Meine Damen und Herren, auch Ihre Auslegung, dass es nur ein weiteres Angebot sei, zieht nicht. Es gebe auch in anderen Bereichen unterschiedliche Angebote wie zum Beispiel im Bereich der Sprachen. Meine Söhne haben auch unterschiedliche Sprachwahlen getroffen. Darum geht es aber in diesem Fall nicht. Vorwiegend geht es um die Lebenszeit junger Menschen. Das ist etwas ganz anderes. Das kann man mit den Fächerangeboten überhaupt nicht vergleichen. Wer so argumentiert, der streut den Menschen Sand in die Augen.
An welchen Standorten zukünftig die besseren Möglichkeiten bestehen, an ein G-8-Gymnasium zu kommen, dürfte auch klar sein. Wenn es heißt, dass in der Nähe noch die Möglichkeit zum Besuch eines G-9Gymnasiums bestehen muss, dann liegt es auf der Hand, dass diese Voraussetzungen im stärker strukturierten städtischen Bereich eher gegeben sind und leichter erfüllt werden können. Somit wird auch im bildungspolitischen Bereich der ländliche Raum das Nachsehen haben.
Frau Ministerin, auch Ihr Argument, das Ganze langsam anzugehen, zieht nicht. Zunächst einmal gibt es genügend Erfahrungen mit Schulzeitverkürzungen. In diesem Zusammenhang erwähne ich ausdrücklich BEGYS. BEGYS richtet sich zwar an die besonders begabten Schüler, führt aber nicht nach acht Jahren, sondern schon nach siebeneinhalb Jahren zum Abschluss. Wir sprechen hier hingegen aber von einem G-8Gymnasium.
Wenn Sie Einzelprobleme anderer Bundesländer ansprechen, dann hätte ich erwartet, dass diese Probleme in Ihrem Konzept angesprochen und umgesetzt werden.
Ihr weiteres Argument ist noch viel entlarvender. Wenn Sie sagen, dass Sie das Ganze langsam angehen wollen, weil Sie daraus lernen wollen, dann ist das doch ein deutliches Zeichen dafür, dass Sie von Ihrem eigenen Konzept gar nicht so recht überzeugt sind, Fehler darin enthalten sind und nachgebessert werden muss. Hierzu kann ich nur sagen: Entweder man legt ein überzeugendes Konzept für alle vor oder man lässt es bleiben.
Mit dieser Einstellung jedenfalls machen Sie deutlich, dass Sie die Schülerinnen und Schüler der ersten Jahre in einen undurchdachten Murks schicken.
Es gibt weitere handwerkliche Fehler. Ich erwähne sie noch einmal ganz kurz: Einmal die Verdichtung des Unterrichtsstoffs. Das ist genau das, was Sie als das Problem der anderen Länder ansehen. Wir seitens der CDU-Fraktion haben vorgeschlagen, die Einsparung im Zeitraum von fünf Jahren vorzunehmen. Das möchten Sie aber nicht. Sie möchten es innerhalb von drei Jahren tun. Deshalb wundere ich mich nicht über Ihre Argumentation, dass ein so kurzer Zeitraum problematisch ist. Meines Erachtens gibt es aber einen besseren Weg, nämlich unseren.
Genauso zeigt sich die Sache mit den fehlenden Unterstützungsangeboten. Wenn Sie es mit der Durchlässigkeit ernst meinen, dann müssen Sie den Schülerinnen und Schülern, die von anderen Schulen kommen und auf die Oberstufe wechseln, auch Unterstützungsangebote und Hilfe geben. Diese Unterstützungsangebote finden sich in diesem Konzept jedoch nicht.
Die Lernzeit ist nicht in der Oberstufe enthalten. Sie sollten Ihr eigenes Konzept vielleicht noch einmal richtig durchlesen. (Beifall bei der CDU)
Auch inhaltlich trägt Ihr Konzept dazu bei, dass wir künftig Gymnasien erster und zweiter Klasse haben werden. Es wird zusätzliche Lernzeiten geben, aber nicht in der Oberstufe. Gleiches gilt für die Unterrichtsgarantie an G8-Gymnasien. Das heißt, alle anderen können zusehen, wo sie bleiben. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Bei einem temporären Unterrichtsausfall an einem G-9Gymnasium ist es möglich, dass noch weniger Unterricht als an einem G-8-Gymnasium erteilt wird, aber die Schüler ein Jahr länger in der Schule bleiben. So viel zum Thema „Verantwortung für die Lebenszeit junger Menschen“.
