Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

(Beifall bei der CDU)

Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass nicht das Prinzip Verlässlichkeit, sondern Beliebigkeit greift.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Folgen des Unterrichtsausfalls sind fatal. Das wird auch den Kolle

gen Pörksen interessieren. Die PISA-Studie hat belegt, dass wir ein besseres Bildungssystem brauchen. Rheinland-Pfalz rutscht in der Disziplin „Lesen“ vom 4. auf den 6. Platz ab, in den „Naturwissenschaften“ vom 5. auf den 8. Platz, in „Mathematik“ vom 6. auf den 10. Platz. Rheinland-Pfalz ist damit Mittelmaß geblieben, im Vergleich zu anderen Bundesländern jedoch sogar zurückgefallen, weil insbesondere die bisherigen PISASchlusslichter Bremen, Brandenburg und Sachsen– Anhalt deutlich aufgeholt haben.

Sie, Herr Beck, möchten ja gern noch erleben, dass Rheinland-Pfalz Bayern überholt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Bayern war schon bei der ersten PISA-Studie Erster, hat diese Spitzenposition noch weiter ausgebaut und gehört im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften zu den Top 5 der Welt.

Auch bei der Lesekompetenz belegt Bayern mit Platz 6 einen internationalen Spitzenrang.

Bayern – das müsste Ihnen zu denken geben – hat ein gegliedertes Schulsystem.

(Beifall der CDU)

Die Bildungsbilanz unseres Landes weist fast 10 % Jugendliche aus – das müsste der verantwortlichen Landesregierung peinlich sein –, die ohne Abschluss von der Schule abgehen. Damit geraten sie unweigerlich direkt in die Arbeitslosigkeit und in die soziale Ausgrenzung.

Die Bedeutung einer guten Bildung für die Lebenschancen der Kinder und Jugendlichen für Sie, Herr Ministerpräsident – im vergangenen Monat auf dem Kongress zum SPD-Grundsatzprogramm von Ihnen dargelegt –, haben Sie uns gezeigt. Dort haben Sie gesagt – ich zitiere –: „Deshalb haben wir uns vorgenommen, den Weg zu einer Bildungsgesellschaft, zum lebenslangen Lernen und zu einem fairen Zugang zu den Bildungschancen in den Mittelpunkt unserer Bemühungen als Sozialdemokratie zu stellen.“

Anscheinend hören diese guten Vorsätze im eigenen Land bei der Finanzierung auf. Sie sehen, ich kontrolliere Sie und werde Sie beim Wort nehmen.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD)

Wir brauchen nämlich in Rheinland-Pfalz keine ideologische Schulstrukturdebatte auf dem Rücken unserer Kinder und Lehrer. Das in unserem Land gewachsene und bewährte gegliederte Schulsystem liquidieren zu wollen, ist geradezu widersinnig, weil völlig anachronistisch, und zwar deshalb, weil – um es einmal Neudeutsch zu formulieren – diese bildungspolitische Debatte längst out ist.

(Beifall der CDU)

Ich wiederhole es extra noch einmal, die Überlegenheit des gegliederten Schulsystems – vergleichen Sie es mit Bayern – ist evident, und dies schon seit vielen Jahren.

Eine große Anzahl von Untersuchungen hat dies immer wieder neu belegt. Nicht von ungefähr schneiden bei den Schulvergleichsuntersuchungen wie PISA die südlichen Bundesländer mit einem durchgehend differenzierteren gegliederten Schulsystem weit besser ab als die Länder mit einem stärker ausgeprägten Gesamtschulsystem. (Beifall bei der CDU)

Dies wurde gerade wieder durch die jüngste Vergleichsstudie DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen Inter- national) eindrucksvoll bestätigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich es deutlich formulieren. Das von Ihnen avisierte sukzessive Ersetzen von Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen durch Gesamtschulen bedeutet zum einen eine Abschaffung der Wahlfreiheit für die Eltern, ihre Kinder auf die Schule ihrer Wahl zu schicken.

(Zurufe von der SPD)

Aber Wahlfreiheit war schon immer der Feind ideologischer Borniertheit.

(Zurufe von der SPD: O je!)

Apropos Gymnasien: Dass auch Sie endlich zur Einsicht gelangt sind, die Erlangung des Abiturs nach zwölf Jahren zu erwägen, ist nur zu begrüßen. Es hat allerdings zu lange gedauert und schon wieder einen Haken: Es gilt nämlich nur für die Ganztagsschulen. Oder steckt hier nur Ihre Absicht dahinter, die Schülerzahl dort künstlich zu erhöhen? Das müssen Sie mir einmal beantworten. (Beifall der CDU)

Zum anderen schafft die Abschaffung der Wahlfreiheit Gleichmacherei statt begabungsgerechter Leistungsanreize für Schülerinnen und Schüler. Daran ändert auch der Ausbau der Eliteschulen – weil nur für Wenige gedacht – nichts.

Insbesondere bedeutet es weniger Chancengerechtigkeit für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten sowie schlechtere Lernbedingungen bei leistungsschwächeren und leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern.

In diesem Zusammenhang ist interessant, an das „ZEIT“-Interview der früheren SPD Schulministerin Gabriele Behler im Mai 2005 zu erinnern: „So war die deutsche Bildungspolitik in allen Lagern mangels empirischer Fundierungen lange Zeit eine Bildungspolitik im Blindflug, geprägt durch Mythen und Romantizismen“.

