese Kultur des Miteinanders fördern, wo es in ihrer Macht steht.
Das bedeutet für mich: Die Wirtschaftspolitik muss an den großen Herausforderungen des Mittelstandes ansetzen. Es geht beispielsweise darum, den Zugang zu Krediten zu erleichtern und die Eigenkapitalbasis zu stärken. Diese Landesregierung hat hier bereits neue Akzente gesetzt. Unter anderem wurde von uns ein landesspezifisches Modell zur Mitarbeiterbeteiligung initiiert. Das Ziel der Mitarbeiterbindung – darauf komme ich noch zu sprechen – verknüpfen wir mit einer Verbesserung der Eigenkapitalbasis.
Ein weiteres Beispiel für einen neuen Akzent ist das Programm „Bürgschaft Express“, über das Unternehmen in Rheinland-Pfalz mit guter Bonität innerhalb sehr kurzer Zeit eine bankmäßige Sicherheit zu attraktiven Konditionen erhalten.
Wir entwickeln die rheinland-pfälzische Förderpolitik gezielt weiter. Wir werden mit EU-Mitteln zwei neue Kapitalfonds ins Leben rufen. Der „Zukunftsfonds KMU“ für kleine und mittlere Unternehmen dient der Verbesserung der Eigenkapitalbasis mittelständischer Unternehmen. Der „Innovationsfonds“ zielt auf einen verbesserten Zugang zu Kapital für technologieorientierte Unternehmen. Insgesamt wollen wir für beide Fonds ein Volumen von 72 Millionen Euro in den nächsten Jahren erreichen.
Ich will mit den genannten Maßnahmen dazu beitragen, dass in Rheinland-Pfalz die Verwirklichung kreativer Ideen nicht an fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten scheitert.
Zu den neuen Akzenten unserer Mittelstandspolitik gehört auch, dass wir die Zugangsschwelle für Kleinst- und Kleinunternehmen zu unseren Förderprogrammen erleichtern. Ein erster Teilschritt ist die Verringerung der Mindestvolumina bei der Neufassung der Verwaltungsvorschrift für die Gemeinschaftsaufgabe Wirtschaftsförderung.
Dies ist übrigens auf Anregung des Mittelstandslotsen erfolgt, den ich kurz nach meinem Amtsantritt berufen habe. Günther Knödler hat diese Tätigkeit ehrenamtlich übernommen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Seit dem 1. September 2006 sind an den Mittelstandslotsen schon – das ist der Stand von heute Morgen – 113 Fälle herangetragen worden. In etwa 90 % der Fälle konnte der Mittelstandslotse zu einem positiven Ausgang für die Unternehmen beitragen. Das zeigt, der Mittelstandslotse hat sich schnell im rheinland
pfälzischen Mittelstand etabliert. Meine Damen und Herren, es war eine richtige Entscheidung, das Amt des Mittelstandslotsen ins Leben zu rufen.
Zu unternehmensfreundlichen – insbesondere mittelstandsfreundlichen – Rahmenbedingungen gehört aber auch die Entlastung der Unternehmen von Bürokratiekosten. Die Landesregierung hat in dieser Hinsicht schon viel auf den Weg gebracht. Ich nenne zum Beispiel die Verkürzung von Genehmigungsverfahren, den Abbau von Statistikverpflichtungen und die Neuorganisation der Landesverwaltung. Außerdem verweise ich auf die bundesweit geringste Anzahl an Verwaltungsvorschriften.
In diesem Sinne haben wir für Existenzgründerinnen und Existenzgründer gemeinsam mit dem Innenministerium die Möglichkeit geschaffen, Gewerbe direkt in einem der Starterzentren der Industrie- und Handelskammern und künftig auch der Handwerkskammern anzumelden. Das ist bundesweit einmalig.
Entsprechend wird es auch in Zukunft beim Bürokratieabbau weniger darauf ankommen, das materielle Recht zu ändern, sondern im bestehenden Recht die Verfahren noch weiter zu verkürzen.
Bürokratieabbau darf kein Deckmantel dafür sein, um die gewachsenen und etablierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in unseren Unternehmen zu zerstören. Wir wollen und werden deshalb Verfahren beschleunigen, ohne dabei in die fundamentalen Rechte der Beschäftigten einzugreifen.
Meine Damen und Herren, die mittelständische Struktur in Rheinland-Pfalz erhalten und stärken, zu diesem ersten zentralen wirtschaftspolitischen Handlungsfeld gehört eine gute Verkehrspolitik, so, wie wir sie in Rheinland-Pfalz betreiben. Sie nutzt ganz unmittelbar den Menschen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie den Unternehmen. Wir wollen, dass dies so bleibt.