Herr Fuhr, Sie haben gesagt, wir würden ausgrenzen. Wenn ich gesagt habe, dass es verschiedene Wege zum Abitur gibt, dann verstehe ich genau das unter Durchlässigkeit. Wir haben die Möglichkeit, dass junge Menschen nach acht Jahren zum Abitur gelangen. Wir haben aber auch nach wie vor die Möglichkeit, dass junge Menschen über die Realschule und auch über die Hauptschule zum Abitur gelangen. Es kann jeder zum Abitur gelangen. Insofern ist überhaupt keine Ausgrenzung gegeben. Dafür braucht man aber keine ZweiKlassen-Gesellschaft am Gymnasium.
Noch eine kurze Anmerkung zu den übrigen Teilen des Gesetzentwurfs. Insbesondere die Sicherstellung der Schülerbeförderung beim Besuch einer dualen Oberschule ist folgerichtig und findet grundsätzlich unsere Zustimmung. Leider gibt es den Gesetzentwurf aber nur im Gesamtpaket.
Was das G-8-Gymnasium anbelangt, sagen wir deutlich, dass wir kein unfertiges Stückwerk haben wollen. Wir wollen keine Reformbremse haben. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Frau Ministerin, in der Schule würde man folgendermaßen urteilen: Sie haben ein tolles Thema von der CDUFraktion als Vorlage bekommen. Zu dem, was Sie daraus gemacht haben, muss man aber sagen: Umsetzung mangelhaft.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach ausführlicher Diskussion dieses Gesetzentwurfs im Rahmen der vergangenen Plenarsitzung sowie im Ausschuss für Bildung und Jugend konnten die erheblichen Bedenken der FDP-Fraktion an dem Weg, den die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf einschlägt, leider nicht ausgeräumt werden. Dennoch möchte ich kurz auf die Gemeinsamkeiten eingehen, bevor ich diese Bedenken deutlich mache.
Die FDP-Fraktion spricht sich nach wie vor ausdrücklich für die Umsetzung des G-8-Gymnasiums und damit für die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren in Rheinland-Pfalz aus. Wir wollen gerechte Chancen für die rheinland-pfälzischen Abiturientinnen und Abiturienten. Wir wollen vergleichbare Rahmenbedingungen und Standards für unsere Schülerinnen und Schüler im föderalen Wettbewerb der Bundesländer. Wir möchten auch, dass unsere jungen Menschen nach dem Abitur die Möglichkeit haben, bundesweit direkt ein Studium aufzunehmen, was nach zwölfeinhalb Jahren zumeist nur in Rheinland-Pfalz möglich ist.
Wir sind auch der Meinung, dass die Einführung des G8-Gymnasiums nicht nur die reine Schulzeitverkürzung und damit die Komprimierung des derzeitigen Lernstoffs in der Mittelstufe beinhalten darf. Wir meinen, dass auf der Basis der von der Kultusministerkonferenz vereinbarten Bildungsstandards eine solche Reform auch eine inhaltliche, eine pädagogische und damit eine qualitative Form sein muss, die die Studierfähigkeit sichert.
Wir möchten den Erwerb von Kernkompetenzen und Inhalten dabei in den Mittelpunkt gestellt sehen und darüber hinaus den Gymnasien in unserem Land die größtmögliche Freiheit lassen, ihre gymnasiale Tradition mit einer neuen Lehr- und Lernkultur zu verbinden, hin zu mehr eigenständigem Lernen, zu einer neuen
Rhythmisierung des Unterrichts, die Mehrerwerb von Methodenkompetenz und neben qualifiziertem fachbezogenen auch fächerverbindenden Projektunterricht und mehr Möglichkeiten zum Entwickeln von Begabungen, zum Fördern und Fordern beinhaltet.
