Protokoll der Sitzung vom 30.08.2007

Vor nicht allzu langer Zeit hat Lars Hoelgaard, der stellvertretende Generaldirektor der Europäischen Kommission, bei seinem Besuch behauptet, die Aufregung sei übertrieben. Wenn man so etwas hört, kann man über eine solche Aussage nur wütend werden. Hierfür gibt es vielerlei Gründe.

Der erste Grund – Herr Eymael hatte ihn genannt – ist die totale Ignoranz gegenüber allen Vorschlägen des Rates der bedeutenden Weinbauregionen auf das erste Papier aus dem vergangenen Jahr.

Wenn ich mir den ganzen Konsultationsprozess vor Augen führe – der Rat, die Mitgliedstaaten, die Weinbauregionen und die gesamte Weinwirtschaft waren befasst –, war das für mich im Nachhinein eine schlichte Farce; denn die Ergebnisse sind nirgendwo ersichtlich und nachlesbar. Sie sind einfach nicht eingearbeitet worden.

Alle Bemühungen von rheinland-pfälzischer Seite, die extrem hoch und für alle Weinbauländer in Deutschland federführend waren, haben bei EU-Kommissarin Frau Fischer Boel überhaupt nichts genutzt. Sie ließ sich nicht eines Besseren belehren. Auch die Realität unseres Weinbaus konnte ihr nicht näher gebracht werden. Es war nicht möglich, ihr klarzumachen, dass den Winzerinnen und Winzern Schaden zugefügt wird und unsere Kulturlandschaft kaputt geht, wenn ihren Vorschlägen gefolgt wird. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass sie aus Dänemark kommt und mehr von Milch und weniger von Wein versteht.

Herr Minister Hering, Sie haben überhaupt nichts unversucht gelassen, unsere Position deutlich zu machen. Sie haben viele Verbündete gesucht, ob in Deutschland oder in Europa. Sie haben in Brüssel Gespräche geführt und unseren Standpunkt klar und präzise erläutert.

Alles wurde von der Kommission ignoriert. Das ist für mich ein echter Skandal, weil dies nicht demokratischen Gepflogenheiten entspricht. Das macht aber deutlich, dass Brüssel ein völlig anderes Weinverständnis als die Winzerinnen und Winzer und die Weinwirtschaft in Europa hat.

Versprochen hatte Frau Fischer Boel eine sinnvollere marktorientierte Verwendung des EU-Weinbudgets. Die Realität sieht im Moment anders aus.

Herr Eymael, Sie haben vieles deutlich gemacht. Ich will es noch einmal ein bisschen verstärken. Statt der angekündigten Abschaffung des Interventionssystems gibt es jetzt ein neues Kleidchen – so will ich es einmal nennen – für diesen unsinnigen Geldfluss, nämlich die grüne Ernte.

Die südeuropäischen Winzer sollen statt Destillationsbeihilfen nun Geld dafür bekommen, dass sie die zuviel produzierten Trauben nicht zu Wein verarbeiten, sondern vernichten, zum Beispiel unterpflügen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Eben

falls nicht nachvollziehbar ist der Vorschlag, bis zum Jahr 2010 über eine Milliarde Euro für die Rodung von Rebflächen auszugeben.

Dann kommt der umgekehrte Irrsinn. Gleichzeitig soll 2013 der Anbaustopp aufgehoben werden. Das bedeutet, dass derjenige, der heute Geld für das Herausreißen von Reben erhält, morgen mit diesem Geld an gleicher Stelle wieder Reben anpflanzen kann, und zwar auch in Lagen, die bisher nicht für den Weinbau genutzt wurden. Das muss man sich einmal in Rheinland-Pfalz in der Rheinebene vorstellen. Dafür gibt man vielleicht die guten Lagen an der Mosel, der Nahe und der Ahr auf. Das heißt, unsere Steillagen würden kaputtgehen.

Meine Damen und Herren, so geht der Irrsinn weiter. Ich will es einfach einmal so bezeichnen. Die Kommission hat die Idee, in die Tradition der Weinbereitungsverfahren einzugreifen. Ich denke, es ist wichtig, nicht nur einzugreifen, sondern auch zu sagen, sie haben dann die Entscheidungskompetenz und sind quasi die Verantwortlichen und nicht mehr, wie es bisher war, OIV und der Rat. Ich denke, das ist ein Grund zu sagen: Leute, lasst die Finger davon!

Herr Eymael, Sie haben deutlich gemacht, dass die Einführung von Alkoholhöchstgrenzen überhaupt nicht nachvollziehbar ist; denn alle anderen weinbautreibenden Nationen brauchen das nicht.

(Glocke des Präsidenten)

In Europa hätten wir das aber plötzlich. Das ist kompletter Unsinn und entspricht nicht dem, was eigentlich ursprünglich von der Kommission gewollt war, nämlich unseren Weinbau im Gegensatz zu den anderen weinbautreibenden Nationen auf dieser Welt zu stärken.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Licht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Baumann und Herr Eymael, ich bin Ihnen beiden für Ihre Ausführungen dankbar und – ich bin fast sicher – auch Ihnen, Herr Minister, für das, was Sie gleich sagen werden. Das ist ungewöhnlich.

Dieser Punkt eignet sich nicht für einen Parteienstreit. In diesem Punkt waren wir bisher gemeinsam unterwegs. Deshalb gilt es, nichts zu wiederholen oder neu anzusprechen, was die beiden Vorredner bereits richtig gesagt haben. Wir – das ist auch außergewöhnlich – befinden uns mit unserem Landesparlament auch im Einklang mit dem Europäischen Parlament. Das ist ein seltener und ungewöhnlicher Vorgang.

Es wird umso mehr deutlich, was sich eine Kommission in Europa eigentlich leistet.

Meine Damen und Herren, ich will einen Punkt, der von den beiden Vorrednern nicht angesprochen wurde, noch

einmal herausnehmen und Sie bitten, in diesem Zusammenhang den Auftrag zu vergeben, in Ihrem Ministerium das, was es zu diesem Punkt schon gibt, zusammenzutragen, Herr Minister.

Es geht um CO2- und Produktbilanzen. Das wird auch ein Thema im Weinbau werden. Das ist noch nicht so bekannt.

Ich habe von dem vor kurzem in Australien stattfgefundenen Kongress einiges gehört, auf dem dieses Thema in besonderer Weise im Mittelpunkt stand. Große Fachzeitschriften und Journalisten fragen bei Unternehmen nach, wie diese Produktbilanz im Weinbau aussieht.

Diese Produktbilanz vor dem Hintergrund des rektifizierten Traubenmostkonzentrats angewendet, der mit hohem Energieaufwand erst einmal erzeugt und dann bei uns verarbeitet werden muss, geht mit Problemen einher. Insofern könnte man in diesem Punkt die Brüsseler mit ihren eigenen Waffen schlagen.

Dies stellt eine Facette dar, die uns interessieren muss. Herr Minister, ich denke, Sie werden diesen Punkt in unser aller Sinne aufgreifen.

Rheinland-Pfalz – das ist gestern Abend deutlich geworden – hat eine Federführung. Wir sind das weinbautreibende Bundesland. In diesem Punkt hat auch der Minister eine Federführung für die Bundesrepublik in der Bundesrepublik Deutschland.

Auch das ist ein wichtiger Satz, warum wir uns überhaupt nicht in Nuancen auseinanderdividieren dürfen. Es würde uns in unseren Anstrengungen nur Schaden zufügen. Das ist Kleinkrieg.

Es gibt Punkte, bei denen wir oder Sie vielleicht etwas anders handeln würden, könnten oder sollten. Das darf nicht im Vordergrund stehen. Ich sage es ausdrücklich, auch im Sinne der Winzer, die an uns alle, nicht an irgendeine Partei, die Anforderungen stellen, gemeinsam gegen Brüssel, gegen das, was dort vorliegt, gegen das, was eigentlich wider den Verstand läuft, vorzugehen.

Wer aus der Branche kommt, weiß das zu bewerten, was Frau Baumann und Herr Eymael in ihren Statements gesagt haben, was wichtig zu betonen ist.

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Minister, ich bitte Sie, auch das mitzunehmen. Sie haben den Ausschuss der Regionen angesprochen. Ich weiß, dass in diesem Zusammenhang der Nationalstaat Luxemburg eine besondere Rolle spielt, wenn wir auch unsere Möglichkeiten im Interparlamentarischen Rat nutzen, dort eine Empfehlung auszusprechen. Ich würde Sie bitten, in unserem Sinne einen Vorschlag auszuarbeiten, uns zu beteiligen, die Opposition zu beteiligen.

Wir sind an Ihrer Seite. Es gibt in dieser Frage in Rheinland-Pfalz keine Opposition. Wir haben ein Ziel, das ist, die Existenz unserer Winzer auf Dauer zu sichern.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Hering.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorgehensweise der Europäischen Kommission bezüglich des Entwurfs für eine neue Weinmarktordnung hat dem europäischen Gedanken massiv geschadet.

Man ist im Juli letzten Jahres angetreten und hat sehr breit aufgefordert, sich am Dialogprozess zu beteiligen, hat kommuniziert, welche große Chancen darin liegen, dass Regionen sich positionieren, ihre Vorschläge unterbreiten und die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen, wie künftig eine Weinmarktordnung in Europa gestaltet wird.

Diese Aufforderung haben viele wahrgenommen. Wir haben sie in Rheinland-Pfalz intensiv mit verschiedenen Veranstaltungen und Initiativen wahrgenommen. Auch in anderen europäischen Regionen ist Ähnliches geschehen.

Das Europäische Parlament hat sich mit über 500 Anträgen zu dieser Frage auseinandergesetzt und sich viel Mühe gegeben, eine durchdachte zielführende Stellungnahme abzugeben. Was hat die Europäische Kommission getan? Sie hat all dies ignoriert, hat genau das formuliert, was man schon im Juli des letzten Jahres vorhatte.

Das ist verantwortungslos, rücksichtslos und schadet nicht nur der Weinwirtschaft, sondern auch dem europäischen Gedanken eines Europas der Regionen.

(Beifall der SPD und des Abg. Licht, CDU)

Deshalb habe ich auch viel Sympathien dafür gehabt, dass man Initiativen ergriffen und im Ministerrat am 16. Juli unterstützt hat zu sagen, dieser Entwurf sollte komplett zurückgewiesen werden. Dafür gab es noch keine Mehrheiten, weil Portugal und andere Staaten das abgewiesen haben und zunächst eine Diskussion haben wollten.

Wir müssen alles daransetzen, dass dieser Entwurf nicht umgesetzt werden kann.

(Beifall des Abg. Eymael, FDP)

Er hätte gravierende Schäden für die Weinwirtschaft in unserem Land.

Herr Eymael, ich stimme Ihnen zu, mit das Gravierendste ist die Einschränkung der Anreicherungsspanne von 3,5 % auf 2 %. Das bedeutet für Sorten wie Portugieser, Dornfelder, Silvaner und viele andere, dass für Anbauflächen – wir reden von 20.000 Hektar – gegebenenfalls eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Nutzung nicht mehr möglich wäre. Das kann dazu führen, dass 10.000 Arbeitsplätze im Ergebnis gefährdet wären.

Unverantwortlich ist es insbesondere auch deswegen, weil am massivsten die Regionen in Europa beschädigt würden, die sich marktgerecht verhalten haben, die durch eine klare Qualitätsstrategie dafür gesorgt haben, dass kein Überschuss produziert wird, und die betriebswirtschaftlich nachvollziehbare nachhaltige Konzepte auf den Weg gebracht haben.

(Beifall der SPD und des Abg. Eymael, FDP)

Verheerend ist auch, dass unser Qualitätsweinsystem infrage steht, wenn man diesen Entwurf konsequent durchdacht anwendet und die Lagenbezeichnung künftig nicht mehr möglich sein wird.

Anstrengungen unglaublichen Ausmaßes von vielen Betrieben, die ein besonderes Profil herausbilden wollen, in der Direktvermarktung enorme Erfolge mit einem hoch qualitativen Wein erzielt haben, die mit speziellen Herkunfts- und Lagenbezeichnungen dem Wein ein besonderes Profil geben, würden zerstört werden, weil man in Europa seitens der Kommission keine Rücksicht auf den Gedanken der Regionen nimmt und sich nicht bewusst wird, dass Wein immer ein Produkt der jeweiligen Region ist und so besonders behandelt werden muss.

Herr Licht, ich will gern Ihre Idee aufgreifen, den Gedanken der CO2-Bilanz einzuspeisen, und aufzeigen wie nachhaltig dieser Vorschlag ist, der dort unterbreitet wird. Ich glaube, das ist auch ein wichtiges Argument für unsere Position.