Allein in diesem Jahr werden wir für den Bau von Landesstraßen rund 100 Millionen Euro und somit über 5 % mehr als im Vorjahr einsetzen. Am Ende der Legislaturperiode wird man sagen können: Bei den vom Land zu verantwortenden Mittel wurde noch nie so viel in die Verkehrsinfrastruktur investiert wie in dieser Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, Arbeitsplätze sind nicht einfach hier oder da vorhanden, und es ist nicht so, dass man auf diese einfach die Menschen verteilen kann. Arbeitsplätze entstehen, weil Menschen vor Ort sind und mit ihren spezifischen Fähigkeiten eine wettbewerbsfähige Produktion erst möglich machen.
Das weltweit mobile Kapital fließt dorthin, wo es im Zusammenspiel mit den Fachkräften gewinnträchtig angelegt werden kann. Meine Damen und Herren, ohne Fachkräfte gibt es deshalb kein Kapital und ohne Fachkräfte auch keine zukunftsfähige Entwicklung. Auch diese zentrale ökonomische Einsicht zeigt: Menschen prägen Wirtschaft.
Daraus folgt: Fachkräfte gewinnen und binden ist für die rheinland-pfälzischen Unternehmen eine zentrale Zukunftsherausforderung. Dabei deutet „Zukunftsaufgabe“ nicht darauf hin, dass wir uns erst in der Zukunft damit beschäftigen brauchen. Nein, wir müssen heute damit beginnen, die Rahmenbedingungen so zu setzen, damit auch weiter zukunftsfähige Arbeitsplätze bei uns im Land entstehen und Fachkräfte das Land RheinlandPfalz als attraktiven Lebens- und Arbeitsstandort erfahren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber auch betonen, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, sind originäre Aufgaben der Unternehmen selbst. Hier denke ich beispielsweise an die Ausbildung des eigenen Nachwuchses und die notwendige ständige Fort- und Weiterbildung.
Die Politik kann und will bei diesen wichtigen Aufgaben nicht an die Stelle der Unternehmen treten. Gleichwohl werden wir sie bei dieser Aufgabe unterstützen. Ein Beispiel hierfür ist der ovale Tisch. Hier werden im Dialog Maßnahmen zugunsten junger Menschen entwickelt und abgestimmt. Ich nenne als Beispiel das innovative Konzept der Verbundausbildung.
Insgesamt gilt: In Rheinland-Pfalz wird großer Wert auf die berufliche Aus- und Weiterbildung gelegt. In den Berufsbildungszentren der Handwerkskammern und der Industrie- und Handelskammern erlangen die Auszubildenden die Kenntnisse, die ihnen in kleinen Ausbildungsbetrieben nur schwer vermittelt werden können.
Über die berufliche Ausbildung hinaus nimmt die Bedeutung der beruflichen Weiterbildung weiter zu. In diesem Bereich sind wir alle gefordert. Wir werden unserer Verantwortung in diesem Bereich gerecht werden und weitere Initiativen entfalten.
Das Ziel lautet dabei: „Qualifizieren, um auf Qualität zu setzen!“ – Qualifizierte Menschen sind der Garant für hochwertige Güter und Dienstleistungen.
Meine Damen und Herren, „Qualifizieren, um auf Qualität zu setzen!“ – zu dieser Politik gehört mein klares Bekenntnis zum Meisterbrief.
Eine weitere flankierende Maßnahme zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften ist unser landesspezifisches Mitarbeiterbeteiligungsmodell. Dieses Modell ist nicht nur ein Beitrag zur besseren Eigenkapitalausstattung. Es ist auch ein ganz konkreter Beitrag dazu, Fachkräfte an ihr Unternehmen zu binden.
Meine Damen und Herren, das Mitarbeiterbeteiligungsmodell ist ein Beispiel dafür, wie sich unsere Wirtschaftspolitik an den Anforderungen der Unternehmen orientiert und gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Auge hat.
Meine Damen und Herren, die besondere Qualität der Mitarbeiterbindung im Mittelstand zeigt, wie wichtig zunehmend die weichen Standortfaktoren sind. Intakte Kulturlandschaften, gute Bildungs- und Sozialstrukturen und die Möglichkeit, eigene Lebensentwürfe verwirklichen zu können, sind ganz entscheidende Pluspunkte für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz.
Ein entscheidender Faktor ist heute die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die ausgewogene Balance zwischen Berufsleben und Familie ist zentral, wenn wir den wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen erfolgreich begegnen wollen.
Gerade mittelständische Unternehmen haben beste Voraussetzungen, ihr Profil durch eine familienbewusste Personalpolitik zu schärfen. Dies wird sich für sie auch betriebswirtschaftlich rechnen, und zwar im Wettbewerb um Fachkräfte und zur Bindung und Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In Zusammenarbeit mit dem Arbeits- und Familienministerium haben wir damit begonnen, die Unternehmen in einer Reihe von Veranstaltungen für dieses Thema weiter zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, ihren betrieblichen Alltag familienorientiert auszurichten.
Auch das, was meine Kollegin Doris Ahnen durch beitragsfreie Kindergartenplätze und dem Gesamtprogramm auf den Weg gebracht hat, macht unser Land für Fachkräfte attraktiver.