Meine Damen und Herren, eigentlich liegen in einer solchen Reform, wenn man sie beherzt angeht, unserer Meinung nach auch sehr große Chancen. Natürlich sehen auch wir, dass diese Chancen nicht in allen Bundesländern, die schon in der Umsetzung des G-8-Gymnasiums begriffen sind, optimal genutzt werden.
An dem Weg der Landesregierung, in dieser Legislaturperiode 15 G-8-Gymnasien mit verpflichtender Ganztagsschule in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz zu errichten, kritisieren wir vor allem eines: Er widerspricht zutiefst dem Prinzip der Chancengerechtigkeit.
Für uns alle sollte an oberster Stelle stehen, erst einmal faire und gerechte Lernbedingungen im föderalen Vergleich und damit zunächst einmal in unserem eigenen Bundesland herzustellen. Mit 15 G-8-Gymnasien bei über 140 Gymnasien insgesamt in einem ländlich strukturierten Flächenland sorgen Sie weder für faire Chancen noch zeigen Sie eine wirkliche Perspektive für unsere Gymnasiallandschaft im föderalen Wettbewerb auf.
Ich kann noch einmal wiederholen, was Frau Kollegin Beilstein angesprochen hat, weil es einfach so ist: Wann man in Rheinland-Pfalz das Abitur ablegt, wird künftig mehr denn je davon abhängen, wo man zufällig wohnt,
ob dort jeweils das Abitur nach elfeinhalb Jahren im BEGYS-Zweig, nach zwölf Jahren im G-8-Gymnasium oder nach zwölfeinhalb Jahren im traditionell geführten Gymnasium angeboten wird.
An dieser Stelle können uns weder Herr Kollege Fuhr noch die Landesregierung weismachen, dass das hier vorgesehene G-8-Gymnasium ein Angebot für alle Schülerinnen und Schüler ist, das nur unterschiedlichen Begabungen und Lerngeschwindigkeiten gerecht werden soll.
Für den Großteil der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in Rheinland-Pfalz werden in unserem Flächenland keine Auswahlmöglichkeiten anhand der eigenen Begabung zur Verfügung stehen.
Genau aus dieser Argumentation heraus fordern wir beispielsweise die lang gewünschten Internate an den Hochbegabtenschulen. Lang kann man darauf warten.
Die Schülerinnen und Schüler müssen das Angebot wahrnehmen, das wohnortnah vorhanden ist, und haben keine Möglichkeit, auf die Dauer ihrer gymnasialen Schulzeit Einfluss zu nehmen.
Auch die verpflichtende Ganztagsschule in Verbindung mit dem G-8-Gymnasium schafft eben nicht, wie die Landesregierung behauptet, gleiche Chancen, sondern sie verschärft zusätzlich die Chancenungerechtigkeit.
Da Sie davon ausgehen, dass das Abitur in zwölf Jahren von den rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schülern nur dann erreicht werden kann, wenn sie zusätzlich umfangreichen Förderunterricht erhalten – nichts anderes ist das ja –, legen Sie bei einem G-8Ganztagsgymnasium nicht einfach nur die von der Kultusministerkonferenz vorgegebenen Stunden in vollem Umfang um, sondern Sie verpflichten Schülerinnen und Schüler des G-8-Gymnasiums zusätzlich zu einer Teilnahme an einem umfangreichen Förderstundenangebot, das insgesamt zu einer gänzlich neuen Qualität und einem gänzlich neuen Umfang gymnasialer Bildung an den 15 ausgewählten Standorten führen wird.
Das ist zutiefst ungerecht für diejenigen, die an ihrem Wohnort keine Chance haben, diesen zusätzlichen gymnasialen Unterricht zu erhalten.
Es wird vielleicht sogar von denjenigen als ungerecht empfunden, die künftig nur noch ein verpflichtendes Ganztagsgymnasium in ihrer ländlichen Region vorfinden und keine Möglichkeit mehr haben werden, ihre Talente und Fähigkeiten an anderen Lernorten außerhalb der Schule zu entwickeln.