Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

........................................................................................................................... 1920, 1940 Abg. Bracht, CDU:....................................................................................................................................... 1942 Abg. Hartloff, SPD:.................................................................................................................. 1926, 1939, 1941 Abg. Mertin, FDP:.............................................................................................................................. 1932, 1940 Abg. Schneiders, CDU:................................................................................................................................ 1938 Beck, Ministerpräsident:.............................................................................................................................. 1935 Bruch, Minister des Innern und für Sport:.................................................................................................... 1917 Dr. Bamberger, Minister der Justiz:............................................................................................................. 1918 Präsident Mertes:.............................................................................1917, 1918, 1920, 1926, 1932, 1935, 1938 Vizepräsident Schnabel:...................................................................................... 1939, 1940, 1941, 1942, 1943

32. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 8. November 2007

Die Sitzung wird um 9:29 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zur 32. Plenarsitzung herzlich willkommen heißen.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Kathrin Anklam-Trapp und Ralf Seekatz. Die Rednerliste führt Frau Kathrin Anklam-Trapp.

Gibt es Anmerkungen zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Die Tagesordnung ist so festgestellt.

Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf:

Politische Verantwortung des Ministerpräsidenten für Verfassungsverstoß und Vetternwirtschaft Antrag der Abgeordneten Christian Baldauf, Anke Beilstein, Michael Billen, Christoph Böhr, Hans-Josef Bracht und 33 weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU gemäß Artikel 83 Abs. 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz i. V. m. § 21 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 15/1630 –

Wir haben im Ältestenrat eine Redezeit von 45 Minuten festgelegt, ohne dass wir die Mittel und Möglichkeiten der Geschäftsordnung deshalb schon als ausgeschöpft ansehen. Weitere Punkte liegen nicht vor.

Die Landesregierung hat sich zu Wort gemeldet, Herr Staatsminister Bruch hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Erklärung zum Sachverhalt, aber auch zu dem Auftrag und zu der Sache selbst abgeben.

Zum Sachverhalt: Am 12. Mai 2006 fand in meinem Büro ein Gespräch mit den beiden Inhabern der Firma Quadrolux statt. Einer der Firmeninhaber war der damalige Lebensgefährte und heutige Ehemann meiner Tochter.

Die Firmeninhaber waren meinem Haus aus früheren Projekten im Bereich der Konversion bekannt und hatten sich dabei einen sehr guten Ruf erworben. An dem Gespräch nahmen auch Mitarbeiter der Pressestelle und der zuständigen Fachabteilung teil.

Die beiden Inhaber der Firma Quadrolux haben – wie es zur Akquisition von Aufträgen nicht ungewöhnlich ist – aus eigenem Antrieb ein Konzept für einen Imagefilm

über die Konversion erarbeitet. Das Kreativkonzept der beiden jungen Leute verfolgte einen völlig neuen und modernen Ansatz, nämlich das Thema „Konversion“ aus der Perspektive der Betroffenen darzustellen und eine Geschichte zu erzählen.

Alle Gesprächsteilnehmer waren von dieser Idee und dem gewählten Ansatz begeistert. Ich war davon überzeugt und bin es noch heute, dass wir genau diesen Weg einschlagen müssen, um die Vermarktung unserer Konversionsprojekte professionell zu begleiten.

Die Fachabteilung hat dann weitere Gespräche mit der Firma bis zur Abgabe eines konkreten Angebots geführt. Ich habe mich von Anfang an gefragt, ob die Nähe eines der jungen Firmeninhaber zu meiner Tochter und damit auch zu mir problematisch sein könnte. Ich habe es damals aber als ungerecht empfunden, den beiden jungen Unternehmern deshalb keine Chance zu geben.

Zu dem Auftragsvolumen und dem „Gewinn“ der Firma Quadrolux: In der öffentlichen Diskussion wird der Eindruck erweckt, der Firma Quadrolux sei ein Betrag in Höhe von 180.000 Euro zugeflossen und der Vergleich zu einem Reihenhaus gezogen. Nach der uns seit wenigen Tagen vorliegenden internen Abschlusskalkulation der Firma sind bei der Erstellung des Films aber über 70 % der Zahlungen für Leistungen an Dritte und Materialkosten abgeflossen. Diese Beträge sind also nicht in der Firma verblieben. Ich will damit auch zum Schutz der Firma die genannten Beträge in die richtige Relation bringen.

