Protokoll der Sitzung vom 30.08.2007

Meine Damen und Herren, was müsste geschehen, und welche Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch? Das sind zwei Anträge der CDU und der SPD, die beide – mir läuft die Zeit davon, um detaillierter damit umzugehen – versuchen, die kleinen Krücken, die die Landespolitik hat, durch andere Krücken in der Hoffnung zu ergänzen und zu ersetzen, dass man mit diesen kleinen Mitteln dieses große Problem wird lösen können. Man wird mit diesen Mitteln zwangsläufig scheitern müssen, wenn man es nicht schafft, auf Bundesebene eine Gesundheitspolitik zu machen, mit der man die Attraktivität dieses Berufsstands tatsächlich wieder gewinnt.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, es ist ein Stück Heuchelei auch in Richtung unserer gesundheitspolitischen Freunde von der CDU zu behaupten, in Berlin ist alles in Ordnung, und glauben zu machen, in Rheinland-Pfalz das lösen zu können, was in Berlin in der großen Gesundheitspolitik verbockt wurde.

(Beifall der FDP)

Weil das so ist,

(Glocke der Präsidentin)

verzichten wir zu diesem Zeitpunkt auf einen Antrag, der ebenfalls nichts bewirken könnte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Ich begrüße als Gäste Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt Kreis Altenkirchen und die Jugend- und AuszubildendenVertretung der Kreisverwaltung Bad Kreuznach. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Abgeordneter Frau Ebli das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr gehrten Damen und Herren! Ich würde gern auf Herrn Dr. Schmitz eingehen, der in seinen letzten Worten der CDU vorwirft, sie versuche, in Rheinland-Pfalz alles madig zu machen, und sage, bei der Bundesregierung wäre alles in Ordnung. Herr Dr. Schmitz macht Ausführungen ohne Vorschläge, weil die FDP weder hier noch in Berlin in der Verantwortung steht. Das ist eine leichte Position.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP: Buh!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Grunde genommen können wir die gleiche Debatte führen, wie wir sie, lieber Herr Creutzmann, bereits im April geführt haben, außer dass wir aufgrund der Großen Anfrage der FDP das schwarz auf weiß haben, was wir eigentlich auch schon im April wussten. Ich könnte mich den Ausführungen meiner Kollegin Grosse, die im April dazu gesprochen hat, nahtlos anschließen und bräuchte überhaupt nichts zu ergänzen; denn es gibt keine neuen Erkenntnisse.

Herr Dr. Schmitz, wir haben in unserem Land eine gute Versorgung. Wir haben eine gute Versorgungsstruktur von Ärztinnen und Ärzten. Die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte ist in den letzten Jahren im ambulanten Bereich kontinuierlich angestiegen. Von 1979 – ich gebe zu, das ist bis heute eine lange Zeitspanne – hat sich die Anzahl der niedergelassenen Ärzte bis zum heutigen Zeitpunkt verdoppelt.

Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz, das ist so.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Immerhin findet man in 344 von 392 Bereichen eine Überversorgung vor. Das heißt, der Versorgungsgrad der Regionen liegt über 100 % und ist von daher für junge Ärztinnen und Ärzte, die sich niederlassen wollen, gesperrt. Nach aktuellen Berichten sind sogar weitere in letzter Zeit dazugekommen. In 22 Bereichen liegt der Versorgungsgrad zwischen 100 und 110. Hier gibt es auch keinen Versorgungsnotstand.

Wann sprechen wir von einem Versorgungsnotstand? Sie sind darauf eingegangen. Die Kassenärztliche Vereinigung spricht von einem Versorgungsnotstand, wenn die Versorgung unter 75 % fällt.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Den haben wir in keinem Versorgungsgebiet in Rheinland-Pfalz. Das ist Fakt.

(Beifall der SPD)

Wäre ich Ärztin und das Thema „Ärzteversorgung“ würde angesprochen, würde ich aus heutiger Sicht sagen, wir sind gut aufgestellt, aber damit es so bleibt, müssen wir präventiv etwas tun. Wir müssen Vorsorge betreiben. Das machen das Land und unsere Ministerin zusammen mit der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, wir verkennen nicht die demografische Entwicklung, vor allem auch nicht vor dem Hintergrund – auch Herr Dr. Schmitz ist darauf eingegangen –, dass niederlassungswillige Ärzte und Ärztinnen aufgrund der Weiterbildungsanforderungen schon 40 Jahre oder 42 Jahre alt sind. Das ist relativ alt.

Wir müssen etwas tun, dass sich das ändert, damit die Ärzte und Ärztinnen wesentlich jünger sind. Wir meinen, die Weiterbildungsverordnung müsste komprimierter werden. Wir müssen andere Formen der Weiterbildung finden, damit niederlassungswillige Ärzte und Ärztinnen die Chance erhalten, sich früher niederzulassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nur am Rand darauf hinweisen, dass nicht die Landesregierung für die ärztliche Versorgung zuständig ist. Das sind ausschließlich die Kassenärztlichen Vereinigungen im Land Rheinland-Pfalz. Ich sage das nur, falls jemand auf die Idee kommt – Herr Dr. Schmitz ist bereits auf die Idee gekommen –, die Schuld dem Land oder der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben. Das ist, ohne Vorschläge zu machen und ohne Finanzierungsmodelle zu nennen, ganz leicht.

Meine Damen und Herren, der Arztberuf ist ein schöner, interessanter und verantwortungsvoller Beruf, der aber auch den Medizinern und Medizinerinnen viel abverlangt, und zwar sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Er ist alles andere als familienfreundlich. Das wissen wir. Nacht- und Wochenenddienste tragen ihr Übriges dazu bei. Finanziell attraktiv ist er nur für einige wenige. Das müssen wir ändern.