Herr Beck, ich schlage vor, dass Sie in einer Ihrer wenigen verbleibenden freien Stunden dieses Fazit noch einmal auf sich wirken lassen, um dann endgültig das Kaptitel Gesamtschule zu schließen.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns jetzt vielmehr darum kümmern, was in der Schule entscheidend ist, nämlich der Unterricht. Wir müssen uns darum kümmern, dass Schüler mit ihren unterschiedlichen Begabungen ihr Talent zum Erfolg bringen. Die Talente sind unterschiedlich, und die Lernwege sind es auch. Jedes Talent will entdeckt und ausgeschöpft sein. Wir müssen diese Talente entdecken und zutage fördern, was auf den verschiedenen Ebenen in ihnen schlummert. Dies bedeutet, dass die Lehrerinnen und Lehrer eine große Verantwortung haben, Begabungen treffsicher zu erkennen und zu fördern.

Meine Damen und Herren, was den Ausbau der Ganztagsschulen anbelangt, so liegt Rheinland-Pfalz gemäß einer aktuellen Länderstatistik der Kultusministerkonferenz bei den Schlusslichtern.

(Zuruf von der SPD)

Diese Statistik zeigt erneut, dass es nicht nur ausreicht, eine Ganztagsschule nach der anderen aufzumachen, vielmehr muss durch eine seriöse Umsetzung ein wirklich attraktives Angebot für die Schülerinnen und Schüler ermöglicht werden.

(Beifall der CDU)

Hier lautet das Gebot der Stunde wieder einmal Verlässlichkeit eines qualifizierten Angebots anstatt Quantität und Beliebigkeit.

Wir von der CDU erwarten von der Landesregierung, dass sie die Statistik der Kultusministerkonferenz zum Anlass nimmt, ein attraktives Ganztagsangebot anzubieten; denn es spricht Bände, wenn der Zuspruch zum Ganztagsschulangebot entgegen Ihrer Ausführungen gestern nach kurzer Zeit wieder abbröckelt und die Schülerinnen und Schüler bald wieder abspringen. Wenn wir aber von Qualität an Schulen sprechen, dann sind das in erster Linie die Lehrerinnen und Lehrer, die für eine gute Qualität im Unterricht sorgen müssen. Ich bin sehr dafür, hier die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer beim Prozess der Qualitätsentwicklung mitzunehmen und sie nicht durch von oben oktroyierte und bürokratische Regelungen vor den Kopf stoßen.

Die bei der Einrichtung der Agentur für Qualitätssicherung gezeigte Bastamentalität ist vielleicht der erste Vorbote einer Selbstherrlichkeit der neuen Landesregierung, die wenig Gutes für das politische Klima erahnen lässt. Zur Qualitätssicherung der Leistungen an Schulen gehört zweifellos die Schüler-Lehrer-Relation. Hier bildet Rheinland-Pfalz das absolute Schlusslicht im Vergleich aller Bundesländer. Ich nenne Beispiele: Auf eine Lehrkraft kommen so viele Schüler: Sekundarstufe I ohne Gymnasien 17,7 Schüler – letzter Platz, Sekundarstufe I an Gymnasien 19,6 Schüler – letzter Platz, berufsbildende Schulen 41,6 Schüler – letzter Platz.

Unsere bildungspolitische Maxime lautet: RheinlandPfalz muss Bildungsland Nummer 1 werden.

(Zuruf des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Daher darf kein Unterricht mehr ausfallen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Stellen Sie sich hinter die Lehrerinnen und Lehrer. Lassen Sie diese nicht im Stich.

(Beifall der CDU)

Herr Beck, garantieren Sie auch, dass die Schüler überhaupt unterrichtet werden? Dabei wird der Ansatz, die Grundschulen auch in der Fläche zu erhalten, mit Ihren Worten „kurze Beine, kurze Wege“ von uns unterstützt. Die Übernahme dieses Konzepts von der hessischen Kultusministerin Karin Wolff zeigt gerade, dass auch Sie lernfähig sind, Herr Beck, und sich guten Unionskonzeptionen nicht verschließen.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens und das Vertrauen in den Staat erleben die Schüler mitunter das erste Mal in der eigenen Schulzeit. Hier ist es nicht nur für die Zukunftschancen der Schüler wichtig, sondern auch für ihr grundlegendes Verständnis des Gemeinwesens, dass sie nicht das Gefühl haben, dass ihr Schicksal der Politik egal ist.

Wenn Unterricht monatelang ausfällt, der Putz von der Decke bröckelt und kein Geld mehr für elementare Unterrichtsmaterialen vorhanden ist, schrumpft das Vertrauen der Schüler in den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Politik. Gerade das Vertrauen unserer Schüler, im Übrigen auch dasjenige der Eltern und Lehrer, schwindet dann, wenn wir uns die Lernsituationen in hiesigen Brennpunktschulen anschauen. Hier gibt es Klassen mit einem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dies gefährdet den Lernerfolg aller Schüler und zeigt die Ineffizienz von staatlichem Mitteleinsatz. Beispielhaft nenne ich hier die Goethe-Hauptschule in Mainz, Ausländeranteil 80 %, maximal nur ansatzweise Deutschkenntnisse, hohe Kriminalitätsrate.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das ist unglaublich!)

Dazu gehört die permanente Überforderung der Lehrer.