Zur vergaberechtlichen Bewertung: Die Vergabe des Auftrags über die Filmproduktion an die Firma Quadrolux war rechtlich einwandfrei. Da es sich um eine freiberufliche, künstlerische Tätigkeit unterhalb des damals einschlägigen EU-Schwellenwertes von 200.000 Euro netto handelte, unterlag die Vergabe des Auftrags nicht den speziellen vergaberechtlichen Bestimmungen.

Zu beachten war selbstverständlich allgemeines Haushaltsrecht, insbesondere § 55 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung. Nach dieser zentralen Vorschrift kann eine Ausschreibung unterbleiben, wenn die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen.

Nach der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ kann dabei davon ausgegangen werden, dass dieser Ausnahmetatbestand bei freiberuflichen Leistungen in der Regel erfüllt ist. Dementsprechend wurde die Vergabe des Auftrags an die Firma Quadrolux nach rechtlicher Prüfung durch die zuständige Fachabteilung als zulässig angesehen.

Nach der genannten Verwaltungsvorschrift sind Aufträge – ich zitiere –, „soweit Leistungen an freiberuflich Tätige vergeben werden, an solche Freiberufler zu vergeben, deren Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit feststeht, die über ausreichende Erfahrungen verfügen und die Gewähr für eine wirtschaftliche Planung und Ausführung bieten.“

Im Hinblick auf die überaus positiven Erfahrungen bei den bereits genannten Voraufträgen waren all diese Kriterien eindeutig erfüllt.

Zu den im Innenausschuss am 30. Oktober 2007 aufgeworfenen Fragen: Ich habe in der vergangenen Woche den Innenausschuss des Hohen Hauses von mir aus über den wesentlichen Sachverhalt informiert. Es wurde die Frage an mich gerichtet, warum mein Haus keinen Ideenwettbewerb veranstaltet oder zumindest Vergleichsangebote eingeholt habe.

Dazu ist zu sagen, dass uns, wie ausgeführt, eine Konzeption vorgelegt wurde, die mich und die Fachabteilung uneingeschränkt überzeugt und begeistert hat. Ein Ideenwettbewerb war daher nicht angezeigt.

Bei der Einholung von Vergleichsangeboten hätte die detailliert vorgestellte Idee offengelegt werden müssen. Dies wäre im Hinblick auf das geistige Eigentum der Urheber sehr problematisch gewesen.

Ich erinnere an dieser Stelle auch noch einmal daran, dass der Konversionsfilm in der Endausscheidung des Wettbewerbs der besten fünf deutschen Wirtschaftsfilme steht. Wir diskutieren also über einen Film aus und über Rheinland-Pfalz, der demnächst die Chance auf eine bundesweite Prämierung hat.

Ich komme zu meiner persönlichen politischen Bewertung des Vorgangs. Man kann immer sagen, hinterher ist man schlauer. Dass meine damalige Bewertung klug überlegt war, verneine ich heute.

Die Nähe zu mir falsch bedacht zu haben, bedaure ich, dafür entschuldige ich mich. Ich stand vor der Frage: Realisieren wir für dieses Land ein hervorragendes Konzept, oder verzichten wir auf diese Chance, nicht aus fachlichen, sondern aus rein persönlichen politischen Gründen?

Ich weiß, dass die Sache inhaltlich vertretbar war. Das Kreativkonzept und die professionelle Umsetzung haben für sich gesprochen. Die hohe Qualität des Films, der für den Wirtschaftsfilmpreis nominiert ist, und der im Verhältnis zur Qualität angemessene Preis bestätigen diese inhaltliche Bewertung.

Ich habe weder Recht gebrochen noch wurde dem Land oder seinen Bürgern ein Schaden zugefügt. Gleichwohl würde ich aus den oben genannten Gründen die Entscheidung heute so nicht mehr treffen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall der SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Justizminister Dr. Bamberger.

(Schreiner, CDU: Er hätte die Entscheidung heute wahrscheinlich auch nicht mehr so getroffen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gern ergreife ich die Gelegenheit, die Fakten und meine Auffassung zu der Aushändigung der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Bewerber für die Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz noch einmal darzustellen. Es gilt dabei fort, was ich vor zwei Wochen im Rechtsausschuss und ergänzend in einem Schreiben dazu ausgeführt habe.

Die Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz war seit dem 18. Mai 2006 unbesetzt. Als ich am 22. Juni 2007 die Ernennungsurkunde vom 14. Februar 2007 dem ausgewählten Bewerber aushändigte, war dies meines Erachtens sachgerecht und rechtlich richtig.

An diesem Tag gab es keine richterliche Anordnung, die mir die Aushändigung der Ernennungsurkunde verboten hätte. Es gab auch keine Rechtsprechung, weder des Bundesverwaltungsgerichts noch des Bundesverfassungsgerichts, die die Aushändigung der Urkunde hätte infrage stellen können.

(Licht, CDU: Das kann man auch anders sehen!)

Die Verwaltung ist aber berechtigt, die Urkunde auszuhändigen, sobald die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Das war hier der Fall. Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte durch Entscheidung vom 25. April 2007 und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz durch Entscheidung vom 13. Juni 2007 alle Einwendungen des unterlegenen Mitbewerbers in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren gewürdigt und beurteilt.

Das betraf etwa das Anforderungsprofil für die Stelle, die Erstellung der Beurteilungen, die getroffene Auswahlentscheidung sowie das Verfahren des Richterwahlausschusses. Bei keinem dieser Punkte haben das Verwaltungsgericht Koblenz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Fehler der Verwaltung gefunden. Sie haben deshalb den Antrag und die Beschwerde des unterlegenen Bewerbers zurückgewiesen. Den Antrag des unterlegenen Bewerbers, die Aushändigung der Urkunde zu verbieten, bis das Bundesverfassungsgericht eine Zwischenentscheidung hat treffen können, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz verworfen.

Auch das Bundesverfassungsgericht hatte kein solches Verbot ausgesprochen, noch erfolgte seinerseits eine andere Reaktion. Damals, nach dem 22. Juni 2007, ist im Übrigen auch sonst von keiner Seite, auch nicht seitens der Opposition, auf einen angeblichen Verfassungsverstoß hingewiesen worden. Keiner hat damals „Verfassungsbruch“ gerufen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich durfte die Ernennungsurkunde aushändigen. Es ging um eines der wichtigsten Ämter der rheinland-pfälzischen Justiz. Die Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz ist, wie ich vor Ihnen nicht weiter auszuführen brauche, eine der bedeutendsten Justizverwaltungsstellen im Land. Es ging aber auch um die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters. Gewiss können vorübergehende Vakanzen hingenommen werden, die Wiederbesetzung einer

solchen Stelle muss aber zügig erfolgen und unverzüglich vorgenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mehrfach klargestellt, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt sein kann, wenn die Wiederbesetzung einer freigewordenen Vorsitzendenstelle nicht in angemessener Zeit vorgenommen wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hat der unterlegene Mitbewerber ausreichenden Rechtsschutz, wenn er die Möglichkeit erhält, vor Aushändigung der Ernennungsurkunde Eilantrag und gegebenenfalls Beschwerde vor den Verwaltungsgerichten zu stellen. Die Verwaltung darf durch ihr Verhalten den rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz dieser Art – Eilantrag und gegebenenfalls Beschwerde – weder verhindern noch sich über dessen erfolgreiche Inanspruchnahme, also eine ergangene einstweilige Anordnung, hinwegsetzen.

Der Justizminister ist, wie wir alle, an Recht und Gesetz gebunden. Es können aber nur das Recht und das Gesetz zur Anwendung gelangen, die im Zeitpunkt seines Handelns Gültigkeit haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage Sie: Lag, wie von der Opposition zu Unrecht behauptet, am 22. Juni 2007 ein Verfassungsverstoß darin, dass ich die Ernennungsurkunde ausgehändigt habe, bevor der unterlegene Mitbewerber eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht hat erheben können? – Diese Frage ist zu verneinen. Deshalb war ich auch nicht gehalten, die Verfassungsabteilung meines Hauses vorher zu befragen. Es gab damals keine verfassungsrechtliche Problematik.

Besser als der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinen Leitsätzen zum Urteil vom 14. Mai 1996 kann ich es nicht formulieren. Herr Präsident, deshalb darf ich mit Ihrer Erlaubnis auszugsweise aus der Entscheidung und ihren Leitsätzen zitieren:

Die nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 a des Grundgesetzes bestehende Verfassungsrechtslage – die Vorschrift regelt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichts für die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden – ist nicht so zu verstehen, dass sie dem Beschwerdeführer unter allen Umständen die Möglichkeit gewährleistet, vor Vollzug des angegriffenen Hoheitsaktes eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, sei es im Wege des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, sei es im Wege des Verfahrens der einstweiligen Anordnung, zu erhalten.

(Licht, CDU: Haben Sie auch Zitate neueren Datums?)

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht ein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, der sich diesem in gleicher Funktion ohne Weiteres anschließt. Demgemäß können die Effektivitätsanforderungen, die sich aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für den vorläufigen Rechtsschutz im Rechtswege ergeben, nicht in gleichem Maße für den verfassungsrechtlichen Rechtsschutz nach § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gelten. –