Wir sind Frau Ministerin Dreyer und der Landesregierung ausdrücklich dafür dankbar, dass sie früh kommende Probleme in diesen Bereichen gesehen und mit Partnerinnen und Partnern Strategien entwickelt haben, um die Attraktivität des Arztberufs zu steigern.

Einige der Vorschläge haben bereits Eingang in das am 1. Januar in Kraft getretene Vertragsarztänderungsgesetz gefunden, ebenso wie unsere Landesregierung immer wieder ihren bundespolitischen Einfluss nutzt, um frühzeitig eventuell doch auftretenden Versorgungslücken begegnen zu können.

So ist die weitgehende Liberalisierung des Vertragsarztänderungsgesetzes ein Beispiel des Erfolges des bundespolitischen Einflusses. Meine Damen und Herren, dies verbessert die Anstellungsmöglichkeiten von Ärztinnen und Ärzten, insbesondere in ambulanten Praxen.

(Beifall der SPD)

Dies hilft, Landarztpraxen mit hohem Patientenanteil zu entlasten. Es eröffnet Möglichkeiten, zwei Praxen zu eröffnen, in Teilzeit sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zu arbeiten und dient natürlich – was wir wollen – der Vernetzung zwischen ambulant und stationär.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich gerade von der Familienunfreundlichkeit dieses Arztberufes gesprochen habe, so kann gerade diese Liberalisierung zur Umkehr, zur Familienfreundlichkeit in diesem Beruf für rückkehrwillige Eltern beitragen. Das kommt ganz besonders Frauen und Alleinerziehenden in diesem Bereich zugute.

Wir meinen, dass dies eine wichtige Entscheidung bei den Strategien zur Steigerung der Attraktivität des Arztberufes war.

Als großen Erfolg werte ich auch die Entscheidung, künftig zwei Praxen zuzulassen. Das habe ich schon ausgeführt. Das hilft ganz besonders in dünn besiedelten Regionen im ländlichen Raum; denn fast nur dort stellt sich das Problem einer ärztlichen Unterversorgung.

Es ist schon eine Überlegung, wenn sich ein Arzt oder eine Ärztin niederlassen will, wohin man geht. Es gilt zu beachten, wie der Patientenzug ist. Es handelt sich um riesige Investitionen, und sie haben eine große Verantwortung gegenüber ihrer Investition, aber auch dem Personal gegenüber, das sie brauchen.

Soviel ich weiß, sprechen wir von unterversorgten Regionen bei rund 410 oder 415, bei denen es Nachfolgeprobleme gibt. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die jetzt schon eröffneten Möglichkeiten bald zur besseren Versorgung in diesen Regionen beitragen werden.

Wenn ein Mediziner oder eine Medizinerin sich erst mit 55 Jahren entscheiden möchte, sich niederzulassen, so ist dies auch möglich. Bisher war es einem Mediziner oder einer Medizinerin, der oder die älter war als 55, nicht erlaubt, sich niederzulassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weitere Erfolge – obwohl das Gesetz erst seit dem 1. Januar in Kraft ist – sehen wir schon darin, dass sich bereits jetzt 26 Ärzte entschieden haben, ambulant in Teilzeit tätig zu werden, 17 als Hausärztinnen und -ärzte. Das ist eine richtig erfreuliche Entwicklung, vor allem auch deswegen, weil wir feststellen, dass diese Teilzeitbeschäftigung nicht in großen Städten stattfindet, sondern außerhalb von Ballungsgebieten.

Dass zu den bisher genannten Veränderungen zur Attraktivitätssteigerung des Arztberufes auch die monetäre Anerkennung folgen muss, ist selbstredend. Sie wissen, dass ab 2009 die ärztlichen Leistungen mit festen Preisen aus einer Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Die Ärzteschaft spricht von einer Erhöhung der Kalkulierbarkeit der Honorare. Das ist nicht mehr als gerecht. Das Mobilitätsrisiko tragen künftig die Krankenkassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt noch einige Stellschrauben, an denen es sich lohnt zu drehen, um den Beruf attraktiver zu machen, aber auch, um die

Versorgung der Menschen in unserem Land, im stationären und ambulanten Bereich, zu gewährleisten. Wir dürfen nie vergessen, um wen es eigentlich geht. Wir dürfen die Menschen bei aller Diskussion und Anerkennung des Arztberufes nicht vergessen.

(Beifall der SPD)

Der gesamte Gesundheitsbereich bzw. die gesamte Gesundheitswirtschaft wird sich verändern. Wir werden mehr Studentinnen und Studenten brauchen; denn es wird auch zunehmend interessante Aufgaben außerhalb des kurativen Bereichs geben.

Es ist uns aber auch wichtig, darauf einzuwirken, dass das Studium früh einen Praxis- bzw. einen praktischen Bezug bekommt. Gegebenenfalls könnte sich sogar eine Differenzierung und Ausweitung des Medizinstudiums ergeben. Sehr geehrte Frau Ministerin Ahnen, diese Überlegungen würden wir gern der Kultusministerkonferenz ans Herz legen. In unserem Antrag haben wir entsprechende Forderungen aufgestellt.

Abschließend möchte ich festhalten, ein kurzfristiger Ärztemangel ist in unserem Land nicht zu befürchten; dennoch ist es aus unserer Verantwortung für die Menschen in unserem Land richtig und wichtig, neue Wege zu erschließen, damit dies in Zukunft auch so bleibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank.

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